Der Hund auf dem Bahnsteig, Frauchen im Zug – und die Leine klemmt in der Tür: Diese Horror-Situation ist Hündin Gina an einer U42-Haltestelle in Hombruch fast zum Verhängnis geworden.
Hündin Gina hat die ganze Geschichte wohl noch am Besten weggesteckt. Angst oder Schock ist dem Golden Retriever nicht anzumerken, dabei stand er doch im Mittelpunkt der Ereignisse. Wie der 24. Juli für Gina hätte ausgehen können, darüber will Frau S. gar nicht nachdenken, dass sie jedoch in großer Gefahr schwebte, ist klar.
S., die ihren Namen lieber nicht in den Medien lesen möchte, ist nicht Ginas eigentliches Frauchen, aber sie kümmert sich oft um die Hündin. So auch am 24. Juli, einem Dienstag.
An der Stadtbahn-Haltestelle Grotenbachstraße wollte sie mit Gina in die Bahn steigen, mit der U42 ein paar Stationen Richtung Grevel fahren. Mit Gina an der Leine betrat sie die Bahn. Doch die Tür ging zu, noch bevor die Hündin hinterher kommen konnte. Bevor S. realisierte, was gerade passierte, fuhr die Bahn an. Frau S. in der Bahn, Gina auf dem Bahnsteig, angeleint, die Hundeleine in der Tür eingeklemmt.
Die Bahn hält in letzter Sekunde
„Ich habe nur panisch in die Notsprechanlage geschrien“, erzählt S., „und dem Fahrer gesagt, er solle anhalten.“ Doch nichts passierte. Kurz bevor der Bahnsteig endete, Gina also nicht länger neben der Bahn hätte herlaufen können, zog ein anderer Gast die Notbremse. Gerade noch rechtzeitig. „Ich darf gar nicht darüber nachdenken, was hätte passieren können“, sagt ihr Teilzeit-Frauchen.
Und so stand S. da, wohlauf, aber unter Schock, in einem Bahnwaggon eingesperrt. Für die Fahrgäste tat sich dann erst mal ein paar Minuten lang gar nichts. Die Türen waren verschlossen, vom Fahrer war nichts zu hören.
„Die anderen Fahrgäste wurden schon langsam unruhig“, berichtet S. Eingesperrt in einer Stadtbahn, das hat zwangsläufig etwas Klaustrophobisches an sich. „Sollte die Tür in solchen Momenten nicht automatisch entriegelt werden?“, fragt sich S., „Was, wenn es brennt?“
„Wie hätte ich das Ginas Herrchen erklärt?“
Nach zehn Minuten kam dann der Fahrer in den Waggon, die Türen öffneten sich. Hund Gina und S. waren wieder vereint. „Gina hat sich einfach in den Gang gelegt und abgewartet“, erzählt S., „ich glaube nicht, dass Sie verstanden hat, was gerade passiert ist“. S. hingegen war völlig aufgelöst.
„Wie hätte ich das den Herrchen von Gina erklärt, wenn etwas passiert wäre?“ Verständnis oder Mitgefühl habe sie vom Fahrer aber keins bekommen. Auch keine Entschuldigung, als sie ihn fragte, ob er die Hündin beim Abfahren nicht im Rückspiegel gesehen habe. „Er hat nur gesagt, dass der Hund immer zuerst einsteigen sollte“, berichtet sie.
Ein Nothalt in letzter Sekunde, ein Hund in Gefahr, dann minutenlanges Warten auf eine Reaktion vom Fahrer. Aus Sicht Frau S. eine Zumutung von DSW21, den Dortmunder Verkehrsbetrieben.
Hat DSW21 nicht aus der Vergangenheit gelernt?
Weswegen sie sich kurz nach dem Vorfall beim DSW-Kundenservice beschwerte. Der Mitarbeiter dort habe aber wenig Verständnis für Ihre Schilderung gezeigt, berichtet sie.
Für S. ist der Vorfall ein Zeichen, dass DSW nichts aus dem Stadtbahnunglück 2015 in Brackel gelernt habe. Damals war ein Fußgänger unter die Linie U43 geraten und mehrere Minuten lang mitgeschleift worden. Der junge Mann erlag später seinen Verletzungen.
