Sie hat eine steile Karriere bei Rewe Dortmund hingelegt und stieg dort von der Auszubildenden zur Leiterin der Personalentwicklung auf. In dieser Funktion war sie für die Belange von 18.000 Beschäftigten verantwortlich. Im vorigen Jahr wechselte Laura Bornmann dann zum Non-Profit-Jungunternehmen „Startup Teens“.
Die 31-jährige Managerin berät nun Nachwuchskräfte und gestandene Firmenchefs zu den Veränderungen in der Arbeitswelt, zu Themen wie Personalarbeit und Personalgewinnung. Weil der Arbeitskräftemangel immer mehr Unternehmen herausfordert, ist Laura Bornmann bundesweit gefragt. Unter anderem war sie in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz zu Gast. Wir haben sie jetzt in ihrem Büro im Technologiezentrum an der Emil-Figge-Straße gesprochen.
Viele Arbeitgeber schütteln über die junge Generation den Kopf. Den Jugendlichen sei ihre Freizeit wichtig, nicht der Beruf. Sie würden zuerst nach der Vier-Tage-Woche und flexiblen Arbeitszeiten fragen. Der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat jetzt als Kirchentags-Präsident zur Generation der 20-bis 30-Jährigen gesagt: „Mich ärgert, dass sie zu viel an sich denken und zu wenig an die Gesellschaft. Am siebten Tage sollst du ruhen, heißt es in der Bibel. Das bedeutet ein Verhältnis von sechs zu eins. Und nicht, dass die Freizeit überwiegt.“ Hat er Recht?
Nein, die junge Generation ist genauso leistungsbereit wie andere Generationen auch. Sie stellt nur andere Ansprüche an Arbeit. Sinn der Arbeit ist nicht mehr nur der Lebensunterhalt. Viel arbeiten für viel Geld ist nicht mehr alles. Junge Leute möchten einen Sinn sehen, in dem, was sie tun, wollen, dass das Unternehmen auch Haltung zeigt zu politischen Themen und sich für Nachhaltigkeit und Diversität einsetzt. Sie wollen mitgestalten und wollen Vereinbarkeit von Familie und Beruf und nicht im Burnout enden - also das, was eigentlich alle wollen.
Deshalb sage ich: Die Forderungen der jungen Generation sind kein Widerspruch zu Leistungsbereitschaft, sondern Voraussetzung für Leistung. Außerdem glaube ich nicht, dass Herr de Maizière unbedingt mit der Generation Z tauschen möchte, die in einer krisengeplagten Welt und einer gewaltigen Veränderungsdynamik ihr Leben einrichten muss. Es gibt eine Prognose, nach der 60 Prozent der Jobs, die die Generation Z im Jahr 2030 haben wird, heute gar nicht existieren. Die junge Generation hat mit Herausforderungen zu kämpfen.
„Haben Arbeitnehmerlosigkeit“
Ist diese junge Generation so mächtig, dass sie mit Ihrem Anspruchsdenken, das Sie ja auch gerade aufgezeigt haben, die Arbeitswelt verändern kann?
Ja, das ist so, weil wir einen Arbeitnehmermarkt haben. Wir haben heute keine Arbeitslosigkeit, sondern Arbeitnehmerlosigkeit. Wenn sich nicht durch Zuwanderung die Lage ändert, werden bis 2030 fünf Millionen Arbeitskräfte in Deutschland fehlen. Das heißt, auf allen Qualifikationsebenen fehlen heute schon Menschen – und das spitzt sich in den nächsten Jahren weiter zu.

Müssen sich Arbeitgeber also alles gefallen lassen?
