Paar verliert Wohnung nach Miet-Ärger „In Alptraum geschlittert, aus dem wir nicht mehr rauskommen“

„In 30 Minuten müsst ihr weg sein“: Plötzlich Räumku
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Mathias Raatzsch (44) und Denis van Dam (36) ist die Erschöpfung der letzten Zeit anzumerken. Am 23. August wurde eine Räumungsklage für die gemeinsame Wohnung des Paares in Dortmund-Wickede vollstreckt. Ohne Vorwarnung, wie sie behaupten, hätten beide die Wohnung verlassen müssen. Mitnehmen durften sie nur das Nötigste.

„Sie haben eine halbe Stunde“

Plötzlich ging alles ganz schnell. Der Gerichtsvollzieher stand vor der Tür und eröffnete dem Paar, dass es nun die Wohnung verlassen muss. Mitnehmen durften beide nur, was sie auf die Schnelle greifen konnten. „Uns wurde gesagt, dass wir eine halbe Stunde Zeit haben“, sagt Mathias Raatzsch.

Beide müssen das Notwendigste zusammensuchen; die obligatorische Zahnbürste, Medikamente, ein paar Anziehsachen, ihre Mobiltelefone, ein paar elektronische Geräte, mehr nicht. Seitdem leben sie in einer Notwohnung.

Streit über nicht gezahlte Nebenkosten

Der ausschlaggebende Grund für die Kündigung der Wohnung waren angebliche Mietschulden. Das Gericht gab einer Räumungsklage des Vermieters statt, weil Nebenkosten nicht gezahlt wurden.

Der Kündigungsgrund, auf dem die Räumungsklage basiert, sei fragwürdig, sagt Björn Overkamp. Der Dortmunder Jurist vertritt Raatzsch und van Dam vor Gericht. Ihr Fall ist für den Anwalt neu. „Es ist in meinen 20 Berufsjahren der erste Fall, in dem ein Mandant aus der Wohnung fliegt wegen nicht gezahlter Nebenkosten“, sagt Overkamp. Gleichzeitig stellt der Jurist infrage, dass die vom Vermieter vorgelegten Abrechnungen der Nebenkosten richtig sind.

Keine Einsicht in Belege

Nachprüfen konnte er die Berechnung nicht: „Eine Belegeinsicht war nicht möglich“, sagt Jurist Overkamp. Trotzdem gab das Dortmunder Amtsgericht dem Vermieter recht.

Auch, wenn seine Mandanten durch ein schnelles Eingreifen - sprich: Nachzahlung - die Klage hätten aufschieben können, kann der Jurist die Schlussfolgerung des Gerichts nicht nachvollziehen. „Das gab es so noch nicht“, behauptet der Anwalt. Für eine Räumungsklage eigentlich entscheidend sei die Kaltmiete - die von Raatzsch und van Dam korrekt beglichen wurde.

„Die beiden haben ihre Wohnung verloren, obwohl die Nebenkosten-Abrechnung falsch und die fristlose Kündigung damit nicht in Ordnung war“, sagt der Jurist.

Anwalt Björn Overkamp hat bereits Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichtes eingelegt. Diese ging jetzt zum Landesgericht in Düsseldorf und werde dort geprüft. Sollten Raatzsch und van Dam Recht bekommen, muss ihr Vermieter Schadensersatz zahlen.

Folgen des Umzuges

So oder so: Die Folgen sind für beide gravierend. Die zugewiesene Notwohnung befindet sich in Dortmund-Derne - weit weg von ihrem alten Lebensraum. Das Paar fühlt sich abgeschrieben. Um die Frühschicht bei einer großen Einzelhandelskette antreten zu können, müsste Dennis van Dam um 5 Uhr in Wickede sein. Der erste Bus am neuen Wohnort fährt aber erst um 05.05 Uhr, sagt der 36-Jährige.

Auch die Wohnung selbst empfindet das Paar als Zumutung. Alles sei sehr behelfsmäßig. Mathias Raatzsch zeigt der Redaktion die Zimmer. Eine Kaffeemaschine bekam das Paar von Freunden geschenkt. Die Mikrowelle wollen sie lieber nicht benutzen, zu stark ist das Gerät verdreckt.

Räumungsklage, fehlende Nebenkosten, Wickede
Auch die Wohnung selbst empfindet das Paar als Zumutung. Alles sei sehr behelfsmäßig. © Mathias Gaumann

„Fühlt sich wie Gefängnis an“

Ein Metall-Spind steht an der Wand und fungiert als behelfsmäßiger Schrank. „Das fühlt sich wie Gefängnis an“, sagt Raatzsch und zeigt auf das Bett, was ebenfalls vollständig aus Metall besteht. „Wie sollen wir hier ein normales Leben führen?“, fragt van Dam.

Besonders prekär: Beide befinden sich in psychologischer Behandlung. „Wir wissen aktuell manchmal nicht, wo oben und unten ist“, beschreibt van Dam den Stress. „Wir sind in einen Alptraum geschlittert, aus dem wir nicht mehr herauskommen“, fasst es Mathias Raatzsch zusammen, wie sie sich fühlen.

Räumungsklage, fehlende Nebenkosten, Wickede
Ein Metall-Spind steht an der Wand und fungiert als behelfsmäßiger Schrank. „Das fühlt sich wie Gefängnis an“, sagt Mathias Raatzsch (44). © Mathias Gaumann

Trotz aller Schwierigkeiten sagen sie aber auch: Eine Rückkehr in ihre alte Wohnung komme nicht infrage, auch im Falle einer erfolgreichen Berufung. „Jede Vertrauensgrundlage ist zerstört“, sagt das Paar einstimmig.

Das sagt der Vermieter

Diese Meinung vertritt auch der Vermieter des gekündigten Paars. Er sieht sich durch die Entscheidung des Gerichts bestätigt. „Dass sie jetzt in Derne wohnen müssen, haben sie sich selbst zuzuschreiben“, sagt er auf Anfrage unserer Redaktion. Er gibt an, den beiden mehrere Angebote zur Schuldentilgung gemacht zu haben. Aber das Paar sei, laut seiner Darstellung, nicht kooperativ gewesen.

Auch für ihn ist die vollzogene Räumungsklage Neuland. „Die erste Geschichte, wo ich jemanden vor die Tür setzen musste“, sagt er. Auch soll das Paar mehrmals abgesprochene Termine nicht eingehalten haben. „Sie hätten von der Räumungsklage gewusst, wenn sie ihre Briefe geöffnet hätten“, sagt er. Er habe das Paar über die Situation informiert. Über die Nebenkosten-Rechnung, die Anwalt Overkamp für falsch hält, konnte der Vermieter nichts sagen.

„Irgendwann wieder Alltag“

Das Paar selbst versucht nun, nach vorne zu sehen. Mathias Raatzsch und Denis van Dam wollen so schnell wie möglich aus der Not-Wohnung in Derne ausziehen und sich eine neue Wohnung suchen. „Damit endlich irgendwann wieder Alltag einkehren kann“, sagt Mathias Raatzsch. Dennis van Dam nickt zustimmend.

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