Prämiensparverträge gekündigt – Kunde wirft Dortmunder Sparkasse Täuschung vor

© Schaper

Prämiensparverträge gekündigt – Kunde wirft Dortmunder Sparkasse Täuschung vor

rnFinanzen

Die Sparkasse Dortmund hat mehr als 11.000 Prämiensparverträge gekündigt. Verärgerte Kunden reagierten mit Widerspruch. Wie viele es genau sind – das will die Sparkasse nicht mitteilen.

Dortmund

, 03.02.2020, 04:35 Uhr / Lesedauer: 3 min

Wilfried Slebioda, ehemaliger Altenpfleger bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO), hatte für seinen Ruhestand vorgesorgt, unter anderem mit einem Sparvertrag „Prämiensparen flexibel“ der Sparkasse Dortmund. Vor 22 Jahren hatte der heute 69-Jährige den Vertrag mit langer Laufzeit und bis dato lukrativem Bonussystem abgeschlossen – im Vertrauen auf das Versprechen stattlicher Prämien und darauf, dass eine Unterschrift unter einem Vertrag gilt.

Wilfried Slebioda sieht sich von der Sparkasse schwer getäuscht – und ist damit nicht allein. Die Sparkasse Dortmund hat mehr als 11.000 solcher Prämiensparverträge zum 28. Februar gekündigt. Sie waren meist in den 90er-Jahren noch zu DM-Zeiten abgeschlossen worden. Laut Dortmunder Verbraucherberatung sind die betroffenen Sparer verärgert, weil sie zum Teil viel Geld verlieren, mit dem sie kalkuliert hatten.

Das Prinzip dieses Prämiensparvertrages neben einer vergleichsweise geringen variablen Grundverzinsung ist: Je länger man sparte, umso lukrativer wurde es für den Kunden. Die Prämien begannen im ersten Jahr bei 0 Prozent, kletterten im zehnten Jahr auf 25 und ab dem 15. Jahr auf 50 Prozent der jährlichen Sparsumme. Zahlen die Kunden beispielsweise 1200 Euro im 15. Jahr ein, steuert die Sparkasse 600 Euro dazu.

Urteil des Bundesgerichtshofs

Doch jetzt ist Schluss damit. Als Folge der andauernden Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank gibt es der Kapitalmarkt aus Sicht der Sparkasse nicht mehr her, solche Gewinne zu erwirtschaften. Die Sparkasse stützt sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai, laut dem Sparkassen nach Erreichen der höchsten Prämienstufe – beim Prämiensparen flexibel“ also nach 15 Jahren – Ratensparverträge ohne festgeschriebene Vertragslaufzeit, soll heißen unbefristete Verträge, ordentlich kündigen dürfen.

Jetzt lesen

Der Prämiensparvertrag von Wilfried Slebodia war zwar beim Abschluss im Jahr 1997 unbefristet, doch wie viele andere Sparer erhielt er im Januar 2001 ein Schreiben von der Sparkasse mit der Ankündigung, dass sich „die Vertragslaufzeit auf jetzt maximal 25 Jahre ändert.“ Das wäre im Fall von Slebioda 2022. Für Kunden ist das als Befristung zu verstehen. Das Urteil des Bundesgerichtshofs bezog sich aber auf unbefristete Verträge.

Für Wilfried Slebodia ist mit diesem Schreiben aus dem Jahr 2001 klar: Sein Sparvertrag ist befristet und darf deshalb nicht gekündigt werden.

Für Wilfried Slebodia ist mit diesem Schreiben aus dem Jahr 2001 klar: Sein Sparvertrag ist befristet und darf deshalb nicht gekündigt werden. © Schaper

Wilfried Slebodia hat der Kündigung widersprochen und erhielt wie andere, die es ihm gleichtaten, ein Anwaltsschreiben, in dem der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde. Für Wilfried Slebodia ist das ein „Bankraub anderer Art“.

Sparkasse verweigert Auskunft

Diese Redaktion hat versucht, von der Sparkasse zu erfahren, wie viele Widersprüche es bis Jahresende gegen die Kündigung gegeben hat. Erst hatte Sparkassensprecherin Sophie Donath mündlich erklärt, es seien „etwas unter zehn Prozent“, dann hieß es schriftlich: „Die Anzahl der Widersprüche bewegt sich in dem von uns erwarteten Rahmen“. Auf weiteres Nachhaken ergänzte die Sprecherin am 7. Januar: „Die Anzahl der Widersprüche liegt aktuell bei deutlich unter 10 Prozent.“

Jetzt lesen

Man könne keine genaueren Zahlen nennen, so Donat; denn die Bearbeitung der Widersprüche sei ein laufender Prozess. Widersprüche, die zum Beispiel mehrmals an die Sparkasse versandt worden seien, zum Beispiel per Mail, Fax und Brief müssten herausgefiltert werden, „da sie sonst die Zahl verfälschen“.

Bei der absoluten Zahl der Widersprüche handle es sich zudem „um ein schützenswertes Geschäftsgeheimnis“, das nicht offenbart werden müsse.

Erstes Verfahren am Landgericht anhängig

Bei der Verbraucherberatung Dortmund waren allein bis Jahresbeginn rund 70 Sparkassenkunden persönlich, per Mail oder Telefon vorstellig geworden, sagt die Leiterin Henriette Schulte-Bories. Inzwischen seien es mehr geworden, ergänzt Zuhal Wegmann, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, und für die Verbraucherberatung als Honoraranwältin tätig. In einem Fall sei die Kündigung nach dem Widerspruch zurückgenommen worden.

Gleichzeitig, so Zuhal Wegmann, sei das erste Verfahren am Landgericht Dortmund anhängig, weitere seien auf dem Weg. Unter den betroffenen Sparkassenkunden seien „sehr viele dabei, die sehr sauer sind.“

Die Fälle seien zum Teil sehr unterschiedlich, sagt die Fachanwältin. Sparer sollten deshalb die Kündigungen nicht hinnehmen, sondern einer fachlichen Überprüfung durch Fachanwälte unterziehen.

„Himmelschreiendes Unrecht“

Wie Wilfried Slebioda hätten viele den Serienbrief aus dem Jahr 2001 bekommen, der neben der Begrenzung der Vertragslaufzeit auch die Zinsfälligkeit änderte. Die wurde auch seitdem umgesetzt. Zuhal Wegmann: „Das eine umzusetzen und das andere nicht, ist widersprüchlich. Das geht rechtlich nicht.“

Aus „einem Recht sei ein himmelschreiendes Unrecht“ geworden, schimpft Wilfried Slebioda. Die Sparkasse habe in einer Hochzinsphase mit seinem Geld Kredite vergeben und Geld verdient. Jetzt, wo das schwierig sei, breche die Sparkasse einfach den Vertrag. Die Sparkasse hat ihm wie anderen Kunden Rendite-Alternativen angeboten. Dazu meint er nur: „Dann soll die Sparkasse da doch selbst investieren und mit der Rendite meinen Sparvertrag einhalten.“

Info

Die Verbraucherberatung gibt betroffenen Sparkassenkunden im Netz Tipps zum weiteren Vorgehen (www.verbraucherzentrale.de), einschließlich eines Musterbriefs. Die Leiterin der Dortmunder Verbraucherberatung, Henriette Schulte-Bories, rät Kunden, die widersprechen wollen, das Geld aus dem gekündigten Vertrag nicht einfach auszugeben, sondern ihren Vertrag rechtlich prüfen zu lassen. Viele Rechtsschutzversicherungen erteilten eine Deckungszusage.