Nach schwerem Unfall an der Kaiserstraße Händler sehen eine grundsätzliche Gefahr

Nach schwerem Unfall an der Kaiserstraße: Händler sehen Gefahr
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Es ist ein Trümmerfeld, das am Dienstagmorgen (20.6.) viele Passanten auf der Kaiserstraße schockiert. Drei zerstörte Autos stehen auf Höhe des Lidl-Parkplatzes. Die Bilanz des Frontalzusammenstoßes im Bereich der Hausnummer 182: drei Leicht- und zwei Schwerverletzte. Unter den Schwerverletzten ist ein kleines Kind.

Tags darauf ist das Geschehen vom Dienstag bei den Gewerbetreibenden in der Nachbarschaft noch sehr präsent. Wir fragen nach: Wie schätzen sie die Verkehrssituation auf der vierspurigen Straße inklusive Stadtbahnschienen vor dem Lidl-Parkplatz ein?

Am Dienstag (20.6.) hat sich im Bereich der Kaiserstraße 182 ein schwerer Unfall mit mehreren Verletzten ereignet.
Am Dienstag (20.6.) hat sich im Bereich der Kaiserstraße 182 ein schwerer Unfall mit mehreren Verletzten ereignet. © Tim Schulze

„Hier ist schon häufiger etwas passiert“, sagt Bibiana Breitkopf (62), die mit ihrem Mann ein E-Zigarettengeschäft an der Kaiserstraße 192 betreibt. „Die Autofahrer, die nach links vom Lidl-Parkplatz abbiegen, sehen nicht, ob eine Stadtbahn kommt.“ Die Stelle sei schlecht einsehbar.

Ein weiteres Problem aus Sicht von Bibiana Breitkopf: „Die Fußgänger laufen direkt vom Parkplatz auf die anderen Straßenseite, statt die Ampel in der Nähe zu benutzen.“ Dabei seien viele unaufmerksam. „Mein Mann hätte letztens fast einen Fußgänger erwischt“, sagt die Händlerin, die sich eine zusätzlich Ampel wünscht.

Unaufmerksame Fußgänger

Bibiana Breitkopf ist mit ihrer Sicht auf die Dinge nicht allein. Ümit Ak, der einen Imbiss an derselben Adresse betreibt, sagt über die Stelle: „Hier muss man auf jeden Fall aufpassen.“ Auch er bemängelt eine schlechte Sicht auf die Straße beim Verlassen des Parkplatzes. „Man muss sehr weit rausfahren, um den Verkehr zu sehen. Und dann ist es schon zu spät.“

Bibiana Breitkopf betreibt mit ihrem Mann ein E-Zigarettengeschäft in der Nachbarschaft des Lidl-Marktes.
Bibiana Breitkopf betreibt mit ihrem Mann ein E-Zigarettengeschäft in der Nachbarschaft des Lidl-Marktes. © Tim Schulze

Rohan Santiago, der einen Kiosk an der Kaiserstraße 196 betreibt, wünscht sich einen Blitzer an der Stelle. Denn er sagt: „Viele Autofahrer fahren zu schnell.“ Zudem seien Fußgänger aufmerksam. Und auch er benennt das Problem mit dem Abbiegen beim Verlassen des Parkplatzes. Er erinnert sich an neun Unfälle an dieser Stelle.

Rohan Santiago betreibt einen Kiosk an der Kaiserstraße.
Rohan Santiago betreibt einen Kiosk an der Kaiserstraße. © Tim Schulze

Der schwere Unfall vom Dienstag hatte nichts mit etwaigen Sichtproblemen zu tun. Sondern offenbar mit Fehlverhalten von Autofahrern. Nach Erkenntnissen der Polizei hatte ein 30-Jähriger seinen Wagen auf der Straße gewendet und dabei einen herannahenden Wagen eines 22-Jährigen übersehen. Es kam zum Zusammenstoß.

Durch die Wucht des Aufpralls wurde das Auto des 22-Jährigen gegen einen Wagen geschleudert, der gerade vom Lidl-Parkplatz abbiegen wollte. In dem zuletzt genannten Fahrzeug saßen das kleine Kind und dessen Mutter, die schwer verletzt wurden.

„Unfallspuren und Zeugenaussagen lassen darauf schließen, dass der 22-Jährige mit erhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Daher wurde sein Mercedes sichergestellt“, teilte die Polizei mit.

Die Ausfahrt des Lidl-Parkplatzes: Auf der Straße sieht man am Mittwoch (21.6.) noch die Kreidezeichen der Polizei von der Unfallaufnahme am Vortag.
Die Ausfahrt des Lidl-Parkplatzes: Auf der Straße sieht man am Mittwoch (21.6.) noch die Kreidezeichen der Polizei von der Unfallaufnahme am Vortag. © Tim Schulze

Und doch: Es gibt angenehmere Situationen, als von dem Lidl-Parkplatz Richtung Körne abbiegen zu müssen. Brigitte Lasdowsky, Mitarbeiterin einer benachbarten Spielothek, sagt: Auch wenn sie Richtung Körne müsse, fahre sie stets rechts raus und nehme einen anderen Weg nach Osten, um das Linksabbiegen zu vermeiden.

Das Problem seien einerseits die parkenden Autos (links von der Ausfahrt aus gesehen), die die Sicht auf die Straße behinderten. Hinzukomme (rechts von der Ausfahrt aus gesehen) eine Werbetafel, die die Sicht auf den Verkehr einschränke. „Jeder, der den Parkplatz verlässt, muss weit auf die Straße fahren, um alles sehen zu können“, sagt auch Brigitte Lasdowsky.

