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Notfallplan Gas: Energie-Krise hat gravierende Auswirkungen auf Dortmund
DEW21
Es wird ernst: Deutschland bereitet sich auf einen Stopp der russischen Gaslieferungen vor. Was heißt das für Dortmunder Haushalte und für Gewerbebetriebe? Und wie reagiert der Versorger DEW21?
Bundeswirtschaftsminister Habeck hat am Mittwoch (30.3.) die Frühwarnstufe (Stufe 1) des Notfallplans Gas ausgerufen. Ist die Energieversorgung Dortmunds also gefährdet, sollte bald deutlich weniger oder sogar überhaupt kein Gas aus Russland mehr durch die Leitungen fließen? „Aktuell ist die Versorgungssicherheit gegeben“, sagt DEW21-Geschäftsführerin Heike Heim.
Eine Prognose mit Blick auf die nächste Heizperiode allerdings wollte sie nicht geben. Das hänge von den weiteren Entwicklungen ab, die schnelllebig und daher seriös kaum abzuschätzen seien, sagte Heim auf Anfrage.
Eine klare Botschaft hingegen gibt es für die privaten Haushalte: „Ihre Energieversorgung bleibt gesichert“, sagt die DEW-Chefin. „Die privaten Haushalte sind geschützt und werden nicht vom Netz genommen.“
Betriebe prüfen, ob sie beim Gas kürzer treten können
Das Gleiche gelte für Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser, Senioren- und Pflegeheime oder etwa Polizei und Feuerwehr. Aktuell werden mehr als 70 Prozent der Dortmunder Haushalte von DEW21 mit Erdgas beliefert. Kaum eine Stadt in NRW ist allgemein so abhängig von Gas wie Dortmund.
Die Marschrichtung bei einer möglichen Unterbrechung der Gaslieferung bestimme nicht die DEW21-Tochter Donetz. „Die Vorgaben machen die Bundesnetzagentur und der Fernleitungsbetreiber“, sagt Heim. Im Falle einer Mangellage seien zuerst die „nicht geschützten Industrie- und Gewerbekunden“ betroffen. Dazu zählen beispielsweise Logistik- und Chemieunternehmen oder stahlverarbeitende Betriebe.
Die DEW21-Tochter Donetz hat bereits reagiert – und mehr als 160 Gewerbekunden mit insgesamt 266 Verbrauchsstellen per Anschreiben auf eine mögliche Gasmangellage hingewiesen. Die Betriebe würden gebeten, für den Fall der Fälle vorzusorgen – und im Vorfeld Möglichkeiten zu prüfen, auf alternative Energieträger umzustellen oder ihren Gasbezug zu drosseln.
Gleichzeitig habe Donetz mit der technischen Prüfung begonnen, wie sich einzelne Kunden und Teile des Netzes abschalten ließen, ohne private Haushalte in Mitleidenschaft zu ziehen. DEW21 geht für die Kunden in Dortmund von einem Jahresverbrauch von 2,7 Terawattstunden (TWh) aus; das entspricht einer Milliarde Kilowattstunden jährlich.
Mehr Erdgas aus Norwegen und den Niederlanden
Nach Angaben von Markus Hartwig, der interimsweise den Handel bei DEW21 verantwortet, habe DEW21 zahlreiche Handelspartner für den Energiebezug, zu denen auch große europäische Importgesellschaften gehörten. „Wir wollen uns weiter diversifizieren, um uns von russischem Gas soweit wie möglich unabhängig zu machen“, sagt Hartwig.
Dabei spiele vor allem Erdgas aus Norwegen und in einem gewissen Rahmen den Niederlanden eine Rolle, deutete Hartwig an. Klar sei aber: Das von dort gewonnene Volumen werde die Liefermengen aus Russland zurzeit nicht vollständig kompensieren können. Darüber hinaus versuche DEW21 seine Beschaffung insgesamt breiter aufzustellen.
Am Gasspeicher im münsterländischen Epe hält DEW21 einen Anteil von einer halben Terawattstunde. Das würde reichen, um 42.000 Musterhaushalte mit einem Jahresverbrauch von 12.000 Kilowattstunden ein Jahr lang mit Erdgas zu versorgen. Allerdings ist das eine rein theoretische Rechnung.
„Der Gasspeicher dient nur indirekt zur Versorgung Dortmunds, er ist keine Notfallreserve“, stellt DEW21-Vertriebsleiter Dominik Gertenbach klar. Vielmehr werde das dort vorhandene Gas verkauft und in den allgemeinen Umlauf auf dem Energiemarkt gebracht. Zurzeit sei der Speicher zu rund 20 Prozent gefüllt; das Volumen soll über die Sommermonate aufgestockt werden.
Weitere Preiserhöhung in 2022 „nicht auszuschließen"
So unklar die weiteren Prognosen aktuell sind: Auch Dortmunds Verbraucher werden sich auf weiter steigende Strom- und Gaspreise einstellen müssen. Nach Angaben der DEW21-Experten seien die Einkaufspreise für eine Megawattstunde Erdgas von im Schnitt 25 Euro auf mehr als 100 Euro gestiegen. Gleichzeitig habe sich der Strombezug um bis zu 60 Prozent verteuert. Zwar werde DEW21 diese Kosten nicht eins zu eins an Tarifkunden weiterreichen, wie Vertriebschef Gertenbach sagt.
Kunden aus der Industrie aber, die aktuell Lieferverträge abschließen, zahlen durch die tagesktuellen Entwicklungen an den Energiemärkten unter Umständen ein Vielfaches der alten Preise. Das sei eine große Belastung. Auch Dortmunds Privathaushalte werden sich auf weiter steigende Preise für Strom und Gas einstellen müssen. Möglicherweise noch im laufenden Jahr. „Wir können das leider nicht ausschließen“, sagt Gertenbach.
Zuletzt hatte DEW21 die Erdgaspreise Anfang Januar 2022 erhöht. Eine Kilowattstunde (kWh) stieg in der Grundversorgung um 28 Prozent, von 7,2 auf 9,2 Cent. Für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 12.000 kWh ergeben sich dadurch Mehrkosten von rund 20,36 Euro pro Monat. Und die Strompreise? Durch die Senkung der EEG-Umlage würden die Strompreise „vorerst stabil“ bleiben, hatte DEW21 angekündigt. Das war allerdings im November 2021.
Jahrgang 1961, Dortmunder. Nach dem Jura-Studium an der Bochumer Ruhr-Uni fliegender Wechsel in den Journalismus. Berichtet seit mehr als 20 Jahren über das Geschehen in Dortmunds Politik, Verwaltung und Kommunalwirtschaft.