"Dede" aus Nigeria ist ein geschätzter Mitarbeiter der Gerüstbaufirma Bönninger. Hier wird er eingerahmt von Andreas und Christian Bönninger (v.l.).

© Bönninger

Nigerianer sprang in Dortmund aus Verzweiflung aus dem vierten Stock

rn„Stop Racism!“

Ein riesiges Plakat mit der Aufschrift „Stop Racism“ prangt in der Nähe des Hauptbahnhofs. Die Verantwortlichen dafür schildern ein dramatisches Ereignis, das Auslöser für die Aktion war.

Brackel

, 17.04.2021, 07:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Brackeler Gerüstbaufirma Bönninger hat, wie berichtet, in der Nähe des Hauptbahnhofs ein 500 Quadratmeter großes Plakat mit der Aufschrift „Stop Racism“ (Stoppt Rassismus) aufgehängt. Das hat der Firma viele positive Rückmeldungen beschert, wie die Inhaber Carmen und Christian Bönninger nun berichten, zum Beispiel von der Awo - allerdings auch einige negative.

So schreibt die AfD-Fraktion Dortmund auf Facebook unter anderem ironisch: „Der einheimische Dortmunder dankt dem Unternehmen, wenn er den Hauptbahnhof über den Nordausgang verlässt und prompt zur Minderheit geworden ist.“

Das hat die beiden Bönningers (Mutter und Sohn) schwer geärgert und sie möchten einmal darlegen, warum sie sich zu dieser außergewöhnlichen Plakataktion entschieden haben.

Sie haben vor ein paar Jahren einen nigerianischen Geflüchteten eingestellt, der von allen nur „Dede“ genannt wurde. Der Mann habe sich trotz seiner anfangs mangelnden Deutschkenntnisse hervorragend integriert und sei außerordentlich beliebt unter den Bönninger-Mitarbeitern. Christian Bönninger sagt: „Wir bilden immer Teams, die zu den unterschiedlichen Baustellen fahren, und alle möchten gern mit Dede zusammenarbeiten.

Christian und Carmen Bönninger, erklären, warum sie ein riesiges Anti-Rassismus-Plakat in der Nähe des Hauptbahnhofs aufgehängt haben.

Christian und Carmen Bönninger, erklären, warum sie ein riesiges Anti-Rassismus-Plakat in der Nähe des Hauptbahnhofs aufgehängt haben. © Andreas Schröter

Problem war jedoch, dass er in Deutschland lediglich „geduldet“ und damit von der Abschiebung bedroht war. Weil - so stellt es Christian Bönninger dar - Dedes Anwältin eine Frist hat verstreichen lassen, wurde diese Abschiebung plötzlich sehr konkret und ein Kommando, das sie in die Tat umsetzen sollte, stand eines Tages sehr früh am Morgen vor Dedes Haustür in der Nordstadt, um ihn abzuholen. Da habe er sich nicht anders zu helfen gewusst, als das Badezimmerfenster zu öffnen und nach draußen auf die Straße zu springen. Problem: Dedes Wohnung liegt im vierten Stock.

Sturz schwerverletzt überlebt

Wundersamerweise hat der 35-Jährige den Sturz schwerstverletzt überlebt. Als er dazu in der Lage war, hat er aus dem Krankenhaus ein Foto von sich gepostet - er hatte mehrere Knochenbrüche erlitten, sich Zähne ausgeschlagen und vieles mehr - und sich dafür entschuldigt, dass er an diesem Tag nicht arbeiten kommen könne. Der Vorfall ereignete sich im Oktober 2019.

In auffälliger Weise nimmt die Gerüstbaufirma Bönninger an ihren Baustellen Stellung gegen Rassismus

In auffälliger Weise nimmt die Gerüstbaufirma Bönninger an ihren Baustellen Stellung gegen Rassismus. © Firma Bönninger

Carmen Bönninger fragt: „Wie verzweifelt muss man sein, um so etwas zu tun?“ In Nigeria habe Dede überhaupt keine Anlaufpunkte mehr, seine Frau und sein Kind leben ebenfalls in Dortmund. Sie sind allerdings nicht von der Abschiebung bedroht, weil das Kind bereits in Deutschland geboren worden ist.

Sie könne nicht verstehen, wieso jemand abgeschoben werde, der arbeite, vollkommen autark sei und deswegen dem Steuerzahler nicht zur Last falle, so Carmen Bönninger weiter. Dede habe sich bestens integriert und sei enorm beliebt. Heute ist er wieder gesund und arbeitet weiter bei Bönninger.

Gerade der Gerüstbau sei eine Branche, so Christian Bönninger, in der sehr viele Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln beschäftigt seien. Er könne das Vorurteil, dass diese Arbeitskräfte fauler seien als die deutschen Kollegen oder nur darauf aus seien, dem Staat auf der Tasche zu liegen, überhaupt nicht bestätigen. Das einzige, was Carmen Bönniger Dede vorwirft, ist, dass er mit seinen Problemen nicht früher zu ihr gekommen ist: „Dann hätten wir uns doch darum gekümmert.“ Aber sein ganzes Wesen sei eben so angelegt, dass er möglichst niemandem zur Last fallen wolle.

Nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden ist, haben die Bönningers ihm nach eigenen Angaben Kirchenasyl bei der Diakonie verschafft. Dede ist Christ. Die Diakonie wolle sich nun erneut um einen Asylantrag für den Nigerianer kümmern.