
© Stephan Schütze
Party-Alarm wie am Ballermann: Im B6 jagte ein Hit den nächsten
Dortmunder Disko-Legenden
Er ist das Synonym für Feier-Ekstase: der Ballermann auf Mallorca. Das Gefühl der legendären Partymeile holte die Diskothek B6 Anfang der 2000er-Jahre nach Dortmund. Eimer-Saufen inklusive.
Wie auf Mallorca schlürfte das Partyvolk Anfang der 2000er-Jahre auch im B6 in Dortmund den Sangria mit Ein-Meter-Strohhalmen. Wer damals im B6 aufschlug, der wollte vor allem eins: ausgelassen feiern. Das ging in dem Laden im sonst eher tristen Westfalenforum an der Kampstraße besonders gut. Und zu so einem Abend gehörte der Gruppen-Trank unweigerlich dazu.
Vorbild für das B6 war ein Laden in Leverkusen
1999 hatte die Diskothek zunächst als Ballermann 6 eröffnet. Der Name steht für den wohl bekanntesten Strandabschnitt der Inselhauptstadt Palma de Mallorca. Der sechs Kilometer lange Playa de Palma wird durch 15 Strandlokale in kleinere Einheiten aufgeteilt. Was die meisten nicht wissen: Ballermann 6 bezeichnet eigentlich ein Lokal - das Lokal Nr. 6, heute Beach Club Six.

Der Schwerter DJ Frank Neuenfels gehörte als Mallorca-Experte zum Team der ersten Stunde. © Stephan Schütze
Erlebnis-Gastronomie war das Ziel. Der Schwerter Frank Neuenfels, damals als DJ im Riu Palace auf Mallorca im Einsatz und im B6 von der ersten Stunde an hinter dem Mischpult dabei, erinnert sich. Vorbild war ein ähnliches Format in Leverkusen. „Könntest Du Dir vorstellen, dass das auch im Ruhrgebiet funktioniert?“, fragte man den Musiker. Und der war sich sicher: Das passt.
Auch Betriebsleiter Tom Bachschmid war von Anfang an von dem Konzept überzeugt. „In den ersten Jahren, da gab es nichts Vergleichbares“, sagt der heute 50-Jährige über den Ballermann 6, der wegen Lizenzgebühren später in B6 umbenannt wurde. „Das war die Party-Disko schlechthin.“
Am Eingang sah‘s aus wie am Flughafen von Mallorca
Wer die Rolltreppen im Westfalenforum in den zweiten Stock hinauffuhr, den erwartete ein stimmiges Gesamtkonzept in der Ein-Raum-Diskothek. „Der Eingangsbereich sah aus wie am Flughafen von Mallorca“, erzählt Bachschmid. Silberne Wände, ein Schild mit der Aufschrift „Bienvenido“ - Willkommen. Rechter Hand die B6-Theke, der Ballermann-Bar auf Mallorca nachempfunden, Strandfeeling inklusive.
So wurde im B6 gefeiert:
Legenden des Nachtlebens: B6
Liebe zum Detail und Deko bis zum Abwinken - viel Herzblut und noch mehr Stunden steckte Betriebsleiter Tom Bachschmid in den 500 Quadratmeter großen Laden. Offiziell feierten hier donnerstags, freitags, samstags und vor Feiertagen 450 bis 500 Gäste. Grob geschätzt sollen es manchmal aber bis zu 800 gewesen sein.
Weitere Versorgungspunkte der Nachtschwärmer neben der Ballermann-Bar: die Oberbayern-Theke, rustikal mit Holz und blau-weißen Fähnchen. Und die Schinkenstraße-Theke, an der Cocktails serviert wurden. Pate standen die berüchtigten Partyinstitutionen der Balearen-Insel. Gleich hinter der Strandpromenade reihen sich entlang der Playa de Palma zahlreiche Hotels, Restaurants und Diskotheken, die mit Angeboten und Aktionen um die Gunst der Gäste buhlen.
Animation, wie man sie von Aida-Schiffen kennt
Auch das B6 trug den Namen Erlebnisgastronomie nicht umsonst. „Das war eine ganz andere Diskotheken-Kultur als heute“, erinnert sich Frank Neuenfels. „Wir haben Animation, die man sonst von Aida-Schiffen oder Clubs kennt, aktiv betrieben. Die Gäste wurden sofort bespaßt.“ Ab 20 Uhr sei der Laden in Bewegung gewesen.
Zum Beispiel bei Spielchen wie dem Eselreiten. Da nahmen stattliche Kerle gern etwas zartere Damen huckepack, um sich durch einen Parcours zu trinken. „Damals gab‘s ja noch keine Smartphones, da konnte man jeden Mist machen“, sagt Frank Neuenfels. Und fügt hinzu: „Heutzutage wäre man ja sofort die größte Lachnummer im Internet.“
Hören Sie rein in den Sound des B6
Musikalisch herrschte im B6 Rambazamba-Fetenstimmung. Kein bestimmtes Genre, Hauptsache Party. Ein Hit jagte den nächsten. Am liebsten „Deutsche Stimmungs-Spaß-Musik mit Mallorca-Feeling“, sagt DJ Frank Neuenfels. Der Pur-Hit-Mix. Der nur im B6 funktionierte, aber nicht auf Mallorca. Dazu Lieder wie der Gummibären-Song - so dämlich, dass sie in ihrer Dämlichkeit wieder lustig waren. Schlager. Pop. Aber auch Internationales: „Like the way I do“ von Melissa Etheridge, „Summer of 69“ von Bryan Adams oder „Like a prayer“ von Madonna.

