Blindgänger im Krieg an Brücke positioniert? Warum der Fund an der Hagener Straße besonders ist

Warum der Blindgänger-Fund an der Hagener Straße außergewöhnlich ist
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So ein Projekt plant man nicht mal eben so: An der Hagener Straße wird derzeit die alte Eisenbahnbrücke abgerissen – und eine neue gebaut. Als es dann richtig losgehen sollte, legten Bombenfunde die Baustelle lahm – und torpedierten letztlich den geplanten Zeitrahmen. Sicher ist: Bis zum 31. Oktober, wie ursprünglich geplant, werden die Abrissarbeiten nicht abgeschlossen sein.

Mangelnde Vorsorge? Oder trotz aller Maßnahmen nicht vermeidbar? Eigentlich hat die Stadt Dortmund ja Übung, wenn es um Bombenfunde geht; ständig werden Blindgänger bei Bauarbeiten gefunden. Auch Jahrzehnte nach Kriegsende liegt noch einiges an Sprengstoff im Boden. Dortmund gehörte im Zweiten Weltkrieg zu den am stärksten bombardierten deutschen Städten. Allein die britische Luftwaffe warf nach eigenen Angaben zwischen den Jahren 1943 und 1945 22.242 Tonnen Bomben über Dortmund ab. Umgerechnet auf das übliche „Kaliber“ wären das rund 80.000 einzelne Bomben. Experten gehen davon aus, dass 10 bis 15 Prozent davon nicht explodiert sind. Das wären dann rund 10.000 Blindgänger.

Hier an der Baustelle Hagener Straße ist nun täglich auch ein Feuerwerker bei der Arbeit, um gefährliche Situationen bestenfalls komplett zu vermeiden.
Hier an der Baustelle Hagener Straße ist nun täglich auch ein Feuerwerker bei der Arbeit, um gefährliche Situationen bestenfalls komplett zu vermeiden. © Britta Linnhoff

„Außergewöhnlicher Fall“

Der Bereich um die alte Brücke an der Hagener Straße war nach Angaben der Stadt zu Weltkriegszeiten ein hoch frequentiertes Bombenabwurfgebiet. Der Blindgänger-Fund dort sei ein „außergewöhnlicher Fall“, wie die Stadt auf Anfrage mitteilt.

Die aktuellen Ereignisse: Am 25. August wurde im Zuge der Abrissarbeiten der Brücke vier amerikanische 250-Kilo-Bombenblindgänger ans Tageslicht befördert. Die Bomben seien bereits entschärft gewesen, die Originalzünder entfernt, aber mit einer Sprengvorrichtung versehen gewesen, so Stadtsprecher Maximilian Löchter.

Ein Umstand, der auf ein Stück Dortmunder Stadtgeschichte blicken lässt, den die um 1900 erbaute Brücke erlebt hat: Der Fund legt nach Meinung des fachkundigen Feuerwerkers des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Westfalen-Lippe die Vermutung nahe, dass die Deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg die Bombenblindgänger dort gezielt so positioniert und mit einer eigenen Sprengvorrichtung versehen hatte, um im Bedarfsfall durch die Sprengung der Brücke den Vormarsch der Alliierten zu stoppen.

Ortstermin

Da alle vier Blindgänger ausschließlich auf einer Seite des Brückenfundamentes gefunden wurden, sei nach Aussage der Kampfmittelexperten die Wahrscheinlichkeit hoch gewesen, dass auch auf der anderen Seite des Brückenfundamentes noch weitere Bombenblindgänger vorhanden sein könnten.

Nach dieser Experteneinschätzung seien am 25. August die weiteren Arbeiten zunächst untersagt worden und man habe vereinbart, am nächsten Werktag unter Beteiligung des Kampfmittelräumdienstes, des Bauherrn Deutsche Bahn, der ausführenden Firma und des Ordnungsamtes einen Ortstermin durchzuführen, um das weitere Vorgehen festzulegen. Die vier Bombenblindgänger wurden schließlich – nachdem die Sprengvorrichtung entfernt worden war – abtransportiert.

Ein historisches Foto: Wann das Bild entstand, ist unbekannt. Es zeigt die Brücke und die Gaststätte Weiße Taube.
Ein historisches Foto: Wann das Bild entstand, ist unbekannt. Es zeigt die Brücke und die Gaststätte Weiße Taube. © Sammlung Bücking

Ortstermin mit Folgen

Bei dem Ortstermin am 28. August sei der Bahn als Bauherrn dann vom Ordnungsamt auferlegt worden, „dass die weiteren Arbeiten unter der Baubegleitung eines Feuerwerkers, den die DB beauftragen muss, auszuführen sind“. Heißt konkret: Die Arbeiten werden penibel von einem Feuerwerker täglich begleitet, bestätigt Stadtsprecher Maximilian Löchter und Christoph Söbbeler von der Bezirksregierung in Arnsberg ergänzt: „Der steht direkt an der Baugrube und stoppt im Zweifel den Baggerfahrer per Handzeichen.“ Eine solche Maßnahme geschehe nicht sehr oft, sei aber bei einer solch diffusen Erkenntnislage nicht ungewöhnlich und komme in Dortmund als ein Blindgänger-Hotspot immer mal wieder vor.

Im Zuge der Planung für den Neubau der Eisenbahnbrücke im Bereich der Hagener Straße / Ecke Gotthelfstraße wurden im Vorfeld Luftbilder auf der Suche nach möglichen Blindgängern ausgewertet – das ist bei Baumaßnahmen dieser Art Standard. Durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst sei dabei ein „diffuser Kampfmittelverdacht“ festgestellt worden; konkrete Blindgängerverdachtspunkte seien nicht erkennbar gewesen.

Untersuchungen vor Ort bei Baubeginn hätten dann auch kein „zielführendes Ergebnis“ gebracht. Das Problem: Die Suche mit den sogenannten Oberflächenmetalldetektoren verspricht in einer dicht bebauten Umgebung nur bedingt Erfolg – es liegt einfach zu viel im Boden (zum Beispiel an Leitungen), was das Ergebnis verfälscht. Schließlich durfte die Bahn als Bauherr mit den Arbeiten beginnen – „mit der gebotenen Vorsicht“.

Zwischenzeitlich hatte sich nach Auskunft der Stadt auch die Berufsgenossenschaft eingeschaltet: Die habe von der Bahn ein „Räumkonzept zur Gewährleistung der Arbeitssicherheit im Hinblick auf die Gefahren durch mögliche Kampfmittel für die Arbeiter vor Ort“ gefordert. Durch dieses geforderte Räumkonzept sei es zu dem zeitlichen Verzug gekommen: Bis zur abschließenden Genehmigung des Räumkonzeptes sei auf der Baustelle nicht gearbeitet worden.

Eine der größten Bombenentschärfungen der letzten Jahre fand übrigens in Hombruch statt: Im November 2013 führt der Fund einer 1,8-Tonnen-Luftmine auf einem Firmengrundstück zur bis dahin größten Evakuierungsaktion der Nachkriegsgeschichte in der Stadt: Mehr als 20.000 Menschen im Umkreis von 1,5 Kilometern um den Fundort müssen ihre Häuser verlassen.

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