Nur noch Mehrweg-Behälter mit Pfand „Das wird Diskussionen geben“, sagt der Westermanns-Chef

Nur noch Mehrweg-Behälter mit Pfand: „Das wird Diskussionen geben“, sagt der Westermanns-Chef
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Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) fallen in Deutschland pro Jahr mehr als 190.000 Tonnen Abfall durch Einweg-Becher, -Besteck, -Teller und -Essensboxen an. Eine Änderung im Verpackungsgesetz soll dieser Müllflut nun den Riegel vorschieben.

Restaurants, Bistros und Cafés, die Essen und Getränke zum Mitnehmen oder Liefern verkaufen, müssen ihre Produkte ab 2023 auch in Mehrweg-Verpackungen anbieten. Ausgenommen sind kleine Betriebe mit bis zu 80 Quadratmetern Verkaufsfläche und maximal fünf Beschäftigten.

Unsere Redaktion hat sich bei lokalen Gastronomien umgehört, wie diese mit den neuen Vorgaben umgehen.

Einweg abgeschafft

Westermanns Gastronomie mit drei Standorten in Dortmund und dem Stammhaus in Lünen wagt einen radikalen Schnitt und stellt zum 1. Januar komplett von Einweg- auf Mehrweg-Verpackungen um. Geschäftsführer Manuel Kraas kündigt an, dass Westermanns das Mehrweg-Pfandsystem Recup pünktlich zum Stichtag an allen Standorten einführen werde. Obwohl es diesbezüglich keine Nachfrage seitens der Kundschaft gegeben habe.

Recup ist nach eigenen Angaben mit 16.400 Aus- und Rückgabestellen das deutschlandweit größte Mehrwegsystem für Getränke und Essen zum Mitnehmen. Es bietet Mehrwegbecher (Recup) und Mehrwegschüsseln (Rebowl). Der Kunde muss Pfand bezahlen (einen Euro pro Becher, fünf Euro pro Schüssel). Er kann Cup beziehungsweise Bowl nach dem Verzehr am nächstgelegenen Partnerbetrieb wieder abgeben und erhält sein Geld zurück. In Dortmund sind bislang vor allem Tankstellen, aber auch einige Gastronomien und Bio-Supermärkte Recup-Partner.

Wahl fiel auf Recup

Bei Westermanns werden die Kunden ab 1. Januar nicht nur Take-Away-Gerichte in Recup-Verpackungen bekommen. Wer im Lokal nicht aufgegessen hat und den Rest gern mitnehmen möchte, wird ebenfalls die Mehrweg-Verpackung erhalten - und muss dann Pfand zahlen. „Das wird viele Diskussionen geben“, ist Geschäftsführer Kraas überzeugt. Dennoch will er die Komplett-Umstellung durchziehen. „Wir hoffen auf Erfolg.“ Falls dieser ausbleibe, könne er eine Rückkehr zum Einweg-Angebot nicht ausschließen.

Die Umstellung auf Mehrweg sei „politisch gewollt“, sagt Kraas. Die neue Verpackungsverordnung sieht er durchaus kritisch. Er mutmaßt beispielsweise, dass der Verkehr zunehmen werde, weil mehr Menschen zu den Abgabestellen fahren. Kraas hätte sich stattdessen eine verpflichtende Einführung von recyclebaren Einweg-Verpackungen gewünscht. Denn: „Der Grundgedanke der Müllvermeidung ist natürlich nachvollziehbar.“ Westermanns habe sich aufgrund des großen Netzes von Recup für dieses Pfandsystem entschieden.

Kritik an Ausnahmeregelung

Kraas kritisiert auch die Ausnahmeregelung für kleine Betriebe. Diese müssen den Kunden lediglich anbieten, ihre Produkte in selbst mitgebrachte Gefäße abzufüllen. Dabei sei dies vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie sogar verboten gewesen, so Kraas. Über die Mehrweg-Angebotspflicht sagt er: „Ich habe kein Problem damit. Aber ob das von den Kunden so gelebt wird, wage ich zu bezweifeln.“

Lars Martin, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Westfalen, sagt, die Umstellung auf Mehrweg komme für die Gastronomie zu einer Zeit, in der sich die Branche mit vielen anderen Problemen herumschlage. Er nennt etwa Preissteigerungen und Personalmangel.