Auch Mickie Krause trat im B6 auf. Damals war der Schlagerstar gerade am Anfang seiner Karriere. © Nils Foltynowicz
Gerade los ging es damals für Mickie Krause, der mittlerweile als eines der Urgesteine des Ballermanns bekannt ist. Seinen Hit „Zehn nackte Frisösen“ trällerte er auf Mallorca - und im B6 in Dortmund. Rednex sangen hier „Cotton Eye Joe“ und auch Dr. Alban trat auf. Ebenfalls auf der Bühne im Westfalenforum: Möhre, heute besser bekannt als Komikerin Mirja Boes. Ihre „20 Zentimeter“ brachten die Disko zum Beben: „Das sind nicht 20 Zentimeter- nie im Leben kleiner Peter...“ Frank Neuenfels erinnert sich lebhaft: „Da war die Hölle los.“
Auch dem gebürtigen Dortmunder Markus Sauer hat sich dieser Auftritt ins Gedächtnis gebrannt. Der Partygänger und Hobby-DJ feierte schon als 18-Jähriger ausgelassen im B6. Später lernte der Polizist das Etablissement von einer anderen Seite kennen. „Wo viel Alkohol fließt, gibt es natürlich immer einen, der es nicht verträgt.“ Doch das Sicherheitsteam im B6 sei gut eingespielt gewesen, teilweise nahmen die Uniformierten diejenigen, die es zu sehr übertrieben hatte, schon an der Tür in Empfang.
Der „Flotte Dreier“ am letzten Donnerstag im Monat war Kult
Denn exzessiv und ausgelassen gefeiert wurde im B6. Ganz wie beim Vorbild am Ballermann. Berühmt-berüchtigt war vor allem der „Flotte Dreier“ an jedem letzten Donnerstag im Monat. „Der war gesetzt als Beginn des Wochenendes“, sagt Markus Sauer. Und Frank Neuenfels schwärmt: „Das glauben Sie nicht. Die Leuten haben gestanden, zwei lange Rolltreppen hoch. Das war Kult.“
Das einfache wie wirksame Konzept: Wer an einem der anderen Donnerstage des Monats eine oder mehrere „Flotte-Dreier-Karten“ abgegriffen hatte, der bekam an an diesem Abend drei Getränke zum Preis von einem. „Die Hälfte der Gäste ist am nächsten Tag stramm zur Arbeit gegangen“, erinnert sich Tom Bachschmid und schmunzelt. Und die Dortmunderin Jenny Kühling, heute 40, sagt süffisant: „Das war schon sehr lukrativ.“

Motto-Partys und Aktionsabende gehörten im B6 dazu. Berühmt-berüchtigt war der „Flotte Dreier“ am letzten Donnerstag im Monat. Dann gab es drei Getränke für den Preis von einem. © Stephan Schütze
Mit Anfang, Mitte 20, habe sie eine ganze Zeit lang sehr regelmäßig im B6 gefeiert. „Teilweise jedes Wochenende.“ Sie fand die Stimmung toll - und, dass es nur einen Raum gab. Klein und heimelig sei das B6 gewesen, nicht groß und anonym. „Das war einfach eine nette Zeit.“ Reichlich gebaggert wurde natürlich trotzdem. „Wenn man sich nicht zu wehren wusste, wurde man schon viel angemacht“, sagt Kühlings Freundin Linda. Aber auch sie hat die B6-Zeit in guter Erinnerung. „Man konnte für wenig Geld viel trinken - mit 18 Jahren war das super.“
70 bis 80 Prozent waren im B6 Stammgäste
Im B6 habe sich niemand allein gefühlt, sagt Frank Neuenfels. 70 bis 80 Prozent des Publikums seien Stammgäste gewesen. „Die waren immer an derselben Stelle, haben dasselbe getrunken, sich dieselben Lieder gewünscht.“ Einige Gäste kannte er von seinen Mallorca-Auftritten. „Das war wie eine riesengroße Familie.“

Tom Bachschmid, ehemaliger Betriebsleiter des B6, denkt gern an die Zeit zurück. „Es war sehr hart, aber auch sehr lustig.“ © Stephan Schütze
Das Ende des B6 kam dann schleichend. Nach und nach hatten die Gäste einen anderen Anspruch. Wollten etwas Schickeres, mehr Anonymität. 2009 machte das B6 dicht. 2014 startete Tom Bachschmid noch einmal einen zweiten Anlauf, aber musste bereits nach kurzer Zeit die Segel streichen. Wer am Ballermann feiern will, muss jetzt nach Mallorca fliegen. Zumindest das geht auch ab Dortmund.
Kind des Ruhrgebiets, mit den Ruhr Nachrichten seit Schulzeiten verbunden. Neugierig auf Menschen und das, was sie begeistert und umtreibt. Mit einem (auch persönlichen) Interesse für Familien- und Kulturthemen.
