
© Stephan Schütze
Museum in Dortmund zeigt Kunstwerk, das es gar nicht gibt
Mahnmal von Benno Elkan
Die Stadt nennt es „das modernste Denkmal Deutschlands“, erschaffen von dem vor 60 Jahren gestorbenen Dortmunder Künstler Benno Elkan. Nur Brillenträger können es sehen. Wir haben es getestet.
Die schwere Brille erinnert an einen futuristischen Fahrradhelm. Ich setze sie auf und sehe einen Traum. Den Traum von Benno Elkan, dem berühmten Bildhauer und gebürtigen Dortmunder, der vor 60 Jahren in London gestorben ist. Sein Traum ist eigentlich ein Albtraum in Bronze: auf Mauerresten übereinandergestapelte Menschen, Nackte und Tote, zusammengesunkene Gestalten, geschundene Körper – Opfer der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg.
Das „Mahnmal für die Toten des Krieges“, an dessen Plänen Benno Elkan mehr als ein Jahrzehnt gearbeitet hat, hat er nie realisieren können. Sein Traum war es, dieses Mahnmal in seiner Vaterstadt Dortmund als neun Meter breites und drei Meter hohes Granitdenkmal sowie als kleinere, drei Meter breite Bronzevariante aufzustellen. Dazu ist es nie gekommen – bis seine Enkelin Beryn Hammil aus San Francisco denselben Traum träumte.
Vom Pixel zum Bronzekunstwerk
Es gab zwar nur noch sechs Schwarz-Weiß-Fotos von einem 1959 entstandenen Gipsmodell, doch wenn Hollywood seine Helden ins All beamen kann, müsste neueste Digital-Technologie auch „Dinge aus unserer Vorstellungskraft holen und sie real erscheinen lassen können“, dachte Beryn Hammil – und hatte Recht.
Die Spezialbrille, durch die ich schaue, wandelt Pixel zum Bronzekunstwerk um und lässt Benno Elkans Traum als dreidimensionale Computergrafik im Eingangsbereich des Museums für Kunst und Kulturgeschichte (MKK) an der Hansastraße auferstehen. Das „modernste Denkmal Deutschlands“, so die Stadt Dortmund, ist Teil der Dauerausstellung und damit für alle Besucher kostenlos zu sehen.
Virtuelle Neun-Meter-Variante aus Granitstein
Benötigt werden dafür entweder eine Spezialbrille, die bei Führungen ausgegeben wird, oder ein höchstens zwei Jahre altes Smartphone beziehungsweise Tablet, das im MKK ausgeliehen werden kann. Am Freitag (10.1.), genau am 60. Todestag von Benno Elkan, präsentierte die Stadt das Mahnmal des Künstlers bereits ein zweites Mal.
Wie am Freitag, als das „Bronzemodell seiner Bestimmung übergeben wurde“, war auch bereits im August 2018 Beryn Hammil dabei, als auf der Bühne des Konzerthauses die Neun-Meter-Variante aus Granitstein virtuell auferstand.

Freunde und Förderer des virtuellen Mahnmals mit der Enkelin von Benno Elkan, Beryn Hammil (Mitte). © Stephan Schütze
Dieses monumentale Mahnmal erscheint als virtuelle Kunst auch am Dortmunder U im öffentlichen Raum. Auf einer Bodenplatte, die an der Westseite des U (am Abgang zum Emil) verlegt ist, befindet sich ein QR-Code, mit dem man sich das Kunstwerk direkt vor das Dortmunder U platzieren kann. Außerdem ist es jederzeit und überall unter www.benno-elkan.de zu sehen.
In der Ahnenreihe großer Dortmunder
Neben Beryn Hammil ist es einer Kooperation vieler Freunde, Förderer, Wissenschaftler und Netzwerker in Dortmund zu verdanken, dass Benno Elkans Traum Wirklichkeit wurde. Träger des Projekts war seit 2016 der Historische Verein, der es am Freitag an die Kulturbetriebe übergab, die Realisierung übernahm die Dortmunder Viality AG mit ihrem Geschäftsführer Markus Rall und mit Unterstützung des TU-Lehrstuhls für Graphische Systeme von Prof. Heinrich Müller. Gesponsert wurde das Projekt von der Sparkasse.
„Benno Elkan gehört in die Ahnenreihe großer Dortmunder“, sagt MKK-Direktor Dr. Jens Stöcker, „sein Name und sein Werk sollen in Zukunft noch stärker Teil unserer Erinnerungskultur in Dortmund werden.“ Sein Lebenswerk, die Menorah-Skulptur, ein großer siebenarmiger Leuchter, steht heute noch vor der Knesset in Jerusalem.
Elkan und seine jüdische Familie lebten in der Brückstraße 51, wo heute das Orchesterzentrum steht. An seinem 60. Todestag wurde dort eine Tafel eingeweiht. Auch die Benno-Elkan-Allee am U wurde nach ihm benannt. „Was Goethe für Weimar, ist Benno Elkan für Dortmund“, sagt Klaus Wegener, Präsident der Auslandsgesellschaft NRW.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