Ruf nach einheitlichem System

Zudem sei derjenige Teil der Gastronomien, in denen der meiste Verpackungsmüll anfalle, gar nicht von der Mehrweg-Angebotspflicht betroffen. Er meint damit die kleinen Betriebe wie Imbisse. Die Ausnahme sei wohl der Praktikabilität geschuldet, sagt der Fachmann. Dass die Imbisse künftig einem Großteil der Kunden Döner oder Currywurst in selbst mitgebrachte Behälter füllen, glaubt Martin indes nicht. „Da muss man realistisch sein.“

Der Erfolg der Mehrweg-Angebotspflicht hänge vom Kundenverhalten ab, betont Martin. „Das Angebot muss angenommen werden, sonst ist es überflüssig.“ Dahingehend sei ein einheitliches Pfandsystem wünschenswert. Ein Flickenteppich mit unterschiedlichen Systemen mache Mehrweg-Verpackungen „unattraktiv“ für die Kundschaft.

Dehoga äußert Zweifel

Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert, das neue Verpackungsgesetz laufe ins Leere und fordert eine zusätzliche Abgabe auf Einweg-Verpackungen. So weit geht Dehoga-Mann Lars Martin nicht. Er glaubt allerdings, dass der Effekt nicht so groß sein wird, wie von der Politik erhofft.

Das Café Rot im Kaiserviertel bietet neben Einweg- schon seit Längerem zusätzlich Mehrweg-Verpackungen an - sowohl Becher als auch Schüsseln. Die Becher würden recht häufig nachgefragt, sagt Inhaberin Selvi Aksünger. „Bei den Schüsseln läuft es eher schleppend.“ Einweg werde weiterhin bevorzugt - insbesondere bei Kuchen.

Ein App-basiertes System

Aksünger hat das App-basierte Mehrweg-Pfandsystem Vytal eingeführt. Der Vorteil sei, dass die Ausleihe kostenlos ist. Zahlen müsse der Kunde nur, falls er die 14-tägige Frist zur Rückgabe nicht einhält.

Die neuen Vorgaben begrüßt die Café-Rot-Inhaberin. „Manchmal muss man den Leuten einen Anstoß geben“, findet sie. „Das Gesetz kann eine Hilfe sein.“ Wichtig sei auch, die Kunden aktiv auf das Angebot hinzuweisen.

Aksünger sagt, dass ein einheitliches Pfandsystem „viel sinnvoller“ wäre als ein Flickenteppich. In Frankfurt am Main habe die Stadt in Zusammenarbeit mit den Gastronomen ein solches System auf kommunaler Ebene eingeführt.

Selvi Aksünger, Inhaberin des Café Rot im Kaiserviertel
Selvi Aksünger, Inhaberin des Café Rot im Kaiserviertel © Thomas Thiel

Dehoga-Mann Lars Martin geht davon aus, dass sich mit der Zeit bestimmte Pfandsysteme durchsetzen werden. Er glaubt aber nicht, dass sämtliche Betriebe die Mehrweg-Angebotspflicht zum Stichtag umsetzen können.

Im Gespräch mit Anbietern

Waldemar Hamann, Inhaber des Sushi Kaiser am Stadthaus, sagt, er sei dabei, die Mehrweg-Angebotspflicht umzusetzen. „Wir werden das Problem lösen“, versichert er. Aktuell führe er Gespräche mit Anbietern. Hamann glaubt derweil nicht, dass die Nachfrage nach Mehrweg-Verpackungen groß sein werde. Bisher seien diese bei der Kundschaft kein Thema gewesen.

Auch das Ma‘loa an der Kleppingstraße hat nach Angaben des Betreibers noch keine Entscheidung getroffen, wie die Verordnung umgesetzt werden soll.

Bei Ma‘loa an der Kleppingstraße gibt es Poke, ein Gericht aus Hawaii.
Bei Ma‘loa an der Kleppingstraße gibt es Poke, ein Gericht aus Hawaii. © Joscha F. Westerkamp

Bei Malzers Backstube mit mehr als 150 Filialen, darunter 36 in Dortmund, bereitet man sich seit Längerem auf die Gesetzesänderung vor. Der Leiter der Kommunikationsabteilung, Oliver Hein, erläutert, dass das Unternehmen sowohl Recup als auch das Mehrweg-Pfandsystem Fair Cup getestet habe - jeweils in unterschiedlichen Filialen. In der Funktionsweise sind beide Systeme ähnlich.

Die Entscheidung sei auf Fair Cup gefallen, sagt Hein. Dieses System sei im Filialgebiet breiter vertreten. Auch das Kunden-Feedback und die Zuarbeit seitens des Anbieters seien besser gewesen. Ende November habe man Fair Cup in allen Malzers-Filialen eingeführt. „Wir erfüllen die Pflicht“, sagt Hein mit Blick auf die neue Verordnung. Er betont, dass Malzers sich schon lange mit Nachhaltigkeit beschäftige. Bereits seit vier Jahren biete man Thermobecher zum Kauf an.

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