Nein, das müssen sie nicht. Arbeitgeber haben zu Recht das Ziel, ihr Unternehmen erfolgreich auszurichten. Dafür ist Leistung notwendig, die auch von jungen Menschen eingefordert werden kann. Im Idealfall können beide Seiten Ansprüche stellen, die nicht im Widerspruch zueinander stehen. Dennoch müssen Arbeitgeber heute mehr als früher investieren, um für einen jungen Arbeitnehmer attraktiv zu sein. Heute bewerben sich Arbeitgeber bei Arbeitnehmern. Ältere Generationen sind damit groß geworden, dass sie die Ansprüche der Arbeitgeber erfüllen müssen. Das ist für viele auch heute noch selbstverständlich. Die Situation hat sich aber komplett gedreht - und die junge Generation kennt es nicht anders. Eine Bewerbung per WhatsApp? Warum nicht?
„Wertschätzende Führung“
Das Schlagwort heißt New Work. Das neue Arbeiten ist projektorientiert, Kreativität fördernd und sehr flexibel. Was sind die größten Umstellungen für Arbeitgeber, wenn es um das Werben bei der neuen Generation geht?
Ich denke, es sind drei Dinge: Eine wertschätzende Führung ist wichtig, die die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mitnimmt und ihre Stärken fördert; flexibles Arbeiten ermöglichen ist wichtig, damit Beruf und Familie oder auch Beruf und Freizeit überein gebracht werden können; den Sinn der Tätigkeit unterstreichen ist wichtig, denn gerade junge Menschen achten darauf, dass das was sie tun, einen Wert für die Welt hat.
Wie ist Ihre Wahrnehmung: Ist das schon bei den meisten Unternehmen angekommen?
Immer mehr Unternehmer erkennen, dass es Veränderung braucht. Wie immer, gibt es Pioniere, die schon sehr weit sind, einige die sich sträuben und ganz viele dazwischen.

Wie reagieren Unternehmen, die Sie beraten, auf Kritik an ihrem bisherigen Führungsstil? Was sagen die dazu, dass es plötzlich ganz individuelle Wunscherfüllungen, eine Duzkultur, Obstkörbe und Kicker-Tische geben soll?
Natürlich gibt es die Abwehrhaltung, dass gesagt wird: wir waren und sind doch seit Jahrzehnten erfolgreich, wieso sollen wir jetzt alles anders machen? Ich verstehe das. Die Unternehmen müssen aber verstehen, dass sich die Situation ändert. Wenn sie mit Befehl und Gehorsam und Kernarbeitszeiten weitermachen - und das ohne erkennbaren Grund - werden sie Probleme im Wettbewerb um Arbeitskräfte bekommen. Und dabei geht es nicht nur um junge Arbeitnehmer, sondern auch um ältere Arbeitnehmer, die vielfach noch gar nicht erkannt haben, wie gut ihre Situation inzwischen ist.
„Sehen Trends schneller“
Welche Chancen für Arbeitgeber könnte denn die neue Arbeitswelt mit sich bringen?
Wenn flexible Arbeitszeiten ermöglicht werden, sind Arbeitnehmer zufriedener und damit motivierter und leistungsstärker. Wenn sie gestresst sind, wirkt sich das negativ aus. Und wenn Arbeitnehmer sich einbringen und den Sinn dessen hinterfragen, was gemacht wird, ist das doch gut für ein Unternehmen, weil so begrenzte Ressourcen richtig eingesetzt werden. Außerdem haben junge Menschen Fähigkeiten, die Unternehmen heute gut gebrauchen können. So sehen sie Trends und Innovationen viel schneller, weil sie mit digitalen Medien aufgewachsen und mit der ganzen Welt vernetzt sind.
Wenn es allerdings um die Vier-Tage-Woche mit einem Gehalt für fünf Tage geht, dann müssen Unternehmen das auch erwirtschaften und bezahlen können. Angesichts des Wettbewerbsdrucks ist das oft einfach unmöglich.
