Die beiden Affären um die teure Einkaufspolitik von DEW im Herbst 2022 und die Skandaltochter stadtenergie ziehen weite Kreise. Heike Heim, bis vor Kurzem Vorstandsvorsitzende von DSW21, ist über ein Gutachten der PwC-Wirtschaftsprüfer gestolpert.
Sie hatten im Nachhinein aufgedeckt, dass es bei der Einkaufspolitik im Krisen-Herbst 2022 unter der Ägide von Heim als damalige DEW-Chefin massive Verstöße gegen interne Spielregeln gegeben hatte.
Dabei war u.a. herausgekommen, dass DEW ohne Absprache mit den Gremien (bzw. mit dem Gesellschafter Westenergie) von der üblichen Einkaufspolitik abgewichen war – und sich ausgerechnet in der Hochpreisphase für gleich drei Jahre mit extrem teuren Gas- und Stromkontingenten eingedeckt hatte, die DEW bis 2025 nun zu deutlich niedrigeren Preisen verkaufen muss.
Folge: Der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft DSW21 setzte Heim den Stuhl vor die Tür, kündigte ihren Vertrag fristlos. OB Thomas Westphal, zugleich Aufsichtsratschef von DSW21, wurde beauftragt, mit ihr einen Aufhebungsvertrag auszuhandeln. Der liegt bislang nicht vor.

Jacoby soll Heims Nachfolger werden
Und wie geht’s nun weiter bei DSW21? Wer wird Heims Nachfolger als Vorstandsvorsitzender? Als offenes Geheimnis gilt, dass es auf DSW21-Finanzvorstand Jörg Jacoby hinauslaufen soll.
SPD, Grüne, CDU, Linke und FDP/Bürgerliste sind nach aktuellem Stand der Dinge auch bereit, Jacoby mitzutragen. Allerdings nicht schon in der kommenden Aufsichtsratssitzung am Montag (22.7.).
Skandal wird auch Thema im Rat
Grund: Grüne und CDU wollen erst die Affären um die DEW-Einkaufspolitik und die DEW-Tochter stadtenergie aufarbeiten lassen, die bundesweit massenhaft Kunden über den Tisch gezogen hat. Beide Angelegenheiten sollen nicht länger nur in Kreisen der Aufsichtsräte beleuchtet, sondern nun auch in den Ratsgremien breit diskutiert werden. „Wir wollen das politisch aufarbeiten und bereiten uns darauf vor“, heißt es bei Grün-Schwarz unisono. „Es wird in der September-Sitzung des Rates dazu Anträge geben.“
Wie kolportiert wird, erwarte man dabei auch eine Erklärung von OB Westphal, ob er als DEW-Aufsichtsratschef von den Vorgängen gewusst habe – insbesondere von der eigenmächtig geänderten Einkaufspolitik bei Strom und Gas. Auf Anfrage unserer Redaktion hatte er das schriftlich verneint. Bei den folgenden Debatten in den Ratsgremien nach der Sommerpause dürfte auch die millionenschwere Bürgschaft der Stadt Dortmund eine Rolle spielen.
Zur Erinnerung: Wenige Monate nach dem Krisen-Herbst 2022 war OB Westphal im März 2023 plötzlich im Rat mit einem Papier um die Ecke gekommen, nach dem DEW für die Absicherung seiner teuren Energiegeschäfte einen außergewöhnlich hohen Kreditrahmen bis zu 340 Mio. Euro benötigte. Als Muttergesellschaft war DSW21 durchaus bereit, seiner „Tochter“ DEW den Wunsch nach finanzieller Hilfestellung zu erfüllen – ließ sich den Kredit aber bis zu 272 Mio. Euro per Bürgschaft von der Stadt absichern.
„War darüber nicht informiert“
Grün-Schwarz will nun nachhaken und fragen: Waren u.a. die teuren und gleich für drei Jahre beschafften Energiemengen der Hintergrund für den millionenschweren Kredit?
Und: Wer von denen, die sich damals für den Kredit stark gemacht haben, hat von der Beschaffungspolitik bei DEW gewusst?
DSW21-Finanzvorstand Jacoby erklärt, er habe von der eigenmächtig geänderten Einkaufspolitik der damaligen DEW-Chef Heim keine Kenntnis gehabt. „Ich war über diesen Umstand nicht informiert“, sagte er auf Anfrage. Wie zu erfahren war, soll Heim damals sogar ihre beiden Mitgeschäftsführer bei DEW darüber im Unklaren gelassen haben.
Und die Personalie Jacoby? Nach aktuellem Stand können sich Grüne und CDU vorstellen, ihn nach einer ersten Aufarbeitung der Affären im Oktober im Aufsichtsrat und im Rat der Stadt durchzuwinken. In Stein gemeißelt ist das Datum aber noch nicht.
Ein erstes Signal, dass es auf Jacoby hinausläuft, wollen die Aufsichtsräte in ihrer nun anstehenden Sitzung am Montag (22.7.) schon geben: Jacoby soll gegenüber den beiden anderen DSW21-Vorständen Ulrich Jäger (Verkehr) und Harald Kraus (Arbeitsdirektor) bis zu seiner endgültigen Wahl eine „hervorgehobene Stellung“ bekommen.
Wird Heim regresspflichtig?
Angedacht sind etwa Rollen wie „kommissarischer Vorstandsvorsitzender“ oder „Vorstandssprecher“. SPD und Linke, heißt es, seien über die Verschiebung zunächst nicht glücklich gewesen – wollen aber solange bei der Stange bleiben. Jacoby, der als überaus korrekter Finanzchef gilt, ist auch bereit, den Posten als DSW21-Vorstandschef anzutreten. Er habe großen Respekt vor der Aufgabe, sagte er gegenüber unserer Redaktion. „Aber ich würde mich der Herausforderung stellen.“
Bis dahin könnte zudem Klarheit herrschen, ob es Ansätze gibt, Ex-DEW-Chefin Heike Heim wegen der Einkaufspolitik für Strom und Gas regresspflichtig zu machen und möglichen Schadenersatz zu fordern. Die Wirtschaftsprüfer hatten errechnet, dass sich das Drama für Dortmunds Energieversorger im schlimmsten Fall auf 100 Millionen Euro belaufen könnte – ein Schaden von 40 Mio. stehe bereits unwiderruflich fest, sagt PwC. Die Rechtsanwaltsgesellschaft und Wirtschaftskanzlei Aderholt, die u.a. einen Sitz am Westfalendamm hat, ist nun beauftragt, das Gutachten der PwC-Leute genauer zu betrachten. Und zu prüfen, ob sich daraus „juristische Verantwortlichkeiten“ ableiten lassen.
Gleichzeitig werden auch die Vorgänge bei der DEW-Skandaltochter stadtenergie, ein Kind von Heim, aufgearbeitet. Nach jüngsten Zahlen hat der Energielieferant bundesweit rund 40.000 Kunden mit falschen Abrechnungen überzogen. Und letztlich einen Gesamtschaden von bislang 74 Mio. Euro verursacht, für den DEW geradestehen muss. Bei der Aufarbeitung des Skandals stehen die mit dem Fall stadtenergie befassten Wirtschaftsprüfer im Austausch mit einer Anwaltskanzlei. Ihr Abschlussbericht soll an die Staatsanwaltschaft gehen.