Am 9. September 1988 stand Prince (†58) in der Westfalenhalle auf der Bühne. An diesem Abend punktete er gegen einen anderen Pop-Giganten. Und machte Menschen in ganz Europa glücklich.

Dortmund

, 21.01.2021, 16:52 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der US-Amerikaner Prince, bürgerlich Prince Rogers Nelson, gehört zu den vielen dramatischen Figuren im Musikgeschäft. Er ist gefeiert als genialer Künstler und Songschreiber, sein Stil beeinflusst bis heute den Klang von moderner Popmusik.

Doch der Sänger und Gitarrist war auch der Missverstandene, der als TAFKAP und Symbol seinen Fans und vor allem der Musikwirtschaft nichts mehr von seiner Genialität geben wollte. 2016 starb er im Alter von 58 Jahren an den Folgen seiner Medikamentenabhängigkeit.

Publikum überwiegend aus den Niederlanden

Am 9.9.1988 ist das alles noch weit weg. Prince ist einfach nur Prince und als solcher ein Symbol für die Ästhetik der 80-Jahre wie kaum ein Zweiter. In Dortmund spielt er auf seiner „Lovesexy“-Tour an zwei Abenden. Am ersten bringt er die Westfalenhalle schon in Wallung. Am zweiten kann er das noch einmal steigern.

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Der Dortmunder Frank Riemann (53) erinnert sich: „Es war ein Zusatzkonzert für das Publikum aus den Niederlanden, da zu der Zeit keine Halle dort zur Verfügung stand. So wurde das Publikum aus unserem Nachbarland mit unzähligen Reisebussen nach Dortmund gefahren, es waren 90 Prozent Niederländer da.“

Riemann (53), damals gerade eigentlich bei der Bundeswehr, kommt an eine der wenigen Karten, die für Dortmunder erhältlich waren. Er hatte Prince wenige Monate zuvor auf einem Open-Air in Frankfurt gesehen, furchtbar weit entfernt und deshalb furchtbar schlecht.

„Das größte live ausgestrahlte Konzert aller Zeiten“

Doch in Dortmund erlebt Riemann mit Zehntausenden anderen ein Konzert, das Prince-Biograf Matt Thorne als „das größte live ausgestrahlte Konzert aller Zeiten“ bezeichnete. Große Worte, die aber aus mehreren Gründen zutreffen.

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Denn Prince liefert an diesem Abend mit seiner Band und Tänzerinnen auf einer Rundbühne mitten in der Halle eine lichtüberladene Show, die in Erinnerung bleibt, irgendwo zwischen Pop-Funk-Soul-Orchester und Revue-Theater.

„Dadurch, dass man so nah dran war, hat man jedes Grinsen erkannt und gesehen, dass er Spaß hatte“, sagt Frank Riemann. Um ihn herum zelebriert das niederländisch-dortmunderische Publikum „eine Stimmung wie ich sie noch erlebt hatte“. Singen, klatschen, La-Ola-Wellen – manchmal ist es sogar dem Star auf der Bühne etwas zu viel des Guten.

Sanft, sexy und funky

Prince ist sanft, er ist druckvoll, er ist sexy und er ist funky. Was auch daran liegt, dass er an diesem Abend nicht nur für Dortmund singt. Der öffentlich-rechtliche italienische TV-Sender „Rai Uno“ überträgt das Konzert zur besten Sendezeit live in ganz Europa.

In der damaligen Zeit ist das eine kleine Medienrevolution, für die eine Kommission italienischer Staatsbediensteter vorher zweimal nach Dortmund kommen muss, bevor sie genehmigt wird.

Das Konzert ist auf jeden Fall ein Punkt für Prince im Konkurrenzkampf mit Michael Jackson als zweitem US-Pop-Giganten. Beide sind 1988 zeitgleich auf Tour. Ihr Management kämpft um jedes Stück Aufmerksamkeit, das zu bekommen ist.

Vom weißen Anzug ins Drag-Outfit

In seinen Ansagen adressiert Prince „Europe“ statt „Dortmund“. Er wirbelt unablässig über die Bühne. Erst im weißen Anzug, dann im Drag-Queen-Outfit im Leder-Mini, später im ornamentverzierten Gewand.

Das monumentale Solo des Welthits „Purple Rain“ wäre ein würdiges Ende des Abends gewesen. Ist es aber nicht. Ganz am Ende rollt ein weißer Cadillac auf die Bühne, eine halbnackte Perkussionistin begleitet den wilden Tanz zum Song „Alphabet St.“ auf der Bühne.

Die Live-Aufnahme aus Dortmund, die später als VHS-Video vertrieben wurde, gilt als eine der besten Live-Aufnahmen aus der rund 35-jährigen Karriere des Künstlers.

Für Prince und seine Entourage geht der denkwürdige Besuch in Dortmund noch weiter. Sein Management hat die Diskothek Orpheum an der Rheinischen Straße zwei Abende hintereinander für zwei Privatfeiern gebucht. Hunderte junge Fans belagern das Orpheum. Hinein kommen nur einige junge Frauen. Ihre Freunde bleiben vor der Tür stehen.

Denkwürdige Begegnung am Tresen

Am Tresen kommt es zu einer denkwürdigen Begegnung zwischen dem US-Star und dem Cocktail-Mixer des Orpheum, einem groß gewachsenen Mann, der wegen seiner roten Haare „Erdbeer-Dieter“ gerufen wurde. „Dieter hatte einen ausgefallenen Modegeschmack“, erzählt Fred Marek, in dieser Zeit Geschäftsführer des Orpheum.

„An dem Abend trug er eine Kettenhemd-Weste auf der blanken Brust. Prince fand die Weste so gut, dass er sie unbedingt habe wollte. Er bot Erdbeer-Dieter mehrere Hundert Dollar für sie an, doch Dieter schaute ihn immer nur mit seinem unbewegten Gesicht an und sagte eindeutig ‚Nein‘.“

Prince musste Dortmund ohne neues Kettenhemd verlassen. Zwei denkwürdige Abende hatte er aber dennoch erlebt in der Stadt, in die er 1990 und 1992 noch einmal für Konzerte zurückkehrte.