Hoffen gemeinsam mit Geschäftsführer und Lehrer Stefan Sonnabend (r.) auf eine langfristige Lösung: Martin Frische und Esther Adams. © Britta Linnhoff
Unbefristete Verträge
Lehrermangel: Trotzdem droht zwei Pädagogen der Georgschule das Aus
Esther Adams und Martin Frische möchten an der Förderschule im Dortmunder Süden bleiben – dafür absolvieren sie eine Zusatzausbildung. Doch plötzlich ist die Zukunft der beiden ungewiss.
Die Georgschule an der Mergelteichstraße ist eine staatlich anerkannte Förderschule in eigener Trägerschaft auf Grundlage der Waldorfpädagogik. Der Förderschwerpunkt liegt in der emotionalen und sozialen Entwicklung sowie im Lernen.
Was bürokratisch klingt, ist für die Schülerinnen und Schüler nicht selten auch ein Zufluchtsort nach Erlebnissen, auf die sie gut hätten verzichten können. Martin Frische und Esther Adams unterrichten an der Georgschule. Beiden ist die Förderung der Mädchen und Jungen eine Herzensangelegenheit.
Sie könnten es sich einfacher machen im Leben, stattdessen absolvieren sie neben ihrem Lehrerdasein gerade eine „Zusatzausbildung Sonderpädagogik“. Dieser hätte es eigentlich schon im Voraus bedurft, um hier Lehrer zu sein.
Zeitverträge bis zur Abschlussprüfung
Eigentlich – aber die Praxis sei seit Jahrzehnten durchaus eine andere, so Stefan Sonnabend (62), Geschäftsführer und Lehrer der Georgschule. Zahlreiche Lehrer absolvieren parallel ihre Zusatzausbildung in der Sonderpädagogik und erhalten Zeitverträge bis zur Abschlussprüfung. So war es auch, als Martin Frische und Esther Adams an die Schule kamen.
Die Georgschule an der Mergelteichstraße ist eine staatlich anerkannte Förderschule mit den Förderschwerpunkten emotionale und soziale Entwicklung sowie Lernen. © Foto: Sandra Heick
Nun aber habe es zwischenzeitlich eine „deutliche Ansage“ gegeben, dass das so nicht mehr möglich sei. „Dabei“, sagt Stefan Sonnabend, „hat sich an den rechtlichen Grundlagen gar nichts geändert, der Passus im Gesetz ist unverändert, nur die Interpretation ist nun eine andere.“
Kontaktaufnahmen mit der Arnsberger Bezirksregierung und dem NRW-Schulministerium hätten zunächst zu keiner Lösung geführt. Heißt: Am Ende des Schuljahres müssten Esther Adams und Martin Frische gehen.
Plötzlich ist doch alles wieder anders
Doch dann habe man plötzlich vor wenigen Tagen die Nachricht erhalten: Die bisher praktizierte Regelung werde zunächst für ein Jahr verlängert. Martin Frische ist natürlich erleichtert, aber keineswegs zufrieden: Ihm hilft das, aber ob es seiner Kollegin auch hilft, kann er im Moment nicht sagen.
Sie habe schon zwei Zeitverträge gehabt, ob es jetzt für sie einen dritten geben werde, sei unklar. Außerdem werde das Problem nur um ein Jahr weitergeschoben, so Martin Frische. „Das Pflaster wird nur noch ein wenig länger gezogen.“
Dabei sucht die Schule händeringend nach Lehrkräften; schon jetzt seien drei Stellen nicht besetzt. Das Kollegium umfasst 26 Lehrerinnen und Lehrer auf 22 Stellen. Stefan Sonnabend bricht eine Lanze für Martin Frische und Esther Adams: „Die machen ihren Job wirklich gut. Wir haben hier die Lehrer, die wir wollen und die gut für uns sind.“
„Vertrauen zu den Lehrern ist ein wichtiges Element“
Er will die beiden unbedingt an der Schule halten. Schon allein deshalb, weil deren Weggang für die insgesamt 170 Schülerinnen und Schüler etwas wäre, das sie überhaupt nicht noch gebrauchen können.
„Wir haben hier viele traumatisierte Kinder, Kinder mit verschiedensten Einschränkungen. Da ist das Vertrauen zu den Lehrern das wichtigste Element, die Schüler sollen sich sicher fühlen.“
Käme zum Beispiel Esther Adams nach den Sommerferien nicht mehr wieder, wäre das für ihre Klasse, die sie in diesem Schuljahr übernommen hat, eine kleine Katastrophe. „Der Beziehungsabbruch wäre eine unnötige Belastung für die Kinder“, sagt der 62-Jährige, der seit 1994 an der Schule tätig ist.
Der Geschäftsführer ist sich sicher: Es brauche einfach nur ein bisschen guten Willen, um den gebeutelten Schülern die Lehrer zu erhalten. Nun komme so ein „Bürokratie-Monster“.
Und Martin Frische stellt fest: „Man legt jetzt Steine in den Weg, wo bisher keine waren.“ 2024 werden er und seine Kollegin ihre Zusatzausbildung beenden. Wenn jedoch nichts geschieht, wären sie dennoch mit dem kommenden Schuljahresende ihren Job an der Georgschule los.
Einen neuen würden sie wohl nebenan an der Steiner-Schule problemlos finden, da braucht es die Zusatzausbildung nicht. Aber sie wollen bei ihren Schülern an der Georgschule bleiben.
Vor fünf Jahren, erinnert sich Stefan Sonnabend, war Schulministerin Yvonne Gebauer an der Schule. Damals habe sie gesagt, wenn es mal Probleme gebe, könne er sich melden, erinnert sich . Jetzt aber“, so sagt der, „komme ich nicht mehr an sie ran.“
„4. Maßnahmenpaket gegen Lehrkräftemangel“
Die Bezirksregierung Arnsberg teilt auf Anfrage nur kurz und knapp mit: Auf Grundlage des „4. Maßnahmenpaketes gegen den Lehrkräftemangel“ des Schulministeriums NRW können Studierende als Lehrkräfte auch im kommenden Schuljahr 2022/2023 eingesetzt werden“ – und verweist auf die Internetseite des Schulministeriums. Auf die spezielle Vorgeschichte geht man nicht ein.
Auf der Seite des Ministeriums heißt es unter anderem: „Die Schulen erhalten zudem weitergehende Möglichkeiten – abhängig von den jeweiligen Erfordernissen vor Ort – Personal befristet einzustellen. So können sie flexibler reagieren, um bei Bedarf auch kurzfristig Stellen ausschreiben zu können und mit zusätzlichem Personal den Präsenzunterricht zu sichern. Bewerben können sich Lehrkräfte mit Lehramtsbefähigung, wie auch andere qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber, zum Beispiel Hochschulabsolventen oder auch Studierende.“
Martin Frische und Esther Adams können vorerst auch über den Sommer hinaus bleiben. Ob das auch im Sommer 2023 der Fall ist, davon sind die beiden noch nicht überzeugt.
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