Das Wohngebiet beidseits der Zillestraße in Hombruch hat eine dunkle Geschichte. Die Nationalsozialisten bauten die Häuser - und tauften die Straßen, die bis heute so heißen. © Marc D. Wernicke

Siedlung an der Zillestraße

In einem Wohngebiet heißen die Straßen bis heute so, wie die Nazis sie nannten

1939 ließ die NSDAP entlang der Zillestraße neue Wohnungen bauen. Was viele nicht wissen: Auch die Straßen dort erinnern bis heute an die Expansionspolitik des Nazi-Regimes.

Hombruch, Brünninghausen, Renninghausen

, 24.02.2020 / Lesedauer: 3 min

Beschaulich sehen sie aus, die Mehrparteienhäuser im Umfeld der Zillestraße in Hombruch. Mit ihren modernen Anbau-Balkonen und bunten Pastell-Anstrichen ist ihr Alter auf den ersten Blick schwer zu schätzen.

Dabei hat das Wohnquartier eine dunkle Geschichte. Als „Rudolf-Heß-Siedlung“, benannt nach dem Stellvertreter Adolf Hitlers, wurde es 1939 von den Nationalsozialisten gebaut.

„Das war mir so noch gar nicht bewusst“, sagt eine 30-jährige Anwohnerin an der Reichenberger Straße. Eine Nachbarin (67) weiß um die NS-Geschichte der Siedlung – doch dass diese sich bis heute auch in den Straßennamen dort widerspiegelt, sei ihr ebenfalls neu.

NS-„Mustersiedlung“ in Hombruch

Die Reichenberger-, Trautenauer- und Tetschener Straße sowie der Aussigring sind nur einige der zehn Straßen, deren Namensgebung einem klaren Schema folgte: Es waren Städtenamen aus dem Sudetenland, einem bis 1945 mehrheitlich von Deutschen bewohnten Grenzgebiet in der damaligen Tschechoslowakei.

Der Hombrucher Roger Oebel verfasste 1986 eine Studienarbeit über die NS-Zeit im Dortmunder Südwesten. Unter dem Titel „Hombruch unterm Hakenkreuz“ ist diese auch heute noch als Buch im Stadtbezirk erhältlich.

„Die Planung der Rudolf-Heß-Siedlung hatte in erster Linie politischen Charakter. Man gab ihr das Etikett einer Mustersiedlung mit Erkern, Wandbildern und kleinen Gartenpazellen hinter den Häusern“, schildert Oebel.

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Neben den neuen Wohnhäusern entstanden dort auch zahlreiche neue Straßen – und die heißen bis heute noch immer so, wie die Nazis sie damals tauften.

„Die Namensgebung hatte wohl ausschließlich symbolischen Charakter, denn die Unterzeichnung des Münchner Abkommens lag noch nicht weit zurück“, ordnet Oebel in den Kontext der Zeit ein.

1986 verfasste der Hombrucher Roger Oebel eine Studenarbeit über die NS-Zeit im Dortmunder Südwesten. Darin zeigte er auch Fotos und Berichte vom ersten Spatenstich der „Rudolf-Heß-Siedlung". © (Repro) Marc D. Wernicke

Mit dem Abkommen im Herbst 1938 wurde die Tschechoslowakei gezwungen, das Sudetenland an das Deutsche Reich abzutreten. Zuvor hatte das NS-Regime der Regierung in Prag mit Krieg gedroht.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die deutsche Bevölkerung aus dem Gebiet vertrieben. Seitdem tragen die Orte in der Region nur noch tschechische Namen wie Liberec, Trutnov und Děčín.

Belastete Namen sind der Stadt bekannt

Wie verfährt die Stadt Dortmund mit Straßen, deren Namen aus historischen Gründen problematisch wirken? Der Stadtpressesprecher Christian Schön beantwortet diese Frage.

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„Im Zeitraum 2011 bis 2014 wurde auch das Dortmunder Straßenverzeichnis nach Namen mit nationalsozialistischen Komponenten untersucht“, erklärt Schön. Auch die Straßen mit sudetendeutschen Namen in Hombruch habe die Stadt dabei im Blick gehabt.

„Wir haben uns aber dagegen entschieden, sie zur Umbenennung vorzuschlagen, denn wir haben noch viele andere Straßen mit Militär- und Kolonialbezügen, die wir sonst auch vorschlagen müssten“, so Schön.

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs heißt die Stadt Reichenberg im Norden Tschechiens Liberec. Die Straßennamen des Hombrucher Wohngebiets, die dort bis heute stehen, gehen auf die NS-Zeit zurück. © Marc D. Wernicke

Die Stadt habe sich daher auf „den Kern der im Nationalsozialismus belasteten Personen beschränkt“. Grundsätzlich müsse bei der Umbenennung von Straßen auch die Verhaltnismäßigkeit mit Blick auf die Anlieger beachtet werden.

Somit wird es in Hombruch auch weiterhin Straßen geben, die seit 1939 an die deutsche Annexion des Sudetenlands erinnern. Roger Oebel, der die Geschichte des Wohngebiets erforscht hat, äußert dazu eine klare Meinung: „Ich fände es dennoch sinnvoll, sie umzubenennen, um den modernen Ort endgültig von der früheren NS-Mustersiedlung loszulösen“, kommentiert der Hombrucher.

„An verschiedenen Stellen im Stadtteil erinnern Stolpersteine an die Opfer der Nazis. Im Alltag werden die jedoch oft übersehen“, meint Roger Oebel. „Man könnte die Straßen, die von den Nazis benannt wurden, zur Erinnerung an diese Menschen umbenennen.“

Was denken Sie über die strittigen Straßennamen in Hombruch oder ähnliche Beispiele aus Dortmund? Schreiben Sie uns Ihre Meinung an do-sued@ruhrnachrichten.de.

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