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Korruptionsverdacht bei EDG: Schmiergeldskandal überschattet Betriebsratswahlen
Entsorgung Dortmund
Der Korruptionsskandal um Marzouk Chargui, Betriebsratschef des EDG-Konzerns, überschattet die dortigen Betriebsratswahlen. Der Einfluss von Verdi bröckelt. Werden die Wahlen zur späten Abrechnung?
Zufall oder nicht? Wenige Wochen vor den Betriebsratswahlen bei der Entsorgung Dortmund (EDG) am 15. und 16. März kommt heraus: Gegen den Konzernbetriebsratschef Marzouk Chargui wird wegen des Verdachts der Vorteilsnahme ermittelt. Er soll bei der Job-Vergabe Schmiergeld kassiert haben. Chargui, Mitglied im EDG-Betriebsrat, ist inzwischen freigestellt.
Problem dabei: Chargui kandiert für den Betriebsrat. Sein Name steht auf einer „Freien Liste“, auf der er den zweiten Platz belegt. Die Bewerberlisten sind inzwischen fertiggestellt und „geschlossen“. Deshalb könne der Kandidat nicht ohne Weiteres wieder gestrichen werden, wie es aus Kreisen des Wahlvorstandes heißt.
Soll im Zweifel also jemand Stimmen einfahren, obwohl er gar nicht mehr zur Verfügung steht? Eher nicht. Wie also weiter vorgehen? Darüber herrscht aktuell auch im Wahlvorstand Rätselraten. Weshalb man sich vorsichtshalber im Vorfeld der Wahl „rechtliche Expertise“ holen will.
Neben dem Korruptionsverdacht gegen Chargui werden die Betriebsratswahlen bei der EDG noch von einem weiteren Ereignis beeinflusst: die Abwahl des damaligen EDG-Arbeitsdirektors Wolfgang Birk. Die Vorgänge liegen Jahre zurück, sind für viele EDG'ler aber nach wie vor nicht geklärt.
Spätfolgen nach Abwahl der Arbeitsdirektors
Birk war im Juni 2018 überraschend der Stuhl vor die Tür gesetzt worden. Der offizielle Vorstoß dazu soll ausgerechnet von der Betriebsratsvorsitzenden Bianca Herrmann gekommen sein. Bis heute heißt es, lediglich die im EDG-Aufsichtsrat vertretenen Arbeitnehmer hätten damals für die Abberufung Birks gestimmt – während etliche Mitglieder des EDG-Betriebsrates im Vorfeld „völlig ahnungslos“ gewesen seien.
Erschwerend kommt für einen Teil der Belegschaft hinzu, dass mit Bastian Prange, früherer Verdi-Sekretär, ein Mitglied des EDG-Aufsichtsrates zu Birks Nachfolger bestellt worden ist. Bis heute hegt Birk den Verdacht, Prange habe im Vorfeld ebenfalls kräftig an seinem Stuhl gesägt. Was Prange bestreitet.
Das hat in der Folge zu Zerwürfnissen in Teilen der EDG-Belegschaft geführt. Viele der rund 1000 Beschäftigten fühlen sich von Verdi „nicht mehr angemessen vertreten“. Das schlägt sich nun auch in den Betriebsratswahlen nieder: Ehemalige Verdi-Mitglieder sind zur deutlich kleineren Gewerkschaft Komba übergelaufen, die bei der EDG bislang gar keinen Einfluss hatte. Das scheint sich gerade zu ändern. „Wir haben inzwischen weit über 200 Mitglieder“, sagt der Dortmunder Komba-Vorsitzende Friedhelm Borgstädt.
Harter Konkurrenzkampf um Plätze im Betriebsrat
Weshalb Komba nun Morgenluft wittert - und bei den Betriebsratswahlen erstmals mit einer eigenen Liste antritt. 26 Kandidaten stellen sich darauf zur Wahl. Zudem, auch das ist neu, mischen zwei weitere Blöcke im Kampf um Betriebsratsposten mit: Auch Verdi tritt mit einer eigenen Liste an. Die Zahl der Bewerber: acht. Verdi, bis dato spielbestimmend unter den EDG-Arbeitnehmern, muss erstmals um ihren Einfluss bei der EDG bangen.
Auch die aktuelle Betriebsratsvorsitzende Bianca Herrmann muss um ihren Posten kämpfen: Sie taucht weder im Kandidatenreigen von Verdi noch von Komba auf. Stattdessen hat sie eine eigene Freie Liste ins Leben gerufen, die sie auf Platz eins anführt und die weitere 25 Kandidaten umfasst. Den zweiten Platz auf der Freien Liste belegt (noch) der unter Korruptionsverdacht stehende Marzouk Chargui.
Bislang zählte der EDG-Betriebsrat 13 Mitglieder. Künftig sollen 15 Leute in dem Gremium sitzen. Mitglieder der Gewerkschaft Komba haben bereits verlauten lassen, sie wollten im Falle ihrer Wahl darauf drängen, bestimmte Vorgänge aus der Vergangenheit aufarbeiten zu lassen.
Jahrgang 1961, Dortmunder. Nach dem Jura-Studium an der Bochumer Ruhr-Uni fliegender Wechsel in den Journalismus. Berichtