Sechs Tage in der Woche steht der Verkaufswagen von Obst und Gemüse Michels auf Wochenmärkten. Sonntags verkaufen Nina und Sascha Michels ihre Produkte auf dem Hof in Mengede.

Sechs Tage in der Woche steht der Verkaufswagen von Obst und Gemüse Michels auf Wochenmärkten. Sonntags verkaufen Nina und Sascha Michels ihre Produkte auf dem Hof in Mengede. © Uwe von Schirp

Frisch vom Feld auf den Markt: Gemüsehandel in Dortmund ist Familienprojekt

rnHändler und Gemüsebauer

An sechs Tagen auf dem Wochenmarkt, sonntags Verkauf auf dem eigenen Hof: Gemüse aus eigenem Anbau und Obst. Alltag eines jungen Unternehmerpaares – und Töchterchen Emelie ist immer dabei.

Mengede

, 28.07.2022, 17:55 Uhr

Ein Mann mittleren Alters steht vor der Auslage und lässt sich inspirieren. Nach ein paar Sekunden wählt er ein Pfund Schnippelbohnen aus, dazu Zwiebeln und zwei Schalen Erdbeeren. Bei den Tomaten lässt er sich beraten. Er zahlt. Schon steht die nächste Kundin vor dem gut acht Meter langen Verkaufswagen. Was die beiden Sorten Pflaumen unterscheidet? Sascha Michels gibt Auskunft, legt das Obst in eine spitze Papiertüte, wiegt und kassiert.

Es ist Mittagszeit. Ein warmer Wind weht über den Hof von „Obst und Gemüse Michels“ an der Königsheide in Dortmund-Mengede. Die Sonne sengt. Allein das Dach und die Markise des Verkaufswagens spenden Schatten. Ehefrau Nina kommt über den Hof, auf dem Arm Emelie. Die 21 Monate alte Tochter blinzelt verschlafen, drückt sich an die Mama, strahlt ihren Papa an.

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Familienalltag – wie an jedem Sonntag bei den Michels. Von 11 bis 16 Uhr öffnet der Obst- und Gemüsehändler den Verkaufswagen. Vor zweieinhalb Jahren haben die beiden 31-Jährigen die alte Gärtnerei gegenüber dem katholischen Friedhof gekauft.

Sascha stammt aus Lütgendortmund und ist auf Wochenmärkten groß geworden. Nach der kaufmännischen Ausbildung erfüllte er sich seinen Traum: Markthandel mit Obst und Gemüse. Die Verkaufswagen stehen sechs Tage in der Woche in der Hagener Innenstadt sowie auf dem Hansamarkt in Dortmund und auf Wochenmärkten in Bochum.

Qualität vom eigenen Feld

Die ehemalige Gärtnerei am Mengeder Ortsausgang bietet Platz für den eigenen Anbau. In den Gewächshäusern reifen etwa Tomaten, Paprika, Mangold. Auf einem Feld daneben gedeihen unterschiedliche Sorten Zucchini. Sascha Michels setzt auf alte Sorten. Sie sind resistenter gegen Krankheiten, benötigen weniger Pflanzenschutz als moderne Züchtungen, schmecken intensiver.

Es ist ein Fulltime-Job, gerade jetzt in der Saison. Sieben Tage in der Woche. „Jede Tomatenpflanze musst du mindestens einmal in der Woche in die Hand nehmen, ausgeizen und hochbinden“, erklärt Sascha Michels. In den Worten klingt Leidenschaft für Landwirtschaft und die eigenen Produkte mit. Die Kunden honorieren es. Nur zum Teil kauft der Kleinerzeuger Obst und Gemüse hinzu.

„Herkunftsland: Dortmund“, steht auf einer Tafel in einer Gemüsekiste mit Zucchini am Verkaufsstand. „Vom eigenen Feld.“ Ein Qualitätsmerkmal. „Wir müssen sie täglich ernten, so schnell wachsen sie bei der Wärme“, erzählt er. Die Kunden bevorzugen kleine Zucchini. Wenig verwunderlich: „Sonderangebot“, steht auf einer Kiste mit großgewachsenen Exemplaren: „Stück 1,50 Euro“.

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Während die Ernte im Kühlhaus auf dem Obst- und Gemüsehof lagert, stehen in einem weiteren Gewächshaus tausende Setzlinge in Kisten bereit: Porree, Winterblumenkohl und Romanesco. Grünkohl und Salat.

