„Hofius“ stellt Mode-Produktion nach 40 Jahren ein „Menschen wollen keine Slow Fashion mehr“

Nach 40 Jahren stellt „Hofius“ Mode-Produktion in Dortmund ein
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Im Januar feierte das Familienunternehmen „Hofius“ in Dortmund noch Jubiläum: 40 Jahre lang stellen sie schon nachhaltige und qualitativ hochwertige Kleidung her, um sie national wie international zu verkaufen.

Seit Mai ist nun jedoch klar: Hofius fährt seine eigene Produktion bald herunter. Die nächste Herbst-Winter-Kollektion wird die letzte sein.

Wir haben mit der Familie über die Gründe gesprochen. Dabei waren Gründerin Sabine Hofius (73), die als Pionierin in der Naturtextil-Branche gilt, und ihre beiden Töchter: Lena Dümer (42), die seit mehr als 20 Jahren die beiden Geschäfte von Hofius in Dortmund leitet, sowie Nora Dümer (35), die seit fast 15 Jahren die Designs entwirft.

 Lukas und Nora Dümer tragen Hofius-Kleidung und sitzen auf einer Holzbrücke, neben ihnen steht eine Ziege.
Mit Kinderkleidung fing alles an: Dieses Foto von Lukas und Nora Dümer wurde für die Messe "Kind + Jugend" im Jahr 1992 geschossen. © privat

Der Einzelhandel stirbt

Bis zu 300 Händlerinnen und Händler belieferte die Familie über Jahrzehnte mit ihrer Kleidung: „Meistens sind das kleine inhabergeführte Geschäfte, die Wert auf Qualität legen“, erklärt Sabine Hofius. Davon gibt es allerdings immer weniger: Knapp 70 Prozent ihrer Einzelhändler haben die Türen für immer geschlossen.

Die Gründe dafür sind verschieden: „Manche müssen ihre Läden altersbedingt schließen und haben keine Nachfolge. Andere haben unter den Folgen der Corona-Pandemie und des Ukrainekriegs gelitten – es ist ja auch alles teurer geworden“, so Hofius.

Insgesamt habe sich der Zeitgeist geändert, die Nachfrage nach hochwertiger Kleidung sei gesunken. Laut Lena Dümer sei durch die Schnelllebigkeit der „Fast Fashion-Industrie“ das Gefühl für Qualität verloren gegangen.

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Fast Fashion

Fast Fashion ist ein Geschäftsmodell der Textilindustrie, das auf schnelle und trendorientierte Kollektionen setzt, die zu günstigen Preisen produziert und verkauft werden. Während traditionelle Modeunternehmen wie Hofius halbjährlich Kollektionen veröffentlichen, brauchen Fast Fashion-Unternehmen wie „H&M“ oder „Shein“ nur wenige Wochen.

Kritiker machen regelmäßig auf die schlechten Arbeitsbedingungen in der Fast Fashion-Industrie aufmerksam. Die niedrigen Preise und schlechte Qualität der Produkte sollen demnach außerdem ein verschwenderisches und damit umweltschädliches Kaufverhalten begünstigen.

„Es wird viel zu viel Kleidung weggeworfen. Das ist Ressourcenverschwendung in einer Zeit, in der alle von Klimaschutz reden – das passt nicht zusammen“, ergänzt Sabine Hofius. Ihr Motto sei stattdessen immer Slow Fashion gewesen – aus Liebe zum Handwerk. „Einmal kam eine Kundin rein, um sich zu bedanken: Eines unserer Kleidungsstücke hätte insgesamt elf Kinder überstanden.“

Erst Jubiläum, dann Produktionsstopp

Ein Versuch, unabhängiger vom Einzelhandel zu werden, war ein eigener Onlineshop. Sohn Lukas Dümer (39) und seine Partnerin Anna Lingemann brachten diesen im März 2020 auf den Weg. Doch die schwindenden Einzelhändler konnte auch der Onlineshop nicht auffangen.

Im Mai, kurz nach dem Jubiläum, herrschte laut Sabine Hofius traurige Gewissheit: Es waren zu wenig Kunden, um die Produktion am Laufen zu halten, „das rechnet sich nicht mehr“. Auch die gestiegenen Preise wollte man nicht an die Kundschaft weitergeben.

