Geschäftsführer Martin Struck verlässt nach 32 Jahren die Genossenschaft der Dortmunder Friedhofsgärtner und geht in den Ruhestand, was bei dem 64-Jährigen ein Unruhestand wird.

© Gaby Kolle

Martin Struck hat seit zehn Jahren seinen eigenen Sarg im Büro stehen

rnFriedhofsgärtner

Schwarzer Humor gehört in der Branche zum Beruf: Nach über 30 Jahren nimmt der Geschäftsführer der Genossenschaft der Dortmunder Friedhofsgärtner Abschied vom Berufsleben.

Dortmund

, 13.07.2020, 15:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Branche rund um den Tod ist bekannt für ihren schwarzen Humor. Am Donnerstag, 16. Juli, nimmt die Genossenschaft der Dortmunder Friedhofsgärtner „in Dankbarkeit“ Abschied von ihrem Geschäftsführer Martin Struck. An seinem Sarg werden sie die Gläser erheben. So steht es auf der Einladungskarte – und der Sarg im Büro von Martin Struck.

Doch noch verabschiedet sich Struck nicht, um eine Etage tiefer zu ziehen, sondern wechselt bei bester Gesundheit in den Unruhestand – nach 32 Genossenschafts-Jahren. „Nur mit meiner Frau bin ich länger zusammen“, sagt der 64-jährige Baumschulmeister.

Der Sarg steht tatsächlich seit rund zehn Jahren in seinem Büro, dient zurzeit noch als Regal für Strucks Spielzeugautos, soll aber tatsächlich mal seine letzte Ruhestätte werden. Das Ulmenholz, aus dem er gefertigt ist, wurde vor 40 Jahren in der Brackeler Kommende geschlagen.

Ehefrau gefallen die Beschläge nicht

Von einem „begnadetem Tischler“, so Struck, der aus dem Holz Tischchen für die Genossenschaft geschreinert hatte, ließ er sich aus den Resten den Sarg zimmern. Auch wenn seiner Frau die Beschläge nicht gefallen, „den nehme ich jetzt mit nach Hause.“ Eine höchst praktische Art der Vorsorge. „Wir predigen ja immer, die Leute sollen Vorsorge betreiben“, sagt er schmunzelnd.

Seine Grabstätte hat er schon auf einem katholischen Friedhof in Unna-Hemmerde ausgesucht, dort, wo er wohnt. „Meine Frau und ich gehen mit Sicherheit nicht ins Feuer, das ist uns zu heiß.“

Wer jeden Tag mit Tod und Trauer konfrontiert ist, braucht ein Ventil. Drei mal zehn Jahre Friedhofsgärtner an der Spitze der Genossenschaftsverwaltung – da kommt schon was an Leid und Mitgefühl zusammen. „Im Team fängt der eine den anderen auf“, berichtet Struck.

Friedhof wird immer mehr zum Naturraum

30 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zählt das Team, früher waren es mal über 50. „Wir bilden Friedhofsgärtner, Bestatter und Bürokaufleute aus“, erläutert er, „auch meine Nachfolgerin hat bei uns gelernt.“

Struck will nicht gehen, ohne zurückzublicken. Die Zeiten haben sich geändert, nicht nur, was die Mitarbeiterzahl betrifft. Auf dem Friedhof sind die grünen Themen immer wichtiger geworden. Der Gottesacker wird immer mehr zum Naturraum und zur Erholungsfläche nicht nur für Trauernde.

Struck auf dem Hauptfriedhof vor einer Trauerstätte, die jemand auf dem anonymen Grabfeld angelegt hat.

Struck auf dem Hauptfriedhof vor einer Trauerstätte, die jemand auf dem anonymen Grabfeld angelegt hat. © Gaby Kolle

Hier sei die Nachhaltigkeit schon vor Jahren in weiten Teilen eingezogen, sagt Struck, angefangen bei der Wahl des Baumbestands über die Förderung verschiedener Tierarten bis zur Verbannung von Pflanzenschutzmitteln. Den Rasen auf dem Tierfriedhof beweiden Schafe, Imker stellen ihre Bienenstöcke auf eingesäte Blumenwiesen. Und auch die Gräber selbst werden bienenfreundlicher. „Im nächsten oder übernächsten Jahr werden wir mehr dazu anbieten.“

Kaffee und Streuselkuchen nach Insektenbeisetzung

Den Umgang mit dem Tod bringt die Friedhofsgärtnergenossenschaft schon den ganz Kleinen bei mit ihrem Projekt www.erinnerungsgarten.com. In Kindergärten haben die Friedhofsgärtner mit pädagogischer Hilfe und in Begleitung von Eltern Insektenfriedhöfe angelegt, die Tierchen in Schächtelchen beigesetzt. „Die sollten tote Insekten suchen und nicht erschlagen“, stellt Struck klar. Zum Schluss gibt‘s Kaffee und Streuselkuchen.

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Martin Struck ist auch Untergrundkämpfer. Baum-Guerilla. „Ich pflanze Bäume, wo noch keine stehen“, sagt der hagere Mann. „Walnüsse, Pappeln, Eichen und Säuleneichen pflanze ich auf Wegekreuze, damit man sieht, wo der Weg abbiegt.“ Insgesamt rund 300 Bäume, einige davon wachsen in Dortmund. Er macht das nicht erst seit gestern. Der älteste Baum, ein Johannisbrotbaum, ist schon 30 Jahre alt. „Man muss ziemlich früh anfangen, wenn man etwas erreichen will.“

Umzug in den Neubau

In dieser Woche (7.7.) ist die Geschäftsstelle in ihren Neubau gezogen, direkt gegenüber vom Eingang des Dortmunder Hauptfriedhofs. Noch stehen einige Räume leer, auch der Sarg steht noch im Lager, bevor er für die Abschiedsfeier noch einmal im Büro Platz findet.

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Wenn er dort am 16. Juli seinen Abschiedstrunk genommen hat, warten neue Aufgaben auf den sportlichen Mann, der sich seit ein paar Jahren mit Walken, Joggen und Yoga fit hält. Statt Auto nimmt er das Fahrrad und den Zug. Seinen alten Dienstwagen, einen Golf-Diesel, hat er vor sechs Jahren abgegeben. Der hatte 475.000 Kilometer auf dem Tacho, 4,8 Liter Spitzenverbrauch. „Ich bin ein Oldtimer-Fritze“, sagt er. Und ein grüner Naturfreund, nicht nur auf dem Friedhof.

In Unna-Hemmerde hat er einen Dorfgarten auf dem Gelände der katholischen Kirche eröffnet. Darin erklärt Struck auf 2000 Quadratmetern Kindern die Natur. Sieben Bienenvölker laben sich dort an den bienenfreundlichen Gehölzen, Stauden und mehrjährigen Pflanzen. In fünf bis sieben Jahren soll der Garten fertig sein. „Und wenn der Dorfgarten an Beschäftigung nicht ausreicht“, sagt er, „verkaufe ich Lastenräder“.