Seit etwa sechs Jahren ist Bettina Genech aus Menglinghausen dement. Mittlerweile ist die 69-Jährige ans Bett gefesselt und benötigt 24 Stunden am Tag pflegerische Hilfe. Im Dezember 2021 verschärfte sich die ohnehin schon schwierige Situation.
Grund dafür ist nach Angaben von Ehemann Werner Genech (69) ein schmerzhafter Kunstfehler bei einer Operation gewesen, der aus einem zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt für Ehefrau Bettina eine Odyssee machte, die bis heute anhalte. Seither leide die Dortmunderin unter starken Schmerzen. Werner Genech ist verzweifelt, wie er sagt.
Er pflegt seine Ehefrau seit Beginn der Erkrankung und sorgt sich um alles, was anfällt: Wundversorgung, Waschen, Essen geben. Seinen Beruf musste der 69-Jährige vor vier Jahren aufgeben, um sich rund um die Uhr um Bettina zu kümmern. Seit ihrem Krankenhausaufenthalt könne er nicht einmal mehr aus dem Haus, sagt er. Die Geschehnisse der letzten Monate lassen ihn niedergeschlagen zurück: „Das ist ein Ärztepfusch an einer hilflosen Person“, ist der Dortmunder überzeugt.
Offene Wunde am Steißbein
Alles habe im Dezember 2021 mit einer Wunde am Steißbein der heute 69-Jährigen begonnen, die zunächst operiert und durch den Pflegedienst behandelt worden sei. Nachdem sich neben der etwa fünf Zentimeter großen Wunde über dem Gesäß der Bettlägerigen eine Tasche gebildet hatte, so Werner Genech, habe ihm eine Wundspezialistin im August eine weitere Operation im Wittener Marienhospital empfohlen, um die offene Wunde weitestgehend zu schließen.
„Der Chefarzt im Krankenhaus sagte zu mir, dass meine Frau in drei Wochen wieder zu Hause ist“, erinnert sich Werner Genech. „Aus den drei Wochen wurden dann auf einmal sieben und mehrere Operationen. Später hieß es, die Wunde könne nicht geschlossen werden.“ Eine fünf Zentimeter große Wunde, so soll es vonseiten der behandelnden Ärzte geheißen haben, werde bleiben.
Im Oktober 2022, als Bettina Genech wieder in ihren eigenen vier Wänden gepflegt werden sollte, kam dann der Schock: Als Werner Genech gemeinsam mit einer Wundmanagerin und dem Pflegedienst den Verband entfernte, blickten sie auf eine Wunde, die etwa zwei- bis dreimal so groß war, wie zum Zeitpunkt der Einweisung im August. Die Bilder liegen der Redaktion vor.
Fehler bei der Behandlung?
„Ich kann mir nur vorstellen, dass der erste Eingriff völlig schiefgelaufen ist und die Ärzte in den kommenden Wochen versucht haben, den Schaden zu beheben“, meint Ehemann Werner. „An der offenen Wunde hingen sogar noch Fäden, wovon die Ärzte mir nichts gesagt hatten.“ Zunächst sei wohl versucht worden, die neben der Wunde liegende Tasche zu vernähen. „Nachdem das nicht geklappt hat, versuchten die Ärzte, Gewebe an einer anderen Stelle zu entnehmen und die Wunde damit zu verschließen, bis sie nach einigen Wochen aufgaben“, ist er überzeugt.
Der gesamte Krankenhausaufenthalt habe Ehefrau Bettina viel mehr geschadet als genützt, sagt er. Gerade die Stelle der Wunde direkt über dem Gesäß sei besonders anfällig für Infektionen. Werner Genech ist selbst nach über einem Jahr noch fassungslos über die Arbeit der behandelnden Ärzte: „Man hat mir jedes Mal etwas zum Unterschreiben vorgelegt und gesagt, dass es ohne Unterschrift keine OP gibt“, sagt er.
Über den Zustand seiner Frau sei er dagegen nicht aufgeklärt worden. „Die Operationen haben die Pflegesituation für meine Frau und mich noch schwieriger gemacht, als sie es ohnehin schon war.“
Wütend und ratlos
Seit seine Frau aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe er für mehrere Monate nur noch wenige Stunden am Tag auf einem kleinen Sofa neben dem Krankenbett seiner Frau im Wohnzimmer der gemeinsamen Wohnung geschlafen, so Werner Genech. Bettina Genech sei in dieser Zeit dauerhaft auf starke Schmerzmittel angewiesen gewesen.
Dass die Ärzte einen Kunstfehler begangen haben, steht für Werner Genech fest. Er beauftragte eine Anwaltskanzlei und richtete sich an die Ärztekammer in Münster. Nach einigen Schreiben, die Hin und Her wechselten, habe er seit Beginn des Jahres 2023 nichts mehr von der Sache gehört. Die Unterlagen zum Rechtsstreit liegen der Redaktion vor.
„Ich habe das Gefühl, hier wird auf Zeit gespielt, denn die Faktenlage ist ja völlig klar“, sagt er. „Die gesamte Situation macht mich wütend und ratlos, denn ich kümmere mich mit vollem Herzen seit sechs Jahren 24 Stunden am Tag um meine Frau.“
Gutachten steht aus
Mittlerweile gab es zumindest ein kleines Happy End für das Dortmunder Ehepaar. Im Februar 2023 entschied man sich auf Rat eines Arztes für eine weitere Behandlung der Wunde im Knappschaftskrankenhaus in Brackel. „Als ich in Brackel die Fotos der Wunde nach den vorherigen Operationen zeigte, schüttelten die Ärzte nur mit dem Kopf“, berichtet Werner Genech. „Nach fünf Operationen innerhalb von zwei Wochen haben die Ärzte die Wunde um 80 Prozent geschlossen.“ Die Wunde sei nach der letzten Operation nur noch halb so groß wie vor dem ersten Eingriff und verheile den Umständen entsprechend gut.
Auch wenn Werner Genech sehr zufrieden mit der Hilfe der behandelnden Ärzte im Knappschaftskrankenhaus sei, habe die schnelle Behandlung sein Gefühl bestärkt, zuvor nicht die Wahrheit erfahren zu haben. „Ich will im Namen meiner Frau, dass die damals behandelnden Ärzte sich für ihre Fehler und die Komplikationen rechtfertigen müssen. Meine Frau und ich mussten beide dafür leiden, aber sehen keine Konsequenzen.“
Ein Ergebnis des Gutachtens der Ärztekammer steht weiterhin aus. Auf Anfrage gaben sowohl die Ärztekammer Westfalen-Lippe als auch das Marienhospital Witten an, dass man sich zu laufenden Verfahren nicht äußern wolle.
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