Wie das Gespräch zwischen S. und dem DSW-Mitarbeiter tatsächlich verlaufen ist, ist nicht ganz klar. Laut S. habe sie den Mitarbeiter gefragt: „Haben Menschen und Tiere, denen so was passiert, einfach Pech gehabt?“, worauf der Mitarbeiter geantwortet habe: „Ja, das muss ich wohl so sagen.“
Fahrer habe keinen Hund gesehen
Das weist die DSW-Pressestelle entschieden zurück. Sprecherin Britta Heydenbluth schreibt: „Der Kollege der Kundenresonanz hat Frau S. im Rahmen des Gesprächs geraten, künftig beim Einstieg mit Hunden besonders darauf zu achten, die Hunde eng bei sich zu halten. Eine Aussage wie ‚Pech gehabt.‘ oder Vergleichbares hat der im Übrigen sehr erfahrene Kollege nicht getroffen.“
Relativ gut rekonstruieren lässt sich hingegen, was am 24. Juli passiert ist: Offenbar gibt es aber zumindest für die lange Wartezeit auf den Fahrer eine ganz logische Erklärung. Die wird deutlich, als Pressesprecherin Heydenbluth den 24. Juli aus Sicht des Unternehmens schildert.
Demnach habe der Fahrer der Stadtbahn bei Abfahrt keinen Hund gesehen. Als dann die Notbremse gezogen wurde, habe sich der vordere Wagen bereits auf offener Strecke befunden, der hintere Wagen – in dem auch S. war – noch auf dem Bahnsteig.
DSW: Fahrer hat sich korrekt verhalten
Der Fahrer habe zunächst die DSW-Leitstelle kontaktiert. Heydenbluth schildert weiter: „Danach stieg er am vorderen Fahrzeug über das Gleisbett aus, um über den Bahnsteig zum hinteren Wagen zu gelangen.“ Er habe die Tür des zweiten Wagens von außen mit einem Schlüssel geöffnet „und konnte Frauchen und Hund wieder zusammenführen.“, so Heydenbluth.
Auf die Frage von S., warum sich die Türen bei einem Nothalt nicht öffnen lassen, schreibt die Pressesprecherin: „Ein Öffnen aller Türen durch den Fahrer wäre nur erlaubt gewesen, wenn sich beide Wagen am Bahnsteig befunden hätten, das war jedoch nicht der Fall. Im Fall eines Brandes hätten die Türen aber durch eine Notentriegelung von den Fahrgästen selbst geöffnet werden können.
Nach Freigabe durch die Leitstelle habe der Fahrer die Fahrt mit Verspätung fortgesetzt. Heydenbluth: „Unser Mitarbeiter hat sich hier korrekt und nach Anweisung verhalten.“
Sicherheit beim Ein- und Aussteigen
Heydenbluth erklärt auch einige allgemeine Dinge zur Sicherheit der Fahrgäste beim Ein- und Ausstieg: „Unsere Türen deuten durch akustische und optische Warnzeichen an, dass sie schließen“, sagt sie.
„Lichtschranken und Sensoren in den Türen reagieren auf Bewegungen und die Trittstufen zeigen dem Fahrer an, ob noch jemand im Türbereich steht.“ Selbstverständlich werfe der Fahrer auch mehrfach einen Blick in den Spiegel, bevor er losfahre.
Wenn die Wartezeit im geschlossenen Wagen auch unangenehm für S. und die anderen Fahrgästen war, entsprach sie offenbar dem, was DSW seinen Mitarbeitern in so einem Fall vorgibt – nicht zuletzt mit der Sicherheit der Fahrgäste im Sinn.
Dennoch bedauere man natürlich „den Schreck und den Ärger von Frau S. und sind froh, dass die Sache für sie und ihre Hunde ohne Schaden ausgegangen ist.“
In Lippstadt aufgewachsen, zum Studieren nach Hessen ausgeflogen, seit 2018 zurück in der (erweiterten) Heimat bei den Ruhr Nachrichten.
