Vonovia will nicht mehr neu bauen Neubau in Dortmund nur mit hohen Mieten möglich?

Vonovia stoppt Neubauvorhaben: „Das liegt im Trend“
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Nicht nur viele Familien mussten ihren Traum vom Eigenheim im vergangenen Jahr angesichts steigender Zinsen und explodierender Baukosten von rund 17 Prozent begraben. Auch für Wohnungsgesellschaften rechnet sich der Wohnungsbau nicht mehr. So zieht der Immobilien-Riese Vonovia die Reißleine und stoppt alle für 2023 geplanten Neubauprojekte.

„Die Inflation und die Zinsen sind enorm gestiegen und davor können wir nicht die Augen verschließen“, sagte Vonovia-Vorstand Daniel Riedl der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. „Bei Objekten, die wir früher für zwölf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter anbieten konnten, müssten wir jetzt eher Richtung 20 Euro gehen, um unsere Kosten von 5000 Euro pro Quadratmeter hereinzuholen“, sagte Riedl. Diese Mieten seien in weiten Teilen Deutschlands „völlig unrealistisch“.

„Ja, die Lage ist so. Für uns ist es derzeit genauso unmöglich, ein Mehrfamilienhaus neu zu bauen“, sagt Klaus Graniki, Chef des Dortmunder Wohnungsunternehmens Dogewo21. Und dann rechnet er vor, wie Zinsentwicklung und Baukosten die Gesamtkosten und damit das Mietniveau im Mietwohnungsbau in die Höhe treiben: „Ließ sich Mitte 2021 noch eine Nettokaltmiete von 10,62 Euro pro Quadratmeter darstellen, so liegen wir heute im frei finanzierten Wohnungsbau bei 16,87 Euro.“

Rahmenbedingungen nicht stabil

„Und solche Mieten können sich viele Menschen nicht leisten. Wir beginnen deshalb keine Neubau-Projekte - auch nicht in Dortmund“, sagt Vonovia-Sprecherin Bettina Benner gegenüber unserer Redaktion. Laut Mietspiegel lag 2022 die Durchschnittsmiete für eine 70m² große Wohnung in Dortmund bei 8,03 Euro/m², in gefragten Lagen im Dortmunder Süden bei rund 10 Euro/m². Der Neubau brauche einfach stabile Rahmenbedingungen hinsichtlich Materialkosten und Förderstrukturen, sagt Bettina Benner. „Das ist genau das, was wir im Moment nicht haben“, so die Vonovia-Sprecherin.

Franz-Bernd Große-Wilde, Vorstandsvorsitzender des Spar- und Bauvereins Dortmund, beobachtet den Markt in ganz Deutschland. „Vonovia liegt im Trend“, sagt er, „die Investitionen brechen bundesweit gravierend ein.“ Der Spar- und Bauverein fahre mit seiner Wohnungsbaupolitik in Dortmund derzeit „einen Mittelweg“.

Und der sieht so aus, dass man das Investitionsvolumen für Neubau und umfassende Modernisierungen zwar um 20 Prozent zurückgeschraubt hat, zwei lange geplante Projekte aber jetzt umsetzt. In diesem Jahr wird an der Zillestraße in Hombruch neu gebaut und die alte Abendrealschule an der Adlerstraße wird so umgebaut, dass dort 22 neue Wohnungen entstehen.

„Beide Grundstücke haben wir schon vor längerer Zeit zu fixierten Preisen erworben und hatten auch die Förderungen, die sich jetzt nochmal verschlechtert haben, im vergangenen Jahr schon klar. An der Zillestraße haben wir ein gutes Baufeld, auf dem man optimiert planen kann. Und an der Abendrealschule haben wir Risiko-Abschläge einkalkuliert, die wir nicht brauchen werden. Weil weniger gebaut wird, haben die Firmen Kapazitäten und wir müssen nicht mit Bauverzögerungen rechnen“, so Franz-Bernd Große-Wilde.

Auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Süd in Dortmund entsteht mit dem Kronenviertel ein ganzes Stadtquartier neu. Vivawest hält hier am Bau von 160 Wohnungen fest.
Auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Süd entsteht mit dem Kronenviertel ein ganzes Stadtquartier neu. Vivawest hält hier am Bau von 160 Wohnungen fest. © Blossey

Trotz Mehrkosten baut beispielsweise auch die Wohnungsgesellschaft Vivawest im Kronprinzenviertel die geplanten 160 Wohnungen - zur Freude der Bergkamener Beta Baulandentwicklungsgesellschaft, die die Häuser baut. „Da konnten wir mit dem Investor nachverhandeln“, sagt der Geschäftsführer Dirk Salewski. Das Kronprinzenviertel soll ein neues Stadtquartier mit insgesamt bis zu 630 Wohneinheiten auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Süd werden.

Deutlich weniger Bauanträge

Davon, dass Vonovia auch in Dortmund vorerst nicht mehr neu baut, zeigt sich Wohnungsdezernent Ludger Wilde überrascht. Man habe vor wenigen Wochen noch mit Vertretern von Vonovia zusammengesessen und über Bauprojekte des Unternehmens gesprochen. Er hofft, dass es Dachaufstockungen in Vonovia-Beständen und Nachverdichtungen auch weiterhin geben wird.

Dortmunds Wohnungsdezernent Ludger Wilde appelliert an Investoren, auf Vorrat zu planen und Bauanträge zu stellen. „Damit Neubau-Projekte dann bei besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schnell umgesetzt werden können“, sagt er.
Dortmunds Wohnungsdezernent Ludger Wilde appelliert an Investoren, auf Vorrat zu planen und Bauanträge zu stellen. „Damit Neubau-Projekte dann bei besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schnell umgesetzt werden können“, sagt er. © (A) Dieter Menne

Generell bestätigt Wilde, dass bedingt durch steigende Baukosten bei neuen Wohnungsbau-Projekten Zurückhaltung zu spüren sei. Das mache sich auch bei der Zahl der Bauanträge bemerkbar, die in der zweiten Jahreshälfte 2022 deutlich zurückgegangen seien. Bis Oktober lag die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungsbauten in Dortmund bei rund 1700 – damit wäre aber das städtische Ziel von mindestens 2000 Wohnungsneubauten im Jahr noch erreichbar - auch wenn Baugenehmigungen noch keinen Baustart bedeuten.

Generell hat Wilde an Investoren den Wunsch, „antizyklisch“ zu denken. Das heißt, jetzt schon auf Vorrat zu planen und Bauanträge für Wohnungsneubauten zu stellen, die dann bei besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schnell umgesetzt werden könnten.

„Wir machen Dinge baureif“

Genau das wolle man tun, ist von Vonovia und Dogewo21 zu hören. „Wir stoßen keine neuen Wohnbauprojekte an. Wir haben aber die Entwicklungsarbeiten nicht eingestellt und streben bei unseren Projekten an, dass wir Baugenehmigungen einholen und letztendlich startbereit sind, wenn die Rahmenbedingungen wieder passen. Wir werden die Dinge baureif machen. Baugenehmigungen halten eine gewisse Zeit. Darauf setzen wir“, sagt Vonovia-Sprecherin Bettina Benner.

Für Dogewo21-Chef Klaus Graniki steht fest, dass die Landesförderung und die finanzielle Beteiligung des Bundes besser werden müssen, um den Wohnungsbau wieder in Schwung zu bringen. „Ich kenne ja Zeiten, da hatten wir ein Zinsniveau von 6 Prozent und mehr. Da waren allerdings die Förderprogramme besser und die Baukosten geringer“, sagt er und ergänzt: „Aber auch wir machen weiter, entwickeln Ideen und stellen Neubauanträge.“ Die Hoffnung ist da, dass die Krise am Bau irgendwann auch wieder vorüber ist.

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