Ein Montag auf dem Feld

Montagvormittag, 11 Uhr: Das Paar ist mit Emelie auf dem Feld. Gut 1,7 Kilometer vom Betrieb entfernt hat Sascha Michels einen Hektar Acker von Landwirt Timmermann gepachtet. Dessen Getreide ist gedroschen. Michels hat vor Tagen das Feld mit der Egge für das Auspflanzen vorbereitet. Im Anhänger hinter dem Firmen-Transporter stehen die Setzlinge aus dem Gewächshaus.

Während Papa die Pflanzmaschine belädt, bleibt Zeit ein wenig im Wasser zu planschen.

Während Papa die Pflanzmaschine belädt, bleibt Zeit ein wenig im Wasser zu planschen. © Uwe von Schirp

4500 Grünkohlpflanzen warten bereits am Rand des Ackers. Der Gemüsebauer hat eine Pflanzmaschine auf die Kupplung seines 40 Jahren alten IHC-Treckers gesetzt. Die Maschine hat er von einem befreundeten Obstbauern gekauft, der sie nicht mehr benötigte. Eine Schülerin und eine Studentin helfen beim Pflanzen.

Sascha Michels schnappt sich Emelie und setzt sie auf den Radkasten oben im Führerhaus des Traktors. Die Kleine strahlt. Nina und Schülerin Emilia lassen sich auf den Sitzen der Pflanzmaschine nieder. Im Schneckentempo rollt der Trecker das 360 Meter lange Feld herunter. Jeden Meter setzen die beiden Frauen in zwei Bahnen je eine Pflanze in die Erde.

Ob auf dem Wochenmarkt, auf dem Hof oder auf dem Feld: Emelie (21 Monate) ist immer dabei.

Ob auf dem Wochenmarkt, auf dem Hof oder auf dem Feld: Emelie (21 Monate) ist immer dabei. © Uwe von Schirp

„Das geht auf die Oberschenkel“, sagt Nina Michels nach 720 Metern beim Nachladen. Die Sozialversicherungskauffrau befindet sich in Elternzeit. Landwirtschaft als Familienaufgabe: Das Strahlen der Gesichter zeigt, wie viel Spaß sie den beiden Jungunternehmern und ihrer Tochter macht.

Frische vom Feld direkt auf den Markt

Graue Wolken am Himmel, die Luft ist schwül-heiß, die Ackerkruste steinhart. „Natürlich hoffen wir auf Regen“, sagt Sascha Michels. Für das Angehen der Jungpflanzen hofft er darauf, dass die kleinen Wurzelballen ausreichend vorgewässert sind.

„Es ist viel zu trocken“, erklärt auch Alt-Landwirt Friedrich Timmermann. Er steht am Feldrand und beobachtet zufrieden die Pächter. Schwiegertochter Bianca Timmermann fährt mit dem Auto vorbei und winkt. Nina Michels hatte sie beim Spaziergang mit ihren Hunden am Kanal getroffen. Die beiden Frauen kamen ins Gespräch: Daraus entstand das Pacht-Verhältnis.

Knochenarbeit auf dem Feld: 8500 Setzlinge pflanzten Nina und Sascha Michels mit ihren beiden Helferinnen aus.

Knochenarbeit auf dem Feld: 8500 Setzlinge pflanzten Nina und Sascha Michels mit ihren beiden Helferinnen aus. © Uwe von Schirp

Knochenarbeit und Tagwerk: Insgesamt 8500 Setzlinge kommen an diesem Montag in die Erde. Abends wird das Familien-Team das Feld mit riesigen Netzen abdecken. Eines ist zum Schutz vor Schädlingen wie die weiße Fliege. Ein Weiteres soll Rehe und Krähen vom Fraß des Gemüses abhalten.

Dann heißt es Warten auf die Ernte. Die Kunden schätzen den regionalen Anbau und die Selbstvermarktung. „Sie können sich davon überzeugen, dass wir nicht spritzen“, betont Sascha Michels. „Wir sind da offen und transparent.“ Zudem garantiere er Frische. „Wenn ich abends Salat schneide und morgens auf dem Markt verkaufe, war der Kopf nicht zwei oder drei Tage bei Zwischenhändlern.“

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