Anfang 2021 sind die ersten Mieter und Mieterinnen in das frisch fertiggestellte Berswordt-Carrée an der Wittekindstraße eingezogen. In einem Großprojekt wurden dort hunderte moderne Wohnungen geschaffen. Keine zwei Jahre später gehen wieder die Handwerker ein und aus, und mehrere Mieter wollen weg vom vermeintlichen innerstädtischen Wohntraum.
Seit Monaten gibt es in dem Komplex immer wieder Wasserschäden. Fotos aus Wohnungen zeigen schwarzen Schimmel und aufgerissene Wände. Woher die auffallend ähnlichen Schäden in dem Neubau kommen, ist unklar.
Plötzlich Handwerker
Vanessa wohnt von Anfang an im Berswordt-Carrée: seit Februar 2021. Ende des Jahres habe sie zum ersten Mal bemerkt, dass eine Fuge im Badezimmer undicht war und habe das ihrer Vermieterin, dem Wohnungsunternehmen Vivawest gemeldet.
Im August 2022 habe sie dann einen Aushang im Haus bemerkt. Handwerker sollten kommen. „Ich wusste erstmal gar nicht, was los ist“, sagt sie. Auf Nachfrage habe sie erfahren, dass im Gebäude nach Wasserschäden gesucht werden sollte. Auch bei ihr im Bad wurde Feuchtigkeit festgestellt.

„Der Handwerker hat gesagt, das müsse getrocknet werden und er wisse nicht, ob das Bad dann noch genutzt werden kann“, sagt Vanessa. Mittlerweile weiß sie: Es kann, doch die Arbeiten bringen Einschränkungen mit sich. In Vanessas Badezimmer steht ein lautes Trocknungsgerät.
Auch nach mehreren Wochen, sei das Problem nicht gelöst. „Das Badezimmer wird nicht trocken, mittlerweile ist auch der Boden feucht“, so die Bewohnerin. Auch in anderen Wohnungen, erzählt Vanessa, finden gleichzeitig Handwerkerarbeiten statt: „Man ist immer im Lärm.“
Schlüsselfertig gekauft
Vanessas Wohnung ist eine von 222, die Vivawest im Berswordt-Carrée vermietet. Das Wohnungsunternehmen hat sie im November 2020 schlüsselfertig vom Hamburger Projektentwickler Revitalis gekauft. Vivawest war also für den Bau selbst nicht verantwortlich. Das macht die aktuelle Problemlage zusätzlich komplex.
Denn so kurze Zeit nach der Fertigstellung sind noch Revitalis beziehungsweise nachgeordnete Unternehmen als sogenannte Gewährleistungsgeber für die Behebung von Schäden zuständig. Um diese Gewährleistung nicht zu verlieren, darf Vivawest zudem nur eingeschränkt selbst im Haus aktiv werden. Gleichzeitig ist Vivawest allerdings die Ansprechpartnerin für Mieter und Mieterinnen.
Zumindest bei manchen Mietern stößt diese Konstellation auf Verständnis. „Keiner dreht Vivawest einen Strick daraus. Die haben das Haus ja nicht gebaut“, sagt Vanessa.
Raus aus der neuen Wohnung
Einige Monate nach Vanessa, im August 2021, ziehen Emma und Max ins Berswordt-Carrée. Auch sie haben kurz darauf Probleme an der Badewanne festgestellt. Auch bei ihnen wurde im Herbst 2022 Feuchtigkeit gefunden. Die Folgen blieben allerdings nicht auf das Badezimmer beschränkt.
Die Wand zum Schlafzimmer sei aus Gipskarton, sagen sie. „Da wurde dann auf einer Breite von zwei bis drei Metern schwarzer Schimmel entdeckt.“ Emma ist schwanger, für sie habe außer Frage gestanden, dass sie die Wohnung verlassen musste.
Schlechte Kommunikation
„Wir sind dann erstmal zu meinen Eltern gezogen. Weil der Arbeitsweg von dort aus zu weit ist, musste ich mir auch Urlaub nehmen“, sagt Emma. Ein Angebot für eine Unterbringung im Hotel habe es zunächst nicht gegeben. Erst nach zwei Wochen wird das Paar von Vivawest für anderthalb Wochen in einem Hotel untergebracht. Aktuell wohnen Emma und Max in einer anderen Wohnung im Berswordt-Carrée.

Über eine Entschädigung für die Zeit von rund einem Monat, in dem das Paar keine Wohnung im Berswordt-Carrée nutzen konnte, wolle Vivawest erst sprechen, wenn die Arbeiten in der Wohnung abgeschlossen seien. Die Miete haben sie auch in dieser Zeit unverändert weiter gezahlt.
Ein weiteres Beispiel für die aus Sicht von Emma und Max unzufriedenstellende Kommunikation mit Vivawest: Als schon klar war, dass es in der Wohnung schimmelt, haben sie vom Kundencenter eine bemerkenswerte Rückmeldung bekommen: „Die haben dann etwas schnippisch gesagt, sie würden sich schon melden, wenn etwas Gefährliches gefunden würde.“
Regelmäßiger Austausch
Vivawest betont, das Unternehmen stehe mit den betroffenen Mietern und Mieterinnen „in regelmäßigem und konstruktivem Austausch“ und könne den Unmut verstehen. Auch für Vivawest sei die Situation „äußerst unbefriedigend“.
Das Unternehmen sei bestrebt „die Unannehmlichkeiten so gering wie möglich zu halten, beziehungsweise die Mieter in den schwerwiegenden Fällen angemessen zu entschädigen“ und bemühe sich um kurzfristige Lösungen.
Loch in der Wand
Eine weitere Mieterin, die unerkannt bleiben will, schildert ähnliches wie Emma, Max und Vanessa. Erst im Februar 2022 sei sie ins Berswordt-Carrée gezogen, sagt sie. Zwei Monate später habe sie Wasserflecken im Flur entdeckt. Bis die Ursache gefunden worden sei, habe es zwei Wochen gedauert: „Es ging alles sehr schleppend voran.“
Handwerker haben schließlich einen Rohrbruch hinter dem Waschbecken gefunden. Dabei seien auch Fliesen abgeschlagen worden. „Ich höre, wie das Wasser durch die Rohre läuft“, sagt die Mieterin.

Anfang September sei schließlich das Rohr ausgetauscht worden. Nur: Da, wo im Flur der Wasserfleck war, sei nun Schimmel und breite sich in Richtung der Wohnküche aus.
Längere Wartezeiten
Aufträge an Handwerker vergibt ebenfalls nicht Vivawest - eine weitere Folge der Dreierkonstellation mit Revitalis und deren nachgeordneten Unternehmen. „Für die Behebung der Schäden ist der Projektentwickler sowie der von ihm beauftragte Generalunternehmer mit seinen Nachunternehmern als Gewährleistungsgeber zuständig. Vivawest als Vermieterin meldet die Schäden dem Gewährleistungsgeber, sobald wir davon durch unsere Mieter erfahren.“ Für die Terminplanung arbeite Vivawest eng mit dem Gewährleistungsgeber zusammen.
Dass es zu längeren Wartezeiten kommen kann, hängt laut Vivawest unter anderem mit der angespannten Lage bei der Verfügbarkeit von Ersatzteilen zusammen. Auch seien Termine mit Handwerkern aktuell schwer zu bekommen. „Trotz dieser Situation bemühen wir uns, unseren Mietern schnellstmöglich zu helfen und sie jederzeit so gut wie möglich zu informieren.“
Beschädigter Wohntraum
Als das Berswordt-Carrée mit der Hamburger Revitalis AG als Projektentwickler gebaut wurde, war es der größte Wohnungsneubau Dortmunds. Revitalis hat ein Bild des Komplexes prominent auf der eigenen Website platziert. Auch andere am Bau beteiligte Unternehmen werben mit dem Berswordt-Carrée.
Doch zu Fragen, unter anderem zum Bau des Berswordt-Carrées, will sich der Projektentwickler, der in Dortmund eine Niederlassung am Phoenix-See unterhält, nicht äußern. Revitalis verweist darauf, dass das Unternehmen die Immobilie im Dezember 2020 an Vivawest übergeben hat.
Jeder Firma müsse das Recht zugestanden werden, die angezeigten Mängel in einer bestimmten Frist zu beheben, so Vivawest. „An diesem Punkt stehen wir derzeit im Berswordt-Carrée. Dazu und zur Vereinbarung einer langfristigen Lösung befinden wir uns im Austausch.“
Stichproben-Kontrollen
Darüber hinaus ergreife Vivawest „im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten“ auch selbst Maßnahmen. „So wird in den kommenden Wochen eine sogenannte Sichtprüfung stattfinden, bei der ein von Vivawest beauftragtes Spezialunternehmen stichprobenartig Wohnungen – und hier vor allem die Badezimmer – in Augenschein nehmen wird, um mögliche Ursachen für die wiederholt auftretenden Probleme zu identifizieren.“
Diese zu finden, dürfte auch für die Zukunft der gesamten Immobilie entscheidend sein: Für Vanessa war der Einzug ins Carrée eigentlich eine „langfristige Lösung“. Nun sucht sie, wie auch die weiteren in diesem Text genannten Mieter und Mieterinnen, nach einer neuen Wohnung.
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