AfD-Politiker starteten Kampagne gegen LWL-Museum Zeche Zollern Sie sitzen selbst im LWL-Parlament

Ausgerechnet AfD-Politiker aus dem LWL-Parlament starteten den Shitstorm
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Seit Ende August bekommen die Mitarbeitenden des LWL-Museums Zeche Zollern Drohungen. Grund dafür war ein Video, in dem zwei Personen Einlassregeln für eine Ausstellung zum Thema Kolonialismus kritisieren. Die Regel: Samstags von 10 bis 14 Uhr sei die Ausstellung für BIPoC-Personen (Schwarze, Indigene, Nicht-Weiße) reserviert, als so genannter „Safer Space“ - also als Ort, an dem Angehörige von Minderheiten unter sich bleiben. Später stellte das Museum klar, dass es sich nur um eine Bitte handele.

Dennoch: Der Shitstorm war da. Auf Social Media hieß es, die Regel sei Rassismus gegen Weiße.

Der Vorwurf kommt, wie sich nun herausstellt, von AfD-Politikern der Landschaftsversammlung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) - und somit von Abgeordneten sozusagen des „Parlaments“ eben jenes Verbandes, der selbst das Museum Zeche Zollern betreibt.

In die besagte Versammlung werden Politikerinnen und Politiker aller Kreistage und Räte der kreisfreien Städte entsandt. Die Parteien sind so vertreten, wie sie prozentual bei den Kommunalwahlen abgeschnitten haben. Innerhalb des Parlamentes und der gewählten Ausschüsse entscheiden sie über Projekte des LWL.

Jan Preuß ist Fraktionsvorsitzender der AfD-Ratsfraktion aus Gelsenkirchen. Zusammen mit Wolfgang Seitz, AfD-Politiker aus Dortmund und Gründer des der Querdenker-Szene nahestehenden Senders Antenne Frei, drehte er das Video, das kurz darauf vielfach geteilt wurde. Beide sitzen im Kulturausschuss der Landschaftsversammlung - und sind damit nah dran an den LWL-Museen des Verbands.

Politiker mit versteckter Kamera

Zu erkennen gegeben haben sich beide beim Filmen an Zeche Zollern nicht, bestätigt Jan Preuß im Gespräch mit unserer Redaktion. „Das hätte auch den Zweck des Versuchs, ob wir hineinkommen, zunichtegemacht“, sagt er.

Dass die beiden ihren Versuch und dabei auch die Mitarbeitenden des Museums filmten, rechtfertigt er wie folgt: „Unsere Politik bekommt nicht immer das mediale Echo, das wir gerne hätten. Wenn große Medien sie aufgreifen, dann negativ. Da sind wir auf alternative Medien angewiesen und haben uns entschieden, das direkt mit aufzuzeichnen.“

Das Ganze habe ein Test sein sollen, sagt Preuß. Man habe überprüfen wollen, ob Weiße wirklich nicht ins Museum kämen.

Dieser Versuch kam ziemlich spät: Die Safer-Space-Regelung am Museum existiert seit März 2023. Warum also erst jetzt?

Preuß sagt dazu: „Ein Brief eines Familienvaters machte uns darauf aufmerksam. Er wollte an einem Samstag mit seinen Kindern in die Ausstellung und wurde abgewiesen. Er wandte sich an die AfD-Ratsfraktion in Dortmund und damit an Wolfgang Seitz.“

Der Brief liegt der Redaktion vor. Aus dem Schreiben geht nicht hervor, was genau vor Ort vorgefallen ist. Es heißt darin aber, die Familie habe die Ausstellung nicht besuchen dürfen. Dem widerspricht auf Nachfrage unserer Redaktion das Museum: Die gängige Praxis der Museumsaufsichten sei gewesen und sei es immer noch, weiße Besucher während des „Safer Spaces“ „freundlich“ auf die Regelung hinzuweisen. „Aber wer trotzdem unbedingt rein will, kann das“, so Museumssprecherin Christiane Spänhoff.

Seitz habe sich kurz nach Erhalt des Briefes an seinen Stellvertreter im Kulturausschuss der LWL-Versammlung gewandt - eben an Jan Preuß. Und habe das Video für seinen Radiosender gedreht, der in seiner Gründungszeit mit Kritik an den damals geltenden Coronaregeln von sich hören ließ.

Im Widerspruch mit der Wissenschaft

Die beiden hätten durch die Arbeit im Kulturausschuss schon 2022 erfahren, dass das Thema Kolonialismus in LWL-Museen aufgegriffen werden soll. „Von Safer Spaces erfuhren wir erst durch den Familienvater“, sagt Preuß.