Abbiegen im Selbstversuch

Der Autor dieses Textes hat sich zu Recherchezwecken dazu durchgerungen, das Linksabbiegen von dem Parkplatz auszuprobieren. Sonst wäre er mutmaßlich auch eher rechts raus gefahren. Die Situation ist Folgende: Man muss zuerst die zwei Fahrspuren in Richtung Innenstadt sowie die Stadtbahnschienen überqueren, um auf eine der beiden Fahrspuren Richtung Körne zu kommen.

In der Tat behindern bei dem Selbstversuch am Mittwochnachmittag (21.6.) parkende Autos links vom Parkplatz die Sicht auf die Straße. Und auch die Werbetafel rechts vom Parkplatz erschwert die Sicht darauf, ob Autos oder eine Stadtbahn kommen.

Hinzu kommt: An der Ampel (Kreuzung Kaiserstraße/Manteuffelstraße/Von-der-Tann-Straße) hat sich ein Rückstau bis zur Parkplatz-Ausfahrt gebildet. Der Autor dieser Zeilen muss erst warten, bis die Ampel Grün wird. Da kommt schon wieder eine Stadtbahn von links. Wieder Warten. Nach einer geschätzten Minute gibt es die Möglichkeit, unfallfrei Richtung Körne zu fahren. Fazit: Geduld ist hier das A und O.

Blick aus der Autofensterscheibe unseres Reporters, der vom Lidl-Parkplatz nach links abbiegen möchte. Parkende Autos können die Sicht behindern.
Blick aus der Autofensterscheibe unseres Reporters, der vom Lidl-Parkplatz nach links abbiegen möchte. Parkende Autos können die Sicht behindern. © Tim Schulze

Wir haben bei der Polizei nachgefragt, wie viele Unfälle es an der Stelle in den vergangenen zwei Jahren gegeben hat. Die Antwort: fünf. Dabei wurden Unfälle mit reinem Blechschaden allerdings nicht mitgezählt. Diese könne man nur „mit erheblichem Aufwand“ auswerten, heißt es.

Unter den fünf Unfällen war einer mit Schwerverletzten (2023). Ein Autofahrer hatte beschleunigt, um einen anderen Wagen zu überholen. Dabei übersah er einen Wagen, der verkehrsbedingt auf dem linken Fahrstreifen anhielt.

Drei weitere Unfälle mit Leichtverletzten verzeichnete die Polizei. Ein Pedelec-Fahrer geriet 2021 mit einem Reifen in die Bahnschiene und stürzte. Ein Autofahrer wendete und übersah eine Fußgängerin (2022). Noch einmal 2022: Ein Autofahrer war durch sein Handy abgelenkt und fuhr auf einen anderen Wagen auf.

Zudem gab es einen Unfall mit „schwerwiegendem Sachschaden“ im Jahr 2022 - an der Parkplatz-Ausfahrt. Ein alkoholisierter Autofahrer übersah beim Abbiegen in Richtung Körne einen von rechts kommenden Wagen und stieß mit diesem zusammen.

Zur Einordnung schreibt Polizeisprecherin Nina Kupferschmidt: „Die im erfragten Zeitraum ausgewerteten Verkehrsunfälle und deren Ursachen lassen keine Rückschlüsse auf mögliche Sichtbehinderungen durch parkende Autos oder Werbetafeln erkennen.“ Zu den Hauptunfallursachen gehörten Ablenkung im Straßenverkehr, zu hohes Tempo, das Fahren unter Alkoholeinfluss oder Betäubungsmitteln sowie Fehler beim Wenden, Abbiegen und Rückwärtsfahren. Diesen Problemen begegne die Polizei mit regelmäßigen Kontrollen.

Keine Hinweise auf Sichtbehinderung

Gefragt nach Sichtbehinderungen an der Stelle schreibt Kupferschmidt: „Hinweise von Gewerbetreibenden oder aus der Bevölkerung auf mögliche Sichtbehinderungen durch parkende Autos oder Sicht behindernd aufgestellter Werbetafel für diesen Bereich liegen uns nicht vor.“ Und: Die Verkehrsunfälle im erfragten Zeitraum stünden in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Stadtbahnverkehr.

DSW21-Sprecher Frank Fligge sagt, dass die Stelle an dem Parkplatz nicht als Unfallschwerpunkt bekannt sei. Auf der Linie der U43 komme es allerdings immer mal wieder zu Unfällen. In der Regel sei die Stadtbahn dabei aber Betroffene statt Beteiligte. „Wir müssen dann warten und einen Schienenersatzverkehr einrichten.“ Frühere Unfallschwerpunkte im Bereich Fredenbaum, Bornstraße und Marsbruchstraße habe man durch bauliche Veränderungen in Zusammenarbeit mit der Stadt Dortmund entschärft.

Fligge betont, dass die Stadtbahnen vergleichsweise „berechenbare“ Teilnehmerinnen des Straßenverkehrs seien, da sie sich ausschließlich im Gleisbett und mit planbarem Tempo fortbewegen.

DSW21-Sprecher Frank Fligge
DSW21-Sprecher Frank Fligge © Christian Bohnenkamp

Der Sprecher ergänzt: „Überall dort, wo sich die Stadtbahn den Straßenraum mit allen anderen Verkehrsteilnehmern teilt, ist von allen Beteiligten erhöhte Aufmerksamkeit gefordert.“

Lidl betont auf Nachfrage, dass sich die Ein- und Ausfahrt zum Parkplatz seit 2002 an derselben Stelle befindet. „Bislang sehen wir hier keinen Unfallschwerpunkt. Auch Kundenmeldungen liegen uns nicht vor.“

Wir haben auch bei der Stadt Dortmund zur Situation rund um die Kaiserstraße 182 nachgefragt. Bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels (23.6., 18 Uhr) lag jedoch keine Antwort vor.

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