Lohnt sich in Dortmund der Umstieg auf Erdwärme? Dietwald Gruehn nutzt diese Energie seit 16 Jahren

Erdwärme – in Dortmund möglich, aber zum Heizen bislang wenig genutzt
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Prof. Dr. Dietwald Gruehn hat vor 17 Jahren die richtige Entscheidung getroffen. Der Massivhaus-Anbieter, mit dem er sein Einfamilienhaus in Dortmund-Eichlinghofen geplant und gebaut hat, bot ihm eine Heiz-Alternative zur traditionellen Gasheizung mit guter Dämmung: Erdwärme und zusätzliche Dämmung. Gruehn entschied sich für die zunächst teurere Erdwärme-Variante – und war damit 2006 noch so etwas wie ein Pionier.

Der Professor für Landschaftsökologie und Landschaftsplanung an der TU Dortmund hatte zu dieser Zeit noch ein hübsches Haus in Kirchhörde in der engeren Wahl. 50er-Jahre Bau, 220 Quadratmeter. Mit Gasheizung. „Ich habe mir die Gasrechnung zeigen lassen“, erzählt er, „die belief sich damals schon auf 500 Euro im Monat“. Die erste Heizrechnung für sein neues Haus (270 Quadratmeter) betrug monatlich 80 Euro.

Heizen und Habecks Gebäudeenergiegesetz (GEG) sind zurzeit ein heißes Thema. Öl und Gas sind teurer geworden. Beides sind fossile Energien und befeuern den Klimawandel. Deshalb setzen – auch das geplante GEG im Blick – immer mehr Hauseigentümer auf Wärmepumpen. Noch effizienter als Luftwärmepumpen gelten Erdwärmepumpen. Sie arbeiten mit erneuerbarer Energie aus dem Untergrund.

Immer 14 Grad warm

Dietwald Gruehn ließ drei Löcher auf seinem Grundstück bohren, 80 Meter tief. Egal ob Winter oder Sommer – „dort unten ist das Wasser konstant 14 Grad warm“, sagt er. Und Erdwärme ist immer vorhanden. Je tiefer man dabei bohrt, desto wärmer wird es. Laut Umweltbundesamt steigt in Deutschland die Temperatur in der Erdkruste um durchschnittlich 3 Grad Celsius pro 100 Meter Tiefe.

Eine Erdwärmeheizung arbeitet im Prinzip wie ein Kühlschrank - nur im umgekehrten Betrieb; denn auch jeder Kühlschrank enthält eine Wärmepumpe. Die Heizung entzieht dem Untergrund über ein geschlossenes Rohrsystem die Wärme, überträgt sie an eine Wärmepumpe, die die Temperatur dann soweit anhebt, dass man damit heizen kann.

In Dortmund gibt es laut Stadt 1.261 Anlagen. Etwa die Hälfte davon ist in den letzten zehn Jahren hinzugekommen. Alle oberflächennah mit einer Tiefe bis zu 200 Metern unter Gelände. Als oberflächennah gilt der Bereich bis zu 400 Meter Tiefe.

Mit Strom betrieben

Rund 85 Prozent dieser Anlagen stehen in Privathäusern. Für 16 weitere Anlagen liegen zurzeit Anträge zur weiteren Bearbeitung durch die Untere Wasserbehörde beim Umweltamt vor; denn für Erdwärmepumpen braucht man eine Genehmigung der Unteren Wasserbehörde, bevor man die Löcher für die Erdsonden bohren lässt. Eine andere Möglichkeit ist, Wärmetauscher (Kollektoren) – analog zu einer Fußbodenheizung – horizontal unter dem Grundstück in einer Tiefe bis zu zwei Metern zu verlegen.

Grundsätzlich sei in Dortmund die Errichtung einer erdgekoppelten Wärmepumpenanlage möglich, so die Stadt. Die Ergiebigkeit steige von Nord nach Süd. Allerdings braucht die Erdwärmepumpe für ihren Betrieb Strom, wenn auch nur etwa 20 Prozent der abgegebenen Wärmeenergie.

Doch bei den Stromkosten liegt der Hase im Pfeffer. „Dass DEW21 die Stromkosten immer wieder erhöht hat, ist völlig kontraproduktiv“, sagt Prof. Gruehn. Auch wenn sein Haus viel weniger Energie verbrauche und weniger CO₂ produziere im Vergleich zu gasbeheizten Häusern, komme das am Ende fast genauso teuer.

Konstanter Verbrauch

„Bei dieser Preisgestaltung lohnt sich der günstigere Energieverbrauch preislich nicht“, sagt der Wissenschaftler und belegt das anhand von Verbrauchskurven für andere Immobilien in seinem Besitz, die mit Öl oder Gas beheizt werden.

Trotz allem ist Gruehn zufrieden. Unabhängig von der Jahreszeit ist der Verbrauch konstant. 20.000 Euro inklusive der Bohrungen hat vor 16 Jahren die Erdwärmepumpe mehr gekostet als eine Gasheizung, die zusätzliche Dämmung eingeschlossen. Das habe sich bereits nach vier Jahren amortisiert, sagt er.

Heute schätzt der Bundesverband Wärmepumpen e.V. die Kosten für Kauf und Installation einer neuen 12 kW-Wärmepumpenanlage und die Anpassung des bestehenden Heizungssystems auf rund 35.000 Euro. Bei Neubauten rechnen Fachleute eher mit 20.000 bis 25.000 Euro. Dazu kommen die Kosten für die Bohrung. Zurzeit gibt es für den Tausch einer Gas- oder Ölheizung gegen eine Wärmepumpe bis zu 40 Prozent Förderung vom Bund.

Auch von der Stadt gefördert

Auch die Stadt Dortmund hat einen eigenen Fördermitteltopf eingerichtet und für 2022 mit 100.000 Euro gefüllt. Daraus wurden bisher 85.750 Euro bewilligt, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Auszahlungen seien noch nicht erfolgt, weitere Anträge lägen vor. Für das Jahr 2023 hat der Rat der Stadt die Fördermittel auf 300.000 Euro erhöht. „Derzeit wird überlegt, ob die Zuwendungen hälftig auf die 2023 und 2024 verteilt werden“, berichtet Stadtsprecherin Alexandra Schürmann.

Als Prof. Gruehn sein Haus gebaut hat, wurde gleichzeitig das Gebäude an der TU Dortmund saniert, in dem er lehrt. Er habe sich gewundert, sagt er, dass man dort nicht auch die neue Wärmetechnologie genutzt habe, zumal man wegen des Bergbaus im Ruhrgebiet ohnehin auch immer nach Stollen gucken müsse.

Auch der Dortmunder Geophysiker Prof. Dr. Horst Rüter, im Bundesverband Geothermie (BVG) für Forschung und Bildung zuständig, ist enttäuscht, dass es in Dortmund zu wenig Bestrebungen gebe, Erdwärme vor allem aus großer Tiefe zu nutzen. Im Ruhrgebiet sei die Nachnutzung alter Bergbauflächen besonders interessant, leichter als an anderen Stellen könne man hier heißes Wasser aus tieferen Bodenschichten gewinnen und große Bestandsimmobilien und ganze Siedlungen über Fernwärme mit Erdwärme versorgen, so der Wissenschaftler,

Wenig mitteltiefe Bohrungen

Als gutes Beispiel führt er Dortmunds Nachbarstadt Bochum an. Das Innovationsquartier Mark 51/7 auf der 70 Hektar großen Fläche des ehemaligen Opelwerks in Bochum-Laer soll schon ab 2024 mit Wärme und Kälte aus der Tiefe beliefert werden.

Der Dortmunder Geophysikers Prof. Dr. Horst Rüter.
Nach Meinung des Dortmunder Geophysikers Prof. Dr. Horst Rüter, Mitglied im Bundesverband für Geothermie, sollte Dortmund möglichst schnell die Tiefen-Geothermie als Energiequelle nutzen. © Bundesverband für Geothermie

Ähnlich wie in Bochum seien auch in Dortmund entsprechende geologische und bergbauliche Gegebenheiten grundsätzlich vorhanden, um warmes Grubenwasser an die Tagesoberfläche zu heben und dort mit Hilfe von Wärmetauschern die Wärme- aber auch Kühlungspotentiale zu nutzen, bestätigt die Stadt Dortmund.

Noch sei aber die Zahl der mitteltiefen Bohrungen zwischen 250 und 1000 Metern in Dortmund sehr gering. Dafür bedürfe es auch zum einen eines von der Bezirksregierung Arnsberg als Obere Bergbehörde verliehenen Nutzungsrechtes. „Viele der großflächigen ‚Claims‘ sind bereits vergeben, unter anderem an die RWE Power AG“, sagt Stadtsprecherin Schürmann. Zum anderen müsse der Untergrund die physikalischen, geologischen und technischen Voraussetzungen erfüllen.

Wärme aus Tiefen-Geothermie

Zumindest perspektivisch bindet DEW21 die Wärme aus Tiefen-Geothermie in ihren zurzeit entstehenden Transformationsplan für die Dortmunder Fernwärme ein, sagt Unternehmenssprecherin Jana-Larissa-Marx: „Die energetische Nutzbarkeit von Tiefen-Geothermie ist lokal sehr unterschiedlich, sodass zunächst sehr aufwendige Potenzialanalysen durch spezielle geologische Messungen erfolgen müssen.“

Prof. Rüter dauert das alles zu lange. Es sei alles gut und richtig, was die Stadt Dortmund und DEW21 anführten, doch in Bochum stünden die Ampeln auf Grün, in Duisburg gebe es zur Tiefen-Geothermie ganz konkrete Planungen. Von Dortmund dagegen sei von solch konkreten Vorhaben zumindest öffentlich nichts bekannt.

Prof. Dr. Dietwald Gruehn mit der Erdwärmepumpe in seinem Keller.
Prof. Dr. Dietwald Gruehn mit der Erdwärmepumpe in seinem Keller. © Kolle

Prof. Dietwald Gruehn hat schon vor 16 Jahren der heutigen Heizdebatte ein Schnippchen geschlagen und ist mit seiner Erdwärmepumpe „völlig zufrieden“. Auch wenn nach zwölf Jahren der Kompressor schlapp gemacht hat und für 8000 Euro ersetzt werden musste. Das war im Januar bei minus 10 Grad. „Das Haus ist trotzdem fünf Tage lang warm geblieben, und zwei Tage lang haben wir noch warmes Wasser gehabt.“

Einen Nachteil sieht er aber – mit Augenzwinkern: „Bei diesem niedrigen Energieverbrauch hat man kaum noch Einsparpotenzial, da der Energieverbrauch witterungsunabhängig sehr gering ist.“

  • Das Dienstleistungszentrum Energieeffizienz und Klimaschutz (DLZE) berät die Bürger individuell und bietet in Kooperation mit der VHS Veranstaltungen zum Thema „Geothermie - Varianten und Anforderungen der Erdwärmenutzung“ an.
  • Darüber hinaus steht interessierten Immobilienbesitzern auf der Internetseite die umfangreiche und informative Publikation „Erdwärmetechnik in Dortmund“ des Umweltamtes zur Verfügung.

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