Die Familie entscheidet sich dazu, die Produktion in Dortmund einzustellen. Eine schwere Entscheidung, erinnern sich Mutter und Töchter, noch beim Erzählen fließen Tränen: „Im Herzen tut es schrecklich weh, aber es ist der richtige Weg. Wir wollen das, was wir selbst aufgebaut haben, auch selbst beenden – und zwar gesund“, so Lena Dümer.

Mitarbeiterinnen im Fokus

Innerhalb einer Woche seien die rund 15 Mitarbeiterinnen informiert worden: „Danach waren wir alle, das ganze Team, erstmal wochenlang traurig“, erzählt Nora Dümer mit Tränen in den Augen. Mittlerweile herrsche wieder eine Routine: „Wir mussten das erst verarbeiten und jetzt ziehen wir es zusammen durch.“

Die älteste Mitarbeiterin sei bereits seit 34 Jahren dabei. Die Familie hofft, sie und eine weitere Kollegin noch in die Rente begleiten zu können. „Wir wollen natürlich alle möglichst lange mitnehmen und sie nicht einfach auf die Straße setzen.“

Überwältigende Reaktionen

Noch länger als manche Mitarbeiterin scheinen einige Kundinnen Hofius zu begleiten. Ihnen die Botschaft zu überbringen, sei ebenfalls schwer gewesen: „Als die Entscheidung noch nicht öffentlich war, wollte eine Kundin bei mir ein T-Shirt fürs nächste Jahr vorbestellen – das war ein ganz komisches Gefühl“, erinnert sich Lena Dümer.

Mit einem persönlichen Rundschreiben hätten sie anschließend ihre Stammkundschaft und Einzelhändler informiert. Auch auf der Hofius-Website ist mittlerweile ein Hinweis zu lesen. „Das Verständnis dafür war ungeheuerlich groß“, freut sich Sabine Hofius. „Alle hatten so viel Respekt vor diesem Schritt und haben gefragt, wie es uns geht.“

Brief an Sabine Hofius
Worte wie diese zeigen Sabine Hofius, Lena Dümer und Nora Dümer, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben. © privat

Die durchweg verständnisvolle und positive Resonanz ihrer Kundinnen und Kunden resultiere außerdem in Vorbestellungen: „Viele unserer Einzelhändler haben wegen des bevorstehenden Produktionsstopps noch mal für ihre Kundinnen und Kunden vorbestellt“, berichtet Lena Dümer. Das helfe dabei, ihre Mitarbeiterinnen länger als geplant zu beschäftigen.

Wie geht es weiter?

Zwar steht die Entscheidung fest, die Produktion zu schließen, offene Fragen gebe es dennoch. Was passiert zum Beispiel mit den beiden Läden in Dortmund? Darauf hat die Familie noch keine klare Antwort: „Das können wir jetzt noch nicht sagen. Wir gehen jetzt einen Schritt nach dem anderen. Manchmal schließt sich ja auch eine Tür und eine andere geht auf.“

Hofius im Rosenviertel von außen
Neben dem Laden im Rosenviertel gibt es noch das Geschäft "Hofius und Freunde" im Kreuzviertel. © Antonia Strotmann

Auch ihre Schwester Nora Dümer wolle sich nicht zu viele Gedanken machen: „Dann werde ich nur noch nervöser und selbst wenn wir wollten, wir könnten es nicht planen, es kommt ja doch häufig anders.“

Nur Sabine Hofius habe ein klares Ziel vor Augen, sagt Nora Dümer: „Erzähl doch mal“, bittet sie ihre Mutter. „Wenn wir alles geschafft haben, werde ich Dortmund verlassen und mit meinem Mann an die Schlei in Schleswig-Holstein ziehen“, sagt Sabine Hofius. Das sei schon immer ihr Traum gewesen. „Aber frühstens in zwei Jahren“, ergänzt sie und lacht.

Die letzte Modenschau

Bevor die Nähmaschinen ruhen, hat sich die Familie für ihre letzte Herbst-Winter-Saison ein paar Highlights überlegt: Am 14.9. (Samstag) findet eine Best-of-Modenschau mit der neuen und letzten Herbst-Winter-Kollektion statt, bis zum 15.11. bieten sie außerdem einen Nähservice an und am 21.11. stehen sie auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt.

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