
© Franziska Schroedinger
Lisa Eckhart im Interview: „Ich bin Humorist, kein Partisanenkämpfer“
Antisemitismus-Vorwürfe
Unperson oder begabte Kabarettistin? Lisa Eckhart polarisiert wie keine Zweite. Im Interview spricht sie über ihre aktuelle Situation und was die sozialen Medien damit zu tun haben.
Der Aufschrei war groß, als ein Auftritt in der WDR-Sendung „Mitternachtsspitzen der Kabarettistin Lisa Eckhart von 2018 wieder ans Licht kam. Die Österreicherin würde mit ihrem Programm antisemitisches und menschenverachtendes Gedankengut verbreiten, lauteten die Vorwürfe. Die Situation spitzte sich derart zu, dass die Veranstalter des Hamburger „Harbour Front Literaturfestivals“ Eckhart, die aus ihrem Debütroman „Omama“ lesen sollte, ausluden.
Kurze Zeit später wurde sie wieder eingeladen, da auch das Vorgehen der Veranstalter eine Welle der Empörung nach sich rief. Im November sollte die Österreicherin eigentlich in Dortmund auftreten. Im Gespräch mit der Redaktion schilderte Lisa Eckhart bereits vorab nun ihre Sicht der Dinge bezüglich des Shitstorms:
Lisa Eckhart sieht sich nicht als Einzelfall
Das Hin-und-Her beim „Harbour Front Literaturfestival“ ging durch sämtliche Medien. Können Sie diesen Aufschrei in irgendeiner Weise nachvollziehen?
Nur insofern, dass das Geschehene beileibe kein Einzelfall ist. So etwas in der Art kommt gefühlt an jeder Straßenecke vor. Ich kann mich da nicht so wichtig nehmen und sagen ich wäre mehr, als eine kleine Eiterpustel eines sehr weitläufigen Phänomens, bei dem man in jedem Halbsatz eines Humoristen eine menschenverachtende Kränkung ausmacht.
Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Kunst einfach nicht verstanden worden ist an diesem Punkt?
Das würde ja schon eine Art Versehen implizieren. Ich unterstelle meinen Zuschauern aber grundsätzlich, dass sie nicht so beschränkt sind, nicht genau zu wissen, was ich damals bei den vermeintlich „infamen“ Stellen gemeint habe.
Es kann passieren, dass manche heutzutage, wie Pawlowsche Hunde (Experiment zur Koordination von Hunden auf bestimmte Reize, Anm. der Red.) konditioniert, auf einzelne Reizworte reagieren und außerstande sind diese in einem Kontext zu sehen, wie jemand etwas gemeint hat. Es fallen Begriffe, und sie schnappen zu. Für Menschen, deren Leseverhalten durch Facebook und Twitter vollkommen versaut worden ist, ist das aber nicht ungewöhnlich.
Also stehen Sie den Sozialen Medien eher kritisch gegenüber?
Ich sehe sie in der Tat als sehr problematisch. Als sehr langsamer, gemütlicher Mensch bin ich erstaunt, wie schnell die Menschen auf diesen Plattformen ihre Meinungen formulieren. Zudem zielen diese Medien nicht auf Dialoge ab, sondern darauf, dass jeder vereinzelt seinen Individualismus zelebriert und seine gedanklichen Bäuerchen in die Welt hinausgrölt. Ich rate daher allen, die mir lieb sind, sich nicht in diese Kloake hineinzubegeben, weil diese einen nachweislich verändert und das nicht zum Guten…
Inwiefern?
Man wird meines Erachtens nicht nur aggressiver und nervöser, sondern erlangt auch einen egomanischen Konsumentenblick, der gewohnt ist, nur das zu sehen, was er bereits kennt. Dieses Verhalten ist Ausdruck einer vom Konsum verseuchten Welt, in der der Kunde – und wir sind maßgeblich Kunden und nicht mehr Bürger – denkt, er sei König. Und genauso überheblich benehmen sich die Menschen auch.

Mit ihrem Programm „Die Vorteile des Lasters“ war Eckhart bereits letztes Jahr beim Kabarettfestival „Ruhrhochdeutsch“ zu sehen. © Franziska Schroedinger
Und dann kommen Sie und halten den Spiegel vor…
Wohl eher einen Zerrspiegel. In einer Zeit der Selfies und der Selbstoptimierung sehnen sich die Menschen regelrecht, einen Spiegel vor sich zu haben. Da muss man ein bisschen raffinierter in der Satire agieren. Es gibt sehr viele moralische Satiriker, die eins zu eins einen Spiegel vorzeigen, und das gefällt den Leuten.
Es wird ihnen gezeigt, wie sie sich selbst und die Öffentlichkeit gerne sehen würden. Das führt jedoch nur zu einem selbstverliebten Schulterklopfen, wie erhaben man doch sei. Was als Rücksichtnahme und Toleranz bezeichnet wird, stellt sich oftmals nur als völlige Indifferenz und übersteigerter Individualismus dar.
Analog würden die Menschen erwachsener reagieren
Hat sich seit dem Shitstorm ihr Verhältnis zur Bühne verändert?
Es wäre für mich in der Tat sogar persönlich besser gewesen, wenn ich während des ersten großen Aufschreis hätte auftreten können. Denn man kann davon ausgehen, dass Menschen, die man in der analogen Welt trifft, durchweg zuckersüße Figuren sind. Das Garstige und Hässliche leben sie bevorzugt im digitalen Raum aus. Es wird sicherlich auch analog Menschen geben, die nichts mit mir anfangen können. Die machen aber das, was man von einem Erwachsenen erwarten darf: Sie gehen einfach kommentarlos oder höchstens kopfschüttelnd weiter.
Das derzeitige politische Klima „ist bedenklich“
Die Kritik in ihrem Heimatland Österreich ist weitaus kleiner ausgefallen, als hierzulande. Woran liegt das?
Ich glaube, wenn ich eine nur im österreichischen Raum tätige Künstlerin wäre, würde man in Österreich mehr und weitaus brachialer auf mich einschlagen. Hier ist es wohl die Eitelkeit des Österreichers, einem Landsmann zu Hilfe zu eilen, wenn die Deutschen ihn zerrupfen. Da weckt sich meiner Ansicht nach eine Art patriotische Solidarität von wegen „Unsere Künstler beschimpfen immer noch wir.“
Dennoch lassen Sie sich nicht unterkriegen?
Auf keinen Fall. Es ist aber schon amüsant, dass mir dieser Satz jetzt ständig in der Öffentlichkeit angetragen wird. Ich bin Humorist und kein Partisanenkämpfer, werde aber mit dem gleichen Pathos angesprochen. Das ist zwar herzallerliebst aber auch bedenklich, dass so ein politisches Klima zur Zeit herrscht.
Geboren in Dorsten, nach kurzem studienbedingten Besuch im Rheinland jetzt wieder in der Region. Hat Literatur- und Theaterwissenschaften studiert, findet aber, dass sich die wirklich interessanten Geschichten auf der Straße und nicht zwischen zwei Buchdeckeln finden lassen.
