Eine Serie von Raubzügen und Einbrüchen in Häuser, Wohnungen und Geschäfte in Recklinghausen und Umgebung beschäftigt seit Montag (28.11.) erneut das Bochumer Landgericht. Angeklagt ist ein vorbestrafter Serientäter. Ein erstes Urteil von neuneinhalb Jahren Haft hatte der Bundesgerichtshof (BGH) aufgehoben, weil einem als Verteidiger neben dem Angeklagten sitzenden Dortmunder Juristen wenige Tage vor der Verkündung die Anwaltszulassung entzogen worden war. Wie die Bochumer Staatsanwaltschaft bestätigte, wird nun gegen den „Scheinanwalt“ aus Dortmund wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen ermittelt.
Nach 17 Verhandlungstagen mit 44 Zeugenvernehmungen hatte am Tag der Urteilsverkündung vor knapp einem Jahr niemand im Gerichtssaal auch nur den leisesten Verdacht. Dass ein Verteidiger an einem Urteilstag kein Wort sagt, ist zwar keine Seltenheit. Dass der Dortmunder Jurist an jenem 10. Dezember 2021 geschwiegen hat, grenzt jedoch an einen Skandal.
Richter Volker Talarowski sprach zum Auftakt der Prozess-Neuauflage von einem „Geschmäckle“. Der betroffene Jurist sei Kanzleikollege der eigentlichen Verteidigerin und damals ausgerechnet nur am Urteilstag anwesend gewesen.
Fehlende Zulassung ist „absoluter“ Revisionsgrund
Fakt ist: Ohne Anwaltszulassung war der Jurist bei der Urteilsverkündung praktisch „Luft“. Gesetzlich vorgeschrieben war in diesem Fall die Anwesenheit mindestens eines Verteidigers. „Die alleinige Mitwirkung des nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassenen ‚Scheinverteidigers‘ an der Hauptverhandlung“, so entschied der BGH, sei ein zwingender („absoluter“) Grund zur Urteilsaufhebung.
Laut Anklage soll der vielfach verurteilte Straftäter Ende 2020 nur wenige Wochen nach seiner Entlassung aus einem mehrjährigen Gefängnisaufenthalt erneut eine Serie von Einbruchs- und Raubcoups verübt haben. Dabei soll er unter anderem in die Wohnung einer damals 90 Jahre alten Recklinghäuserin eingestiegen sein und die alte Dame dabei mit Pfefferspray besprüht haben.
DNA-Spuren belasten den Angeklagten
Der entscheidende Hinweis zur Festnahme des 41-Jährigen war von dessen eigenem Bruder geliefert worden. DNA-Spuren hatten den Recklinghäuser schwer belastet. Ein Polizist hatte vor Gericht zudem enthüllt, dass der 41-Jährige angeblich für ein Angeberfoto in einer Wanne voll mit Beute-Gold gebadet haben soll.
Zum Prozessauftakt hat sich der Angeklagte noch nicht geäußert. Sein neuer Verteidiger stellte jedoch bereits ein Teilgeständnis in Aussicht.
Da die Staatsanwaltschaft nunmehr eine weitere Anklage (unter anderem zwei Sprengungen von Zigarettenautomaten) erhoben hat, ist eine Erhöhung der neuneinhalb Jahre Haft bei Tatnachweis durchaus denkbar.
Voraussichtlicher Urteilstermin: 30. Januar 2023.
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