„Projekt Vino“ am Hengsteysee Weinberg-Führung beschert grandiose Aussichten

„Projekt Vino“ am Hengsteysee: Weinberg-Führung direkt vor der Haustür
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Ein Weinberg mitten im Ruhrgebiet – das war zunächst die etwas versponnene Idee eines jungen Architekturstudenten, der ein halbes Jahr auf einem italienischen Weingut verbracht hatte. Vier Jahre später steht Elias Sturm (24) am Ruhrsteilhang am Hengsteysee und stellt sein Projekt im Rahmen einer Weinberg-Führung vor: „Projekt Vino“.

Gemeinsam mit Freunden und Familie hat der 24-Jährige Herdeckes ersten Weinberg geschaffen – zwischen den Druckrohrleitungen des historischen Pumpspeicherkraftwerks.

Eine Gruppe nimmt an einer Führung durch das Koepchenwerk in Herdecke teil.
Die fachkundige Führung durch das historische Koepchenwerk ist ein beeindruckender Auftakt für die Weinberg-Besichtigung. © Susanne Riese

240 Stufen bis zum Weinberg

Die beeindruckende Aussicht oberhalb des alten Koepchenwerks belohnt die Gruppe für den kraftraubenden Anstieg über 240 Stufen. Es geht extrem steil in die Höhe; bis zum Speicherbecken sind es noch ein paar Hundert Stufen mehr.

Der lange Hang ist für den Weinanbau ideal, aber beschwerlich zu bewirtschaften. Wie extrem, das erfuhren Elias Sturm und seine Mitstreiter erst, als sie die wild zugewucherte Fläche von Hand rodeten, pflügten, den Boden kultivierten und 1.300 Rebstöcke setzten.

Teilnehmer einer Weinberg-Führung in Herdecke erklimmen die Stufen am Koepchenwerk.
Die Aussicht auf Weinberg und Hengsteysee müssen sich die Besucher durch einen steilen Aufstieg hart erarbeiten. © Susanne Riese

Artenvielfalt statt Wein-Monokultur ist das Ziel, deshalb wächst es zwischen den Reben bunt durcheinander. Die Einsaat einer artenreichen Mischung soll über der für den Weinanbau idealen Grundlage aus Schiefer und Sandstein die nötige Nährstoffdichte für das Wachstum der Trauben schaffen. Ein reaktivierter Seilzug erleichterte einiges, aber jede vergessene Kleinigkeit rächte sich mit einem anstrengenden Ab- und Anstieg.

Rebstock-Paten finanzieren mit

Trotzdem haben sie es geschafft, und so steht Elias Sturm nun regelmäßig an jedem ersten Samstag im Monat auf „seinem“ Weinberg und erzählt Interessierten von dem Projekt. Von den Widrigkeiten, der tollen Unterstützung durch die Industriedenkmalstiftung und den 700 Rebstock-Paten, die das Ganze überhaupt erst möglich gemacht haben.

100 Euro zahlten sie pro Kopf und Rebstock, ohne zu wissen, ob die Flasche Wein, die sie damit reserviert haben, jemals produziert werden kann.

Elias Sturm erklärt den Teilnehmern der Weinberg-Führung in Herdecke, was es über den Weinberg zu wissen gibt.
Die Teilnehmer der Führung bekommen nicht nur reichlich Infos, sondern verkosten auch mehrere Bioweine. © Susanne Riese

Denn noch sind die Reben zu jung, um Ertrag abzuwerfen. 2026 könnte es so weit sein. Wenn nicht die Wetterbedingungen, Schädlinge oder Krankheiten die Ernte zunichtemachen. Die Jungwinzer haben mit Sauvignon Gris und Sauvignac pilzwiderstandsfähige Sorten ausgewählt. Pflanzenschutzmitteln oder chemische Dünger lehnen sie ab. „Wir machen alles in Handarbeit, anders geht es hier am Hang gar nicht“, sagt Elias Sturm. Sogar das Holz für die Rebstockstützen haben sie selbst geschlagen.

Dank der Rebstock-Paten konnte die Gruppe die Anlage des Weinbergs finanzieren sowie Geräte und die Stahlfässer anschaffen, in denen der biodynamische Wein ausgebaut werden soll. Vier Fässer stehen in der ehemaligen Waschkaue des alten Koepchenwerks.

Die Kombination mit dem denkmalgeschützten Pumpspeicherwerk ist ideal. „Wir können die Räume nutzen und unser Material hier lagern“, erklärt Elias Sturm. Gleichzeitig weckt der Weinberg neues Interesse für das 1927 bis 1930 erbaute Industriedenkmal.

Verkostung inklusive

Weinbergführungen starten mit einer Besichtigung des 1994 stillgelegten Werks unter fachkundiger Begleitung. Das monumentale Gebäude mit den riesigen Turbinen und Pumpen ist ein Erlebnis für sich.

Die eigentliche Weinberg-Führung beginnt am Fuße des Hangs mit der Verkostung eines Naturweins befreundeter Winzer. Einen zweiten Schluck schenkt Elias Sturm in schwindelerregender Höhe oberhalb des Weinbergs aus.

Elias Sturm steht neben den Stahlfässern für seinen Wein.
In der alten Waschkaue des Koepchenwerks stehen bereits die Stahlfässer bereit, in denen der Wein ausgebaut werden soll. © Susanne Riese

Mitten zwischen den Reben stehend erzählt er, wie alles begann – voller Leidenschaft und Vorfreude, irgendwann eine Flasche eigenen Weins in Händen zu halten.

Bis dahin probieren die Besucherinnen und Besucher nach dem Abstieg in der Waschkaue des Koepchenwerks einen dritten Naturwein von Winzerkollegen, einen außergewöhnlichen, herben Weißwein – und ein prickelnder Vorgeschmack auf die Zukunft des Projekts Vino (www.projektvino.de).

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