
© Guse
Kranke Kita-Kinder: Dortmunder Kinderärzte erleben Riesen-Ansturm
Husten, Schnupfen, Fieber
Husten, Schnupfen, Magen-Darm – die Kinderarztpraxen in Dortmund laufen über. Ein Arzt sagt: Die meisten müssten gar nicht kommen. Aber er weiß auch, was Eltern zu ihm treibt.
Für sechs Patienten mit Begleitung hat er Platz: im Wartezimmer und in den einzelnen Behandlungsräumen. Aber Marco Guse hat in dieser Woche wieder gemerkt: Bei solch einem Ansturm reicht das nicht. Bei weitem nicht.
„An einem Tag zum Beispiel hatten wir fast 40 Patienten. Das heißt: Der Rest musste draußen warten.“ Noch sei das Wetter ja schön, sagt der Kinderarzt. Noch könnten es die Mädchen, Jungen, Mamas und Papas ja ein wenig aushalten vor seiner Praxis in Hörde.
Erkältungswelle flutet die Kitas und Schulen
Aber bei Regen, bei kälteren Temperaturen, bei typischem Herbstwetter eben sehe das ganz anders aus. Nicht nur bei Guse, einem der beiden Kinderärzte-Sprecher in Dortmund, ist es voll. Auch in anderen Praxen stöhnt das Personal. „Die Praxen quellen aus allen Knopflöchern.“
„Banal-Infekte“ seien es meistens, diagnostiziert Guse. Triefnasen, Husten – die Erkältungswelle flutet Dortmunds Kindergärten und Grundschulen in diesem Herbst früher als in früheren Jahren.
6 von 20 Kita-Kindern bleiben zuhause
Nur 75 Prozent aller Kinder seien derzeit in den Einrichtungen, sagt Jochen Schade-Homann, Pfarrer und Chef über die evangelischen Kitas in Dortmund. Beim städtischen Träger Fabido sind es nur 70. Heißt: Von 20 Kita-Kindern sind zurzeit 5 oder 6 nicht da.
Ob die alle krank seien, wisse man natürlich nicht, unterstreicht Dortmunds Jugenddezernentin Daniela Schneckenburger: „Wir wissen, wie viele Kinder die einzelnen Einrichtungen zurzeit nicht besuchen.“ Dies könne „jedoch sehr vielfältige Gründe haben, da es keine Pflicht zur Teilnahme an Kindertagesbetreuungs-Angeboten gibt“.
Mehr Infektionen als vor Corona?
„In unseren Einrichtungen beobachten wir, dass es wieder zu Erkältungs- und Magen-Darm-Infektionen kommt“, sagt Birgit Sprenger, die für viele katholische Kitas in Dortmund zuständig ist. Aber ob die Erkrankungen häufiger vorkommen als vor Corona? Das könne sie „bisher nicht abschätzen. Da diese Erkrankungen im letzten Jahr fast gar nicht in den Kitas vorkamen, werden sie aktuell anders wahrgenommen.“
Wird man in den Kitas zurzeit bei Husten und Schnupfen nervöser als vor Corona? Die Träger sagen dazu nichts. Kinderarzt Guse aber meint: Ja, darauf deute viel hin.
Kindergärten befürchten schlimme Infekte
Er und seine Kollegen würden immer wieder von Eltern hören: Die Kita hat uns zum Arzt geschickt, zum Abklären, ob das nichts Schlimmes sei, womöglich sogar Corona. „Es wird den Kindern in den Einrichtungen dargestellt, als ob es etwas Gefährliches sei.“
Quatsch, sagt Guse. „Viele Eltern machen ja die Corona-Testungen zuhause, mehrmals in der Woche.“ Und wenn jemand schon Symptome habe, lieferten die Antigen-Tests auch treffende Ergebnisse.

In Kinderarztpraxen gibt es derzeit viel zu tun. © picture alliance / dpa
Erkältungen als indirekte Folge von Corona
Nein, es seien die „Banal-Infekte“, die in diesem Jahr früher auftreten würden als in den Jahren vor Corona. Ein „Rebound-Effekt“ sei das – also eine Folge der vielen Abstands- und Schließungsregelungen seit Beginn der Corona-Pandemie.
„Viele Kinder hatten nur sehr geringe Kontaktzahlen“, erklärt Guse. Dementsprechend untrainiert seien die Immunsysteme, gerade bei den Unter-Drei-Jährigen. Die hätten ja vor Corona noch nicht all die kleinen Infekte durchgemacht, die man sich normalerweise in Kitas einfange und gegen die man dann immun sei.
Meistens kommen die Kinder wegen der Eltern
Klar, sagt der Kinderarzt, er würde schon gerne das Kind einmal sehen, „damit ich die Lungenentzündung nicht bagatellisiere“. Die meisten der 40 Patienten vom Montag allerdings hätte er nicht behandeln müssen.
„Da waren vielleicht 10, die in die Arztpraxis mussten. Bei den anderen brauchten die Eltern nur die Bescheinigung.“ Ist das Kind krank und muss zuhause betreut werden, brauchen Arbeitgeber und Krankenkasse das schriftlich vom Arzt.
„Dieses ganze Administrative, was wir mit diesen Fällen haben – das kostet uns wirklich viel Zeit“, ärgert sich Guse. Zumal: Hätten Kitas und Schulen die Kinder nicht nach Hause geschickt, hätten Eltern und Kinderarztpraxen deutlich weniger Aufwand und Ärger.
Jahrgang 1977 - wie Punkrock. Gebürtiger Sauerländer. Geborener Dortmunder. Unterm Strich also Westfale.
