Nach tödlichen Unfällen in Dortmund: Wie steht es um den Radverkehr in der Stadt?

Nach tödlichen Unfällen in Dortmund: Wie steht es um den Radverkehr in der Stadt?

rnSicherheit im Straßenverkehr

Schon wieder ist ein Radfahrer in Dortmund nach einem Unfall mit einem abbiegenden Lkw gestorben. Hat die Verkehrspolitik der Stadt ein Radfahrer-Problem? Eine Analyse in sechs Videos.

Dortmund

, 14.08.2018, 17:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist eine aktualisierte Version eines Artikels aus dem März 2018.

Steigende Unfallzahlen und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über Fahrverbote für Dieselautos zwingen die Verkehrspolitik zu einem radikalen Umdenken. Sie muss auch das Radfahren in der Stadt neu erfinden, um die Luftqualität in der Großstadt zu verbessern und das Radfahrern sicherer zu machen.

Wie ist der Ist-Zustand? Was fordern Radfahrer-Organisationen? Wir haben mit lokalen Akteuren über aktuelle Probleme gesprochen.

Die Gefahr beim Abbiegen nach Rechts

Zwischen Februar 2017 und Februar 2018 starben vier Radfahrer in Dortmund. Drei von ihnen wurden von Lkw überfahren. Typisch ist die Gefahr für Radfahrer, wenn Pkw oder Lkw nach Rechts abbiegen. Karl-Heinz Retzko vom Fahrlehrer-Verband Westfalen erklärt in diesem Video den toten Winkel am Beispiel Lkw-Fahrer, nachdem im November 2017 ein 11-jährige Schüler auf der Leopldstraße / Ecke Mallinckrodtstraße und im Februar 2018 ein 63-jähriger Radfahrer auf der Bornstraße / Ecke Glückaufstraße von Lkw-Rechtsabbiegern überfahren worden sind. Im August 2018 starb ein 85-Jähriger, nachdem ihn auf der Schützenstraße / Mallinckrodtstraße ein Lkw beim gleichen Manöver überfahren hatte:

Immer dann, wenn ein Radfahrer auf Dortmunds Straßen stirbt, stellen Radfahrer-Organisationen ein weißes Geister-Fahrrad („Ghost-Bike“) an die Unfallstelle, um auf die tödlichen Gefahren im Straßenverkehr hinzuweisen. Konrad Tischler von der Fahrrad-Selbsthilfe Velokitchen Dortmund in der Nordstadt: „Die Idee stammt aus Amerika und hat sich inzwischen in ganz Europa durchgesetzt. Wir haben gehofft, dass wir niemals in Dortmund ein Ghost-Bike aufstellen müssen."

Wieder mehr Unfälle mit Radfahrern in Dortmund

Steigende Unfallzahlen lassen darauf schließen, dass die Gefahr für Radfahrer in Dortmund nicht gebannt ist. „379 Unfälle mit Radfahrern in 2017 – das ist ein Plus um 5,3 Prozent und damit der höchste Stand seit fünf Jahren“, berichtet Polizeihauptkommissar Ralf Lindemann aus der Verkehrsdirektion der Dortmunder Polizei. Der Radfahrer-Infrastruktur gibt der Polizeibeamte die Note befriedigend.

Als Fahrradkurier der Dortmunder Time-Bandits legt Paul Niemann pro Jahr 10.000 Kilometer auf zwei Rädern zurück – ein erfahrener Radler also. Wie sicher fühlt er sich auf Dortmunds Straßen? Wo sind die Brennpunkte? Was rät er Radfahrern? Die Antworten im Video:

Die Hälfte der Unfälle mit Radfahrern ereignete sich 2017 laut Polizei im Innenstadt-Bereich. In den meisten Fällen waren motorisierte Verkehrsteilnehmer für die Unfälle verantwortlich. Autofahrer zeigten selten Einsicht, wenn sie einen Radfahrer behindert oder gefährdet haben, berichtet Polizeihauptkommissarin Katrin Schmidt von der Polizei-Fahrradstaffel aus ihrem Alltag. Ihre Schulnote fürs Radfahren in der Stadt: befriedigend.

Die Kritik des ADFC an der lokalen Verkehrspolitik

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) sieht die aktuelle Entwicklung bei den Unfallzahlen und die Diskussion um zu hohe Abgaswerte als Folge einer einseitigen Politik zugunsten des Autoverkehrs. Der ADFC-Vorsitzende Werner Blanke gibt dem Dortmunder Radwegenetz die Schulnote „ausreichend“ und spart nicht mit Kritik an Politik und Stadtverwaltung:

Werner Blanke hat uns auch zur Bundesstraße 54 / Abfahrt Rombergpark geführt, um auf eine Gefahr hinzuweisen, die von der Landesbehörde Straßen NRW produziert worden ist. Jeder Radfahrer, den wir auf diese Stelle hingewiesen haben, hat uns gesagt: „Die Stelle kenne ich. Für Radfahrer ist das lebensgefährlich.“ Was genau das Problem ist, wird im Video erklärt:

Dass die lokale Verkehrspolitik mehr fürs Radfahren in Dortmund tun muss, belegen vom ADFC im Januar 2018 veröffentlichte Zahlen: Im NRW-Städtevergleich fällt auf, dass der Radfahrer-Anteil im Berufsverkehr eher schlecht ist. Nur Essen ist noch schlechter. Der 2004 veröffentliche „Masterplan Mobilität“ legte als Ziel für 2015 fest, dass Radfahrer einen Gesamtanteil von 15 Prozent im Dortmunder Verkehr haben sollten. Das Ziel hat Dortmund nicht erreicht. Laut ADFC liege der Wert bei nur 7 Prozent.

Die ersten Ideen der Stadt für bessere Radfahrer-Angebote

Will Dortmund die vom ADFC geforderte Verkehrswende einleiten und Radfahrer vom Abstellgleis holen? Es gibt Pläne dafür. Sie umzusetzen dürfte viele Jahre dauern. Die Tiefbauamts-Leiterin Sylvia Uehlendahl stellt alles auf Anfang. Ihre Schulnote für den Radverkehr in Dortmund: ein „befriedigend“:

Das Radfahren in Dortmund – unser Kommentar zur Verkehrspolitik der vergangenen Jahre:

Welche Schulnote geben Sie dem Dortmunder Radverkehr? Stimmen Sie ab:

Umfrage

Welche Schulnote geben Sie dem Dortmunder Radverkehr?

426 abgegebene Stimmen

Lesen Sie jetzt
" Radfahrer (85) stirbt sechs Tage nach schwerem Unfall mit Lkw auf der Schützenstraße

Nach dem schweren Unfall vergangene Woche auf der Schützenstraße ist ein 85-jähriger Radfahrer seinen schweren Verletzungen erlegen. Ein Lkw hatte den Radfahrer überrollt. Von Thomas Thiel