
© Oliver Schaper
Nordstadt-Doku im ZDF: Viel Problembezirk, wenig Eindrücke von Anwohnern
Dortmund im TV
Im ZDF läuft eine Doku mit dem Titel „Brennpunkt Deutschland: Dortmund, Nordstadt“. Unser Autor Robin Albers wohnt in dem Stadtteil und hat sich die Doku angeschaut.
Eine Sache vorweg: Ich bin kein Ur-Dortmunder. Geboren und aufgewachsen bin ich im Emsland – nichts aus dem Tolkien-Universum, sondern ein echter Ort. Und sehr behütet. Vor sechs Jahren bin ich nach Dortmund gezogen, direkt in die Nordstadt. Das komplette Gegenteil.
„Brennpunkt Deutschland: Dortmund, Nordstadt“ ist der Titel einer Doku, die am Freitag (6.11.) auf ZDFinfo ausgestrahlt wurde. Am Nachmittag bereits als Stream in der Mediathek, zur Primetime um 20.15 Uhr im Fernsehen.
In 43 Minuten und 38 Sekunden will die Doku erklären, warum meine Wahlheimat ein sozialer Brennpunkt ist.
Echt Nordstadt, echt Ghetto
Los geht es so: Die Nordstadt: ein Problembezirk. Hier leben viele Menschen – überwiegend mit Migrationshintergrund – in Armut. Kriminalität ist an der Tagesordnung, die Polizei ist im Dauereinsatz. Die Trinker- und Drogen-Szene ist stark vertreten, Konsum und Dealerei an jeder Ecke.
In den ersten Minuten der Doku hört der Zuschauer das, was er vermutlich schon ohnehin über den Dortmunder Stadtteil denkt. Hier ist die Doku klischeehaft.
Das sind auch Punkte, die man nicht abstreiten kann. Der Stadtteil hat Probleme. Es gibt in der Nordstadt Ecken, in denen man vorsichtig sein sollte, sobald es dunkel ist. Bevor ich in die Nordstadt gezogen bin, habe ich ähnliche Dinge gehört.
Der Fairness halber muss ich aber auch eingestehen, dass die Doku richtig gut darstellt, wie an den Problemen in der Nordstadt gearbeitet wird.
Probleme werden angepackt
Wie es Streetworker Hassan Adzaj vom Verein „Romano Than“ tut. Er kümmert sich um die Roma, die in der Nordstadt leben und hilft ihnen im Alltag. Er erklärt, dass viele Roma nach Dortmund kommen, weil sie denken, dass sie sich hier keine Sorgen um Geld machen müssen und eine Wohnung geschenkt bekommen. Die Enttäuschung ist groß, wenn sie auf die deutsche Bürokratie stoßen und merken, dass die Realität anders ausschaut.
Der Wärmebus von Maltesern und einigen Kirchen nimmt auch einen großen Teil in dem Bericht ein. Der ist mittlerweile verstärkt in der Nordstadt unterwegs, da durch Corona viele der Anlaufstellen für Wohnungslose weggebrochen sind.
Oder das Dietrich-Keuning-Haus, in dem es eine Beratungsstelle für Geflüchtete gibt. Mahmoud Amer Kabouh engagiert sich dort auch, er flüchtete vor drei Jahren nach Dortmund und hat mittlerweile ein 1er-Abi in der Tasche.
Die Menschen, Initiative und Projekte, die in der Doku gezeigt werden, leisten gute und wichtige Arbeit. Setzt man sich aber die Ich-komme-nicht-aus-Dortmund-Brille auf, könnte der Eindruck entstehen, dass die Nordstadt nur ein Brennpunkt voller Probleme ist, die bewältigt werden müssen. Vielleicht ist das auch so gewollt, schließlich heißt die Doku auch „Brennpunkt Deutschland“.
Mehr als nur ein Problemviertel
Dabei ist der Stadtteil so viel mehr. Denn abseits von sozialen Missständen gibt es beispielsweise eine große Kunst- und Kultur-Szene, die in dem Stadtteil stattfindet.
Oder die kulturelle Vielfalt, die eben nicht nur für Kriminalität steht, sondern auch etwas schönes sein kann. Beispiel Münsterstraße: Obst und Gemüse gibt es beim Libanesen, ein griechischer Schneider kürzt Hosen und beim syrischen Imbiss gibt es leckere Falafel. Drei unterschiedliche Kulturen in Fußreichweite. Ich hätte es gut gefunden, wenn nicht nur die Schattenseiten in der Doku Platz gefunden hätten.
Ein Aspekt, der in der Doku nur kurz am Rande erwähnt wird. Stadtsoziologe Dr. Carsten Keller erklärt, dass unterschieden werden muss zwischen der Außendarstellung und den Eindrücken der Anwohner. Wie viele Menschen in der Nordstadt leben, hört man in der Doku des Öfteren. Die Anwohner selbst aber irgendwie gar nicht. Sie hätten bestimmt auch schöne Dinge über die Nordstadt erzählen können.
1990 im Emsland geboren und dort aufgewachsen. Zum Studium nach Dortmund gezogen. Seit 2019 bei den Ruhr Nachrichten. Findet gerade in Zeiten von Fake News intensiv recherchierten Journalismus wichtig. Schreibt am liebsten über Soziales, Politik, Musik, Menschen und ihre Geschichten.
