Wie viele Obdachlose genau in Dortmund leben - so genau, kann das niemand sagen. Von 500 bis 600 geht man bei der Stadt Dortmund aus, andere Schätzungen nennen eine Zahl von mindestens 800. Die entscheidende Frage ist aber, ob es genug Hilfeangebote gibt, um die Menschen möglichst von der Straße zu holen.
Nein, sagt etwa die Initiative „Schlafen statt Strafen“, die sich im Herbst aus Protest gegen Ordnungsmaßnahmen gegen Obdachlose in der City gegründet hat und seit Samstag (28.1.) ein Protestcamp an der Kampstraße veranstaltet. Mit dem Zeltlager im Herzen der City soll auf die Probleme Wohnungsloser aufmerksam gemacht werden. Die Organisatoren nennen vor allem fehlende Übernachtungsmöglichkeiten.

Die Stadtspitze geht freilich davon aus, dass es davon genug gibt. „Dortmund verfügt über ausreichend Kapazitäten, um obdachlose Menschen unterzubringen“, verkündete sie am Dienstag (31.1.) nach der Sitzung des Verwaltungsvorstands. „Niemand muss draußen schlafen, wenn er dringend Hilfe benötigt.“
Sozialdezernentin Birgit Zoerner verwies auf das Netzwerk Wohnungslosenhilfe, in dem viele unterschiedliche Institutionen von Wohlfahrtsverbänden über Drogenberatung und Fachhochschule bis zu Wohnungslosen-Initiativen vertreten sind. „Die Obdachlosen- und Wohnungslosen-Hilfe ist sehr komplex aufgestellt“, sagte Zoerner. „Das bedeutet aber nicht, dass man sich nicht über nötige Weiterentwicklungen unterhalten muss.“
Als Ergebnis früherer Beratungen seien etwa die Notübernachtungsstellen für Männer und Frauen ausgebaut worden, die aber nicht für dauerhafte Aufenthalte gedacht seien. Außerdem habe man Lücken für besondere Gruppen, etwa junge Erwachsene und Drogenkranke, geschlossen. Und man bemühe sich über Sozialarbeiter dort individuelle Hilfen für Wohnungslose zu finden. „Aber die Menschen müssen diese Angebote natürlich auch annehmen“, betont Birgit Zoerner.
Wohnungen für Obdachlose
Zu den Angeboten gehört auch das Wohnraum-Vorhalteprogramm der Stadt, das für Geflüchtete und Wohnungslose zur Verfügung steht. „Die Stadt ist dann Mieterin der privaten Wohnungen und stellt die Betreuung sicher“, erläuterte Birgit Zoerner. Daraus könnten dann auch direkte Mietverhältnisse mit den Bewohnern ergeben. 370 ehemalige Obdachlose lebten aktuell im Wohnraum-Vorhalteprogramm.
Die direkte Umsetzung des Konzepts „Housing first“ mit direkten Mietverträgen zwischen Obdachlosen und Vermietern sei schwierig, weil sich kein geeigneter Leerstand dafür gefunden habe, erklärte Zoerner. „Das entscheiden am Ende die Vermieter.“ Auch Fördermittel dafür könnten nur von privaten Vermietern und Wohlfahrtsverbänden in Anspruch genommen werden.
„Deshalb konnte ‚Housing first‘ in Dortmund bisher nur im einstelligen Bereich umgesetzt werden“, bilanzierte die Dezernentin. „Aber auch dort, wo es ‚Housing first‘ schon im großen Stil gibt, ist die Obdachlosigkeit nicht verschwunden.“ Dafür seien die Problemlagen auch viel zu komplex. Das Konzept „Housing First“ verfolgt den Ansatz, Obdachlosen zuallererst eine Wohnung zu vermitteln - ohne Vorbedingungen - und dann Probleme wie etwa Drogensucht oder psychische Erkrankungen anzugehen.
Einladung zu Netzwerk-Treffen
Auch wenn sie eine Einladung in das Protestcamp nicht angenommen habe, sei sie gesprächsbereit, betonte Birgit Zoerner. Der richtige Ort auch für kritische Anmerkungen seien die Treffen des Netzwerks „Wohnungslosenhilfe“. Dazu habe man Vertreterinnen und Vertreter der Initiative nun eingeladen. Und die wollen die Einladung auch annehmen, wie eine Sprecherin der Initiative auf Nachfrage erklärte.
Oberbürgermeister Thomas Westphal verteidigte auch Ordnungsmaßnahmen der Stadt. Den Rahmen habe die Politik vorgegeben. „Wir halten es nicht für akzeptabel, dass trotz der ganzen Angebote von Hilfen jeder aussuchen kann, wo er schläft. Das ist ordnungsrechtlich nicht zulässig“, stellte der OB klar. „Wir haben ein breit aufgestelltes Hilfesystem. Wer sagt, uns seien die Menschen egal, sagt bewusst die Unwahrheit“, sagte Westphal.
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