Diese bezeichnet er als rassistisch: „Wenn Sie aufgrund Ihrer Hautfarbe irgendwo nicht hineinkommen, ist das Rassismus.“ Rassismusforscher widersprechen dieser Verwendung des Begriffs: Rassismus gegen Weiße gebe es nicht, der Begriff sei historisch gesehen falsch, da er die Diskriminierung nicht-weißer Menschen in Minderheiten bezeichne.

Der Extremismusforscher Dierk Borstel von der FH Dortmund spricht im Zusammenhang mit der Verwendung des Begriffs von einer sogenannten Täter-Opfer-Umkehr: „Das funktioniert ganz einfach: Man nimmt Begriffe, die einem selbst entgegengeworfen werden, und benutzt sie für die Gegenseite“, sagt Borstel. „So bezeichnen sich zum Beispiel AfD-Politiker manchmal als die wahren Demokraten und alle anderen als undemokratisch. Oder Rassisten bezeichnen den Kampf gegen Rassismus eben als rassistisch.“

AfD-Politiker Preuß sieht das anders: Er lasse sich nicht wegen seiner Hautfarbe diskriminieren, betont er. Er habe sogar Anzeige wegen der Safer-Space-Regeln erstattet.

Dass es sich, wie vom Museum dargestellt, lediglich um eine Bitte handele, dass weiße Menschen draußen bleiben mögen, bezeichnet Preuß als Lüge.

Auf der Internetseite des Museums habe die Formulierung gestanden: „Warum ist der Safer Space nicht für weiße Personen geöffnet“. Das sei später von der Seite entfernt worden. Zum Beweis leitet er einen Link zu einer archivierten Website-Version weiter. Dieser hat jedoch bis Donnerstag, 7.9. 10.50 über diverse Webbrowser nicht funktioniert, als wir ihn in der Redaktion aufrufen wollten, um die Aussage zu verifizieren. Nach erneutem Hinweis von Preuß, öffneten wir den Link über einen Smartphone-Browser. Dort funktionierte er.

Der Link: https://archive.ph/2023.08.30-151812/https://zeche-zollern.lwl.org/de/ausstellungen/das-ist-kolonial/safer-space/. Der Archivseite nach stand am 30. August um 15 Uhr noch auf der erklärenden Unterseite des LWL zu Safer Spaces die Überschrift: „Warum ist der Safer Space nicht für Weiße geöffnet?“. Auf der aktuellen Website des LWL-Museums gibt es diesen Hinweis nicht mehr.

Mögliche Konsequenzen

Georg Lunemann, Direktor des LWL, kommentiert die Aktion der beiden Ausschussmitglieder wie folgt: „Die Mitarbeitenden, die ungefragt Teil einer Inszenierung wurden, bei der man sie gefilmt hat, um das Material dann ausschnitthaft im Internet zu veröffentlichen, werden ermutigt, sich mit rechtlichen Mitteln zu wehren, wenn sie sich unfair von Besucherinnen oder Besuchern behandelt fühlen.“

Es sei am LWL-Parlament selbst, das Verhalten der beiden Abgeordneten politisch zu bewerten, so Lunemann.

Das taten am Mittwochnachmittag die drei größten Fraktionen der Landschaftsversammlung in einer gemeinsamen Pressemitteilung. CDU, SPD und Grüne stellten sich vorbehaltlos hinter den „Safer Space“ - und kritisierten die Aktion der AfD-Politiker deutlich: „Es ist bedauerlich, dass dieses Experiment, das von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, dem Museumsverbund NRW und dem Deutschen Museumsbund ausdrücklich unterstützt wird, nun durch Mitglieder der AfD-Fraktion der Landschaftsversammlung diskreditiert wurde und wird.

Es sei „nicht hinnehmbar“, dass sie „Mitarbeiter des LWL-Museums Zeche Zollern heimlich und ohne deren Zustimmung gefilmt haben“. Das stelle eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte dar.

Bemängelt wird in der Presseerklärung, dass die AfD-Fraktion im LWL-Parlament in den Gremien des Verbandes keine inhaltliche Diskussion zur Ausstellungswerkstatt geführt habe: „Die Herangehensweise an das Thema und das Ausstellungskonzept waren Bestandteil der politischen Beratungen.“

Transparenzhinweis: Der Text wurde am 7.9. um 11.12 Uhr aktualisiert.

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