
Selvi Aksünger (r.), Marek Kirschniok (r. hinten), Manfred Kossak (l. hinten,) und Michael Plackert (beide von der städtischen Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie mit den Keksen, die helfen sollen, über rechte Symbolik aufzuklären. © Felix Guth
Mit Keksen gegen Neonazis: 100 Dortmunder Lokale starten ungewöhnliche Aktion
„Cookie Courage“
Mit kostenlosen Keksen gegen Rechtsextremismus: Diese Aktion unterstützen 100 Gastronominnen und Gastronomen in Dortmund. Der Anlass dafür ist besorgniserregend.
In 100 Restaurants, Bars und Cafés in Dortmund werden kostenlose Kekse verteilt, um über rechte Symbolik und Codes aufzuklären. Zu den Keksen gibt es jeweils einen Flyer mit einem QR-Code. Dieser führt auf eine Internetseite, die einen Überblick über rechte Sprache, Symbole, Codes und Zeichen gibt.
Gestartet ist die Aktion „Cookie Courage“ am Freitag (27.5.) im Kaiserviertel. Dort liegt der erschreckende Anlass für den ungewöhnlichen Einsatz gegen rechtes Gedankengut.
Beliebtes Café im Kaiserviertel wird Ziel von Rechten
Am Robert-Koch-Platz ist das Café Rot zu einem zentralen Punkt des gastronomischen Lebens in diesem Innenstadt-Quartier geworden. Es ist beliebt bei Nachbarn und Kurzzeit-Gästen. Das wird am Freitag auf besondere Weise deutlich wird.
Die „Cookie Courage“-Aktion startet zeitgleich mit dem „Tag der Nachbarschaft“. Auf dem an diesem Tag ausnahmsweise autofreien Robert-Koch-Platz spielen Kinder rund um Hüpfburg, Pavillons und Liegestühle. Das Team des Café Rot übernimmt die Verpflegung.
Wenig deutet auf Probleme hin. Doch der Betrieb der Dortmunderin Selvi Aksünger steht offensichtlich im Blickfeld von radikalen Rechtsextremen. Das Café ist im Februar 2022 mit einem rechten Code „markiert“ worden.
„Wir haben es zuerst gar nicht so begriffen. Auch, weil ich mich überhaupt nicht in dem Schema solcher Menschen begreife“, sagt Selvi Aksünger über den Tag, an dem sie die Zahl 28 auf der Hausfassade entdeckte.

Die Zahl 28 wird von Rechtsextremen als Code für "Blood & Honour" verwendet. Hinter diesem Begriff verbergen sich NS-Ideologie und ein Netzwerk von häufig gewalttätigen Neonazis. © Felix Guth
Sie übermalte den Schriftzug. Doch kurz darauf war die 28 wieder da. Die Gastronomin holte sich Hilfe und ließ sich aufklären. Sie stieß darauf, dass die Zahl ein Code innerhalb der rechten Szene ist, mit dem politische Gegner oder als migrantisch gelesene Personen markiert und eingeschüchtert werden.
Zahl an der Hausfassade steht für rechtextremes Netzwerk
Die zwei Ziffern stehen für die Buchstaben „B“ und „H“ im Alphabet, die Abkürzung für „Blood & Honour“ („Blut & Ehre“). Dies ist ein Bezug auf einen Leitspruch der Hitlerjugend. Mit dem Namen bezeichnet sich auch ein Netzwerk, das enge Verbindungen zur Combat 18-Gruppierung hat.
Diese Gruppierung ist 2020 vom Bundesinnenministerium verboten worden. Es gibt eine Reihe von Verbindungen nach Dortmund. Personen aus dem Combat 18-Umfeld waren auch in die Organisation der Mordserie des NSU verwickelt.
Nach dem zweiten Mal ließ Selvi Aksünger die Markierung stehen und begab sich in den Austausch mit Freunden sowie Menschen aus Politik und Verwaltung. Ihre Erkenntnis aus der unterschwelligen Bedrohung: „Wir müssen definitiv mehr gegen so etwas tun und Aufklärung leisten, um den Leuten zu zeigen, wo der richtige Weg ist.“
So entstand das Keks-Projekt, das durch den Verein „Kermit“ organisiert und von der städtischen Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie unterstützt wird.
Datenbank für rechte Codes
„Es geht darum eine Datenbank aufzubauen, die rechte Codes, rechte Sprache und Symbole zusammenfasst und einfach zugänglich macht“, sagt Marek Kirschniok von „Kermit“. Betroffene könnten so schnell nachschlagen, was eine Zahl oder ein Symbol bedeutet, damit sie wissen, ob sie sich Sorgen machen müssen.
Gastronomen werden laut Kirschniok immer wieder Ziel solcher „Markierungen“ Im November 2020 war ein Restaurant, das Betreiber jüdischen Glaubens hat, mit Hakenkreuzen beschmiert worden. Täter konnten nicht ermittelt werden.
„Wir möchten außerdem einen zivilgesellschaftlichen Dialog anstoßen, darüber dass Gastrobetriebe zivile Orte sind, die frei von rechtem Gedankengut, Sprache oder Symbolen sein müssen.“
Rund 6000 Kekse wurden in Dortmunder Bäckereien wie Vorwerk gebacken – ein großer logistischer Aufwand, berichtet Marek Paul Kirschniok vom Verein „Kermit“. Sie werden nun in Clubs, Kneipen, Restaurants und anderen Betrieben ausgegeben.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