Das ist so, Arbeit muss am Ende bezahlbar sein. Ich glaube, dass es auch gar nicht so sehr um die Vier-Tage-Woche geht. Es gibt viel, was Unternehmen bieten können und das nichts kostet. Wertschätzung kostet zum Beispiel nichts. Die Leute geben zehnfach zurück, wenn man auf ihre Bedürfnisse eingeht. Viele Unternehmen haben ein negatives Menschenbild. Das muss sich ändern. Es braucht wertschätzende Führung. Führung ist immer der Schlüssel für Kulturveränderung. Und die Ansprüche an Führung sind heute enorm. Deshalb haben wir die Future Leaders Academy gegründet, um Führungskräfte zu schulen. Es darf doch nicht so bleiben, dass, wie eine Studie zeigt, 85 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland demotiviert sind. Da müssen wir drauf gucken und den Menschen mehr zutrauen. Ich bin überzeugt: Wir alle möchten etwas bewegen. Aber, wir machen Regeln für ein Prozent der Menschen, die die Gelegenheit, faul zu sein, ausnutzen.

Gerade in Dortmund ist im großen Stil zu sehen, wie Unternehmen in einer Art Gegenbewegung zum Homeoffice-Boom durch die Corona-Pandemie jetzt quasi Büro-Paläste mit Fitnessstudios, Kantinen als Quasi-Restaurants, Lounges mit Kaffeemaschinen und Kicker-Tischen bauen, um die Leute zurück ins Unternehmen zu holen und als attraktiver Arbeitgeber dazustehen. Bei den Richtfesten der riesigen Neubauten des IT-Dienstleisters Materna oder der Continentale-Versicherungsgruppe im Mai wurde das deutlich. Beide Unternehmen suchen Hunderte neue Mitarbeiter. Zusammen mit dem Stromnetzbetreiber Amprion und dem IT-Dienstleister Adesso, die ebenfalls in Dortmund neu gebaut haben, werden rund 2000 Stellen angeboten. Werden sie die aufgrund ihrer schmucken Neubauten besetzen können?
Das allein wird nicht reichen, um Fachkräfte in dieser Größenordnung zu bekommen. Dafür braucht es Zuwanderung aus dem Ausland, den zunehmenden Einsatz Künstlicher Intelligenz und die Einbindung von Rentnern, die noch arbeiten möchten, sowie die Nutzung des riesigen Potenzials von Frauen in Teilzeitarbeit, die mehr arbeiten möchten, wenn sie durch flexible Arbeitszeiten entsprechend unterstützt würden.
„Viele Jobs werden wegfallen“
Wenn es für diese großen Unternehmen, die Rundum-Wohlfühl-Arbeitsatmosphären schaffen, schon kaum möglich ist, ausreichend Fachkräfte zu gewinnen, wie kann das der kleine Handwerksbetrieb schaffen. Wie kann er sich attraktiv machen im Sinne von New Work?
Was dafür entscheidend ist, ist nicht unbedingt teuer. Den Menschen Wertschätzung zu geben und eine Lernkultur im Betrieb zu haben, kostet nichts. Bei Flexibilität reden wir immer über Bürojobs. Aber mit ihren Schichtplänen und Arbeitszeiten können Handwerksbetriebe da auch viel tun und ihre Beschäftigten in die Planungen mit einbeziehen. Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass wir Menschen heute viel stärker nach Talent einstellen und entsprechend mehr in Weiterbildung und Befähigung investieren sollten. Jeder Mensch hat ein Talent und das sollte entscheidender sein als der beste Abschluss oder ein gerader Lebenslauf.
Wie wird unsere Arbeitswelt in zehn Jahren aussehen?
Eine Prognose für so einen Zeitraum zu treffen, ist kaum möglich. Dafür verändert sich alles sehr schnell. Allein durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz werden viele Jobs wegfallen und neue entstehen. Jeder Job wird sich auch verändern - und das nicht erst in zehn Jahren, sondern schon in den nächsten drei bis fünf Jahren. Das Arbeiten wird flexibler und individueller werden. Wir alle werden viel schneller immer Neues lernen müssen. Und die meisten werden nicht mehr für den Lebensunterhalt arbeiten gehen, wie das für frühere Generationen die Regel war, sondern dafür, etwas Erfüllendes für das eigene Leben zu tun.
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