„Nur Erinnern reicht nicht“ Gedenken an Karfreitagsmorde in Dortmund vor 80 Jahren

„Nur Erinnern reicht nicht“: Gedenken an Karfreitagsmorde vor 80 Jahren
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Es war ein eindrucksvolles Bild. 190 Menschen hielten aufgereiht an den Gräbern 190 Bilder mit Gegenständen in die Höhe. Gegenstände, die bei den Leichen der Gestapo-Opfer gefunden wurden, die in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs und der NS Zeit in Dortmund ermordet worden waren - also vor genau 80 Jahren. Die besondere Aktion war der Schlusspunkt der Gedenkfeier, mit der alljährlich zu Karfreitag, der NS-Opfer von 1945 gedacht wird. Und sie führte deutlich vor Augen, wie viele Menschen den Gräueltaten der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen waren.

Ende März und Anfang April 1945 waren rund 290 Zwangsarbeiter, aus Ländern wie Frankreich, Belgien, Polen, den Niederlanden und der Sowjetunion sowie deutsche Widerstandskämpfer nach Haft und Folter am Rombergpark und in der Bittermark erschossen und in Bombentrichtern verscharrt worden. Erst nach Ende des Krieges waren sie entdeckt und die Leichen exhumiert worden. 195 von Ihnen fanden ihre letzte Ruhestätte auf einer Lichtung in der Bittermark, wo seit 1960 ein Mahnmal an die Gräueltaten der Nationalsozialisten erinnert. Es sei „Erinnerung, die in Stein gemeißelt ist“, sagte Nicole Godard als Präsidentin der französischen Zwangs- und Arbeitsdeportierten.

Bürgermeister Norbert Schilff sprach bei der Gedenkveranstaltung am Mahnmal in der Bittermark.
Bürgermeister Norbert Schilff sprach bei der Gedenkveranstaltung am Mahnmal in der Bittermark. © Foto Schaper

Bürgermeister Norbert Schilff sprach in seiner Rede bei der Gedenkfeier am Karfreitag von einem der „grausamsten Verbrechen der Dortmunder Geschichte“. „Die Bittermark erinnert daran, wohin es führt, wenn die Menschenrechte nicht mehr zählen“, sagte Schilff. Man stehe deshalb in der Verantwortung, „aus der Geschichte zu lernen und in der Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sich so etwas nie wiederholt.“ Das Erinnern in der Bittermark sei ein „wichtiges Zeichen, dass wir uns der Geschichte stellen“, merkte auch Friedhelm Evermann an, der als städtischer Sonderbeauftragter für Vielfalt, Toleranz und Demokratie die Gedenkveranstaltung moderierte.

Angriffe auf die Demokratie

Wie auch Georg Deventer als Sprecher der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache und des Internationalen Rombergpark-Komitees machte Schilff auch auf die aktuellen Gefahren durch Rechtsextremismus und Rechtspopulismus aufmerksam. „Die Demokratie wird angegriffen - jeden Tag“, stellte Schilff fest. „Nur Erinnern reicht nicht. Wir müssen uns gegen die stellen, die Hass und Hetze verbreiten“, sagte der Bürgermeister unter dem Applaus von mehreren hundert Teilnehmern. „Wer die Vergangenheit auslöschen will, der bereitet den Boden für neue Verbrechen. Das dürfen wir nicht zulassen.“

Mit Bildern von Erinnerungsstücken an den Gräbern wurde die große Zahl der Opfer vor Augen geführt.
Mit Bildern von Erinnerungsstücken an den Gräbern wurde die große Zahl der Opfer vor Augen geführt. © Foto Schaper

Immer wieder wurde an persönliche Schicksale im Zusammenhang mit Zwangsarbeit und NS-Terror erinnert. Eindrucksvoll schilderte so Nicole Godard die Rückkehr ihres Vaters aus der Zwangsarbeit nach Frankreich nach Ende des Krieges. „Er hatte sich einen Kompass besorgt.“ Inzwischen sei durch die Aktivitäten der Ehemaligen-Verbände und die Kontakte nach Dortmund eine „unzerbrechliche Freundschaft“ entstanden, stellte sie fest.

Auch die Bilder der Gegenstände, die am Ende von Teilnehmern der Kundgebung an den Gräbern in der Bittermark in die Höhe gehalten wurden, „geben den Opfern wieder ein Gesicht“, merkte Bürgermeister Norbert Schilff an. „Sie sind ein Symbol gegen das Vergessen.“ Ermutigend fand er die Beteiligung vieler junger Menschen an der Kundgebung in der Bittermark. „Das zeigt: Das Gedenken ist lebendig.“

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Gedächtnislauf in die Bittermark

  • Verbunden mit der Gedenkfeier war auch erneut der Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf. Mehr als 800 Teilnehmer machten sich als Wanderer, Radler, Walker oder Jogger auf den Weg vom Stadion Rote Erde in die Bittermark.
  • Die Aktion erinnert an den früheren BVB-Platzwart Heinrich Czerkus, der zu den ermordeten Widerstandskämpfern gehörte.

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