Michael Kruska aus Dortmund flog für die WM nach Katar „Man bekommt erst eine Ahnung, wenn man hinfährt“

Michael Kruska war bei WM in Katar: Dortmunder berichtet von Eindrücken
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Es ist Mittwoch, der 23. November 2022. Deutschland spielt bei der ersten Winter-Weltmeisterschaft in der Gruppe E gegen Japan. Der Dortmunder Michael Kruska ist im Stadion dabei, als die DFB-Auswahl im ersten Gruppenspiel eine knappe Führung aus der Hand gibt und am Ende mit eins zu zwei als Verlierer vom Platz geht.

Kruska ist seit 2006 Mitglied im DFB-Fanclub, war bereits bei den Weltmeisterschaften 2014 in Brasilien sowie 2018 in Russland dabei – und ist nun eben auch zum Turnier nach Katar geflogen.

Untergekommen ist der 55-Jährige im DFB-Fancamp. Das befindet sich allerdings nicht in Katar selbst, sondern in Dubai. Der Grund: „Die Hotels in Katar sind begrenzt, die Infrastruktur noch nicht so gut ausgebaut“, erzählt der 55-Jährige. Teilweise hätten Fans sogar auf Kreuzfahrtschiffen übernachtet, weil es nicht genug Unterkünfte gibt.

Heißt aber auch: Um zu den Spielen zu kommen, muss der Dortmunder ins Flugzeug steigen. Zur Kritik, dass dies klimaschädlich sei, sagt er: „Unter Klimagesichtspunkten ist das besser als zum Beispiel bei der WM in Brasilien und als das, was bei der nächsten WM droht.“

Distanzen bei WM 2026 größer

Die Distanzen zwischen den Spielen seien, vor allem bei der nächsten WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko, deutlich größer. Zudem sei dann die Zahl der Teams auch noch von 32 auf 48 aufgestockt worden. Bedeutet: Mehr Spiele, mehr Distanzen.

Darüber hinaus würden die Flüge laut Kruska auch nur einen Bruchteil von dem ausmachen, was letztlich alles klimaschädlich sei. Beispiele: Neben künstlich geschaffenen Oasen in der Wüste werden in Katar beispielsweise auch die Stadien klimatisiert. Unter den Sitzplätzen seien Düsen installiert gewesen, man habe sogar kalte Füße bekommen. „In den Stadien war es nicht wärmer als 20 Grad, die Energie kommt dafür aus fossilen Brennstoffen“, berichtet Kruska.

Doch in der Kritik steht die WM in Katar nicht nur wegen des Klimas, sondern auch wegen anderer Aspekte: Menschenrechtsverletzungen, gestorbene Gastarbeiter, das Verbot von Homosexualität.

Keine Anfeindungen vorab

Auch Kruska sagt: „Wir sind ja nicht völlig unvorbelastet dahingefahren. „Im Vorfeld angefeindet worden, weil er zur WM nach Katar fährt, sei er nicht. „Ich habe zwar ein paar Nachfragen wegen der politischen Dinge bekommen, aber keiner hat gesagt, dass das moralisch verwerflich ist.“

Nach dem ersten Deutschlandspiel habe er dann auch gemerkt: „Niemand will es geguckt haben, aber alle hatten eine Meinung.“ Er glaubt, dass wenn Deutschland weiterkommt, die Fernsehquoten weiter steigen werden.

Die ersten Eindrücke vor Ort waren dann aber positiv: Am Flughafen war alles professionell, es lief super schnell, berichtet Kruska. Es habe genug Shuttles zu den Stadien gegeben und auch Polizeikräfte seien seines Erachtens nur im notwendigen Maße vorhanden gewesen. Eine Situation, in der er sich etwa bedroht gefühlt habe, gab es die ganze Reise über nicht.

In Dubai sei er dann mit zwei Deutschen ins Gespräch gekommen, die dort wohnen und von denen einer eine Personalagentur betreibt – die wiederum „verleiht“ Arbeiter nach Katar.

Ihn spricht Kruska dann auch auf das Thema „Sklavenhandel“ an. Der deutsche Auswanderer habe erzählt, dass es dies „in dem Sinne“ nicht gebe, generell auch schwieriger werde und man sich nach Gesetzen richten müsse. Mindestlohn sei eine neue Errungenschaft, und auch, dass es etwa Ansprechpartner für Arbeiter gebe – das sei erst seit den vergangenen Jahren der Fall.

Ein Bild vor Ort machen

Zu den Kritikpunkten an Katar sagt Kruska: „Man weiß, das ist nicht richtig, sagt es dann auch, aber man hat eigentlich keine Ahnung. Die bekommt man erst, wenn man hinfährt.“ Für den Moment sei er dann auch positiv überrascht gewesen: „Die Leute wollten helfen und haben nicht so gewirkt, als würden sie unter Druck stehen.“

Die Stimmung der Arbeitenden vor Ort sei gut gewesen. Kruska betont aber auch: „Ich schließe damit nicht aus, dass es Sklavenhandel in Katar gibt“ – er ergänzt, dass er es alles nicht so unkritisch sehe wie etwa Franz Beckenbauer, der 2013 in einem Interview sagte, er habe noch keine Sklaven in Katar gesehen, obwohl er schon häufiger da gewesen sei.

Michael Kruska hat ein Selfie mit einer Japanerin gemacht. Beide tragen Fankleidung.
Michael Kruska ist auf seiner Reise mit vielen Fans unterschiedlicher Nationen ins Gespräch gekommen, wie hier mit einer Frau aus Japan © privat

Das Thema Regenbogenbinde habe man nur beiläufig mitbekommen: Man sei viel unterwegs gewesen, habe nur das gelesen, was direkt aufs Handy gekommen sei. Generell sagt er, er hätte es mehr mit Kommunikation versucht. „Kann man Dinge nicht vielleicht eher im Dialog regeln und nicht im Sinne von Zeichen setzen?“ Kruska findet, diese seien letztlich nur dafür da, um nach außen zu wirken.

Gleiches Ziel, gleiche Interessen

Für Kruska ist Fußball generell mehr als nur Sport: „Fußball ist für mich ein Beitrag zur Völkerverständigung“, sagt er. Ob in Brasilien, Russland oder Katar – die Leute kommen laut des Dortmunders mit dem gleichen Ziel, dem gleichen Interesse zum gleichen Spiel. Man komme so viel besser mit den Menschen anderer Nationen ins Gespräch.

„Es gibt nicht so viel Rivalität wie beim Vereinsfußball“, sagt der 55-Jährige. Und so sei es auch nicht schlimm, dass im Fanclub Sektion Ruhrgebiet Ost Fans verschiedener Vereine, ob nun von Bochum, Bayern oder dem BVB, zusammengekommen. „Wir sind eine eingeschworene Truppe“.

Mitglieder des DFB-Fanclubs stehen am Abend vor einem Stadion in Katar.
Beim DFB-Fanclub ist man eine eingeschworene Truppe. © privat

Die Stimmung im Fancamp sei dementsprechend auch gut gewesen. Berichte darüber, dass die Stimmung in den Stadien bei der WM so schlecht sei, kann er nicht verstehen. Er sagt aber auch: „Man musste schon viel selbst Stimmung machen, da es viele gab, die in DFB-Trikots steckten, aber nicht deutsch waren.“

Mit ihnen sei er dann auch ins Gespräch gekommen. Sein Eindruck: „Da gibt es viele Fußballfans, aber die sind nicht Fan ihres eigenen Landes. Deutschland und Brasilien sind besonders beliebt.“ Beim Japan-Spiel hätten sich diese Fans dann auch über das Ergebnis aufgeregt, richtig mitgefiebert. Dass diejenigen, mit denen er gesprochen hat, möglicherweise gekauft gewesen seien, glaubt er nicht.

Nach acht Tagen geht's zurück

Insgesamt hat sich der Dortmunder vier Spiele in Katar angeschaut: Deutschland gegen Japan, Schweiz gegen Kamerum, Costa Rica gegen Japan und zum Abschluss das Deutschland-Spiel gegen Spanien. Nach acht Tagen vor Ort ging es nach dem letzten Spiel für Kruska dann auch wieder nach Hause. Während seiner Zeit dort hat er auch noch zwei Ausflüge gemacht, einmal in Dubai, einmal in die Wüste.

Michael Kruska steht in der Wüste.
Mit einem Ausflug ging es für Michael Kruska einen Tag auch in die Wüste. © privat

Insgesamt ist er mit der Reise, für die er rund 2600 Euro bezahlt hat, zufrieden: „Das ist ja eine Art Realitätsflucht. Es tritt ein gutes Gefühl ein. Ich kann nur ein positives Fazit ziehen.“ Er finde es besser, sich distanziert ein eigenes Bild zu machen als vorab ein Urteil zu fällen, mit dem, was man liest.

„Man setzt sich kritisch damit auseinander, aber dass man nicht hinfährt, steht nicht zur Diskussion. Da fährt man als Fan dann auch hin“, sagt er. Seit der Europameisterschaft 2008 macht er das mit dem Fanclub, hat nur die WM in Südafrika verpasst.

Ein Highlight für ihn war das mediale Interesse vor Ort, ob im Fancamp, im Stadion oder auf dem Weg dorthin. „Ein Erlebnis“, sagt er. Ein weiteres Highlight: Der Kontakt mit Fans vieler verschiedener Nationen: „Man kann sich toll mit Gegnern verbrüdern“.

Ein TV-Team interviewt den Dortmunder Michael Kruska bei der WM in Katar.
Das mediale Interesse vor Ort war für Michael Kruska ein Erlebnis, sagt er. © Privat

Das letzte Gruppenspiel der DFB-Auswahl gegen Costa-Rica hat er nun Zuhause mit einem Kumpel aus Block 14 geschaut – der befindet sich auf der Südtribüne im Signal-Iduna-Park. Denn Kruska ist nicht nur im DFB-Fanclub, sondern hat auch eine Dauerkarte für den BVB.

Kommt Deutschland weiter?

Zum Finale in Gruppe E sagte er: „Ich gehe davon aus, dass die Deutschen gewinnen. 3 zu 1 für Deutschland.“ Seine Hoffnung war mindestens das Viertelfinale für die DFB-Auswahl. Deutschland gewann am Donnerstagabend zwar mit 4 zu 2 gegen Costa Rica – weil Spanien aber gegen Japan verlor, ist die DFB-Auswahl bereits in der Vorrunde ausgeschieden.

Sein Weltmeister-Tipp: Entweder macht's Frankreich oder Brasilien. Für letztere Nation spricht laut Kruska, dass sie den Support von den Einheimischen vor Ort in Katar haben.

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