
Die Dortmunder Polizei hat eine neue Sonderkommission gegen Kinderpornografie eingerichtet (Symbolbild). © dpa
Neue Soko Kinderpornografie in Dortmund: „Das ist wie ein Spinnennetz“
Polizei Dortmund
Jedes Jahr steigen die Fallzahlen beim Erwerb, dem Besitz und der Verbreitung von Kinderpornografie. Die Dortmunder Polizei will die Täter mit neuen Ressourcen aus dem virtuellen Raum zerren.
Der Weckruf war im Jahr 2018, als der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern sowie die Verbreitung von Kinderpornografie auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde aufgedeckt wurde – ein Weckruf für viele gesellschaftliche Gruppen und für die Polizei, sagt Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange: „Es gibt kein wichtigeres Thema als die Bekämpfung von Kinderpornografie und Missbrauch von Kindern.“
In den vergangenen Jahren haben Erwerb, Besitz und Verbreitung von Dateien mit kinder- und jugendpornografischen Inhalten stark zugenommen. Allein im Zuständigkeitsbereich der Dortmunder Polizei entfielen im vergangenen Jahr von 1225 Sexualstraftaten 152 auf Kinder und Jugendliche.
Deshalb macht die Dortmunder Polizei Kindesmissbrauch und Kinderpornografie jetzt zu einem strategischen Schwerpunkt der Behörde. Lange: „Das bedeutet, dass wir Vorfahrt für Ressourcen einräumen.“
Zahl der Ermittler auf das Vierfache erhöht
Dazu setzt die Dortmunder Polizeibehörde zum 1. Juni 2022 eine neue Ermittlungskommission, die „EK Kipo“ ein.
„Wir haben die personellen und technischen Ressourcen in unserem Kriminalkommissariat 12 in den vergangenen Monaten und Jahren bereits auf das Vierfache erhöht, um diese abscheulichen Straftaten wirksam zu bekämpfen“, so der Polizeipräsident, „Straftäterinnen und Straftäter müssen wissen: Ihre vermeintliche Anonymität im Internet schützt nicht vor unserem Zugriff.“

Daniela Klodt und Thomas Meyer vom Dortmunder Kriminalkommissariat 12 und Polizeipräsident Gregor Lange berichten über steigende Fallzahlen von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie. © Gaby Kolle
Die Polizei unterscheidet nach ihrer kriminalistischen Einschätzung zwischen drei Tätergruppen. Viele Sorgen machten aktuell Kinder und Jugendliche, die auf Aufforderung Nacktfotos von sich in Chatgruppen stellen, die im Netz verbreitet werden.
„Wir müssten eigentlich gegen jedes Chatmitglied Strafverfahren einleiten. Doch das muss man im Einzelfall prüfen“, erklärt der Leiter des KK 12 Thomas Meyer. Statt eines Strafverfahrens bedürfe es hier eher einer pädagogischen Strafmaßnahme. „Den Jugendlichen ist gar nicht bewusst, dass sie eine Straftat begehen.“
Zur zweiten Gruppe gehören die Neugierigen, die Pornografie konsumieren und durch Zufall oder Neugier auf die kinderpornografischen Bilder stoßen. „Die Kernzielgruppe aber sind die Pädophilen, die auch bereit sind, Kinder zu missbrauchen“, sagt Meyer, „die wollen wir erkennen und verfolgen.“
Ermittlungs-Hinweise aus den USA
Ermittlungskommissionen wie die neue „EK Kipo“ bündeln die Arbeit und ermitteln besonders effektiv.
Doch das für die Verfolgung von Sexualstraftaten zuständige Kriminalkommissariat (KK) 12 identifiziert die Tatverdächtigen nicht allein bei eigenen Ermittlungen, sondern erhält Hinweise auch aus dem Ausland, etwa von der US-amerikanischen Organisation NCMEC (National Centre for Missing and Exploited Children), die Fälle von vermissten oder ausgebeuteten Kindern bearbeitet.
NCMEC meldet Verdachtsfälle von Kinderpornografie an das Bundeskriminalamt (BKA), die dann nach ersten Auswertungen über das Landeskriminalamt in Dortmund ankommen.
„In Netzwerken, in Chats, in E-Mail-Verläufen und in Datenspeichern entdecken wir nicht nur Fotos und Filme, die Straftaten zeigen“, berichtet Thomas Meyer. Er spricht von einem „Spinnennetz“. Einer Durchsuchung folgen zehn bis 20 weitere mit neuen Ermittlungsansätzen. Diese Ermittlungen führten wiederum zu immer mehr Durchsuchungen und immer mehr Daten.
Zahl der Durchsuchungen deutlich gestiegen
So ist auch die Zahl der Durchsuchungen bei Verdachtsfällen in diesem Deliktfeld in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen: 2018 waren es behördenweit 19 Durchsuchungen, 2019 schon 138 und 2021 sogar 410.
Das sei eine dynamische Entwicklung, so der Polizeipräsident, das Ansteigen der Fallzahlen sei gewollt. „Wir zerren immer mehr Fälle und Täter ins Licht der Strafverfolgung, um dauerhaftes Leid von Kindern zu unterbinden.“
Die Datenmengen werden unter anderem deshalb immer größer, weil auch die Festplatten immer billiger werden. Die Täter speicherten darauf bis zu mehreren 10.000 Bildern. Meyer: „Oft haben sie keinen Überblick mehr darüber, was sie alles gespeichert haben, manche Bilder finden sich dort auch dreimal.“
Die Auswertung der Daten könne teilweise mehrere Wochen bis Monate dauern, sagt der Leiter des KK 12. Und was die Beamten dort ansehen müssten, sei „sehr belastend“ – neben Kinderpornografie auch exzessive Gewalttaten gegen Erwachsene und Tierquälerei.
Dienst in der neuen Kommission ist freiwillig
Grundsätzlich sei der Dienst in der neuen Ermittlungskommission freiwillig, betont Meyer. „Es gibt vorab eine Probesichtung für alle, um festzustellen, ob sie in der Lage sind, sich das dauerhaft anzugucken.“
Eine Mitarbeiterin arbeite schon zwölf Jahre in diesem Bereich, andere wechselten wieder nach zwei, drei Jahren. „Das ist eine absolut herausfordernde Tätigkeit. Die Kollegen haben meinen großen Respekt“, unterstreicht der Polizeipräsident. Für jeden eigens geschulten Mitarbeiter dieser Soko sei eine Einzel- und eine Gruppensupervision im Jahr Pflicht.
Die Beschlagnahmung der Daten schützt die Opfer bestenfalls von weiteren Straftaten, die Belastungen aus dem Missbrauch bleiben. Als ein Beitrag zum Opferschutz in diesem Bereich hat das KK 12 einen Raum für audiovisuelle Vernehmungen mit Kindern ab drei Jahren modernisiert.
Daniela Klodt vom KK 12 erläutert, der hell und freundlich eingerichtete Raum mit der notwendigen Technik im Hintergrund diene dazu, die Vernehmungen der Kinder so zu gestalten, dass die Polizei beweiskräftig ermitteln und gleichzeitig angemessen sensibel auf erlebte Traumata reagieren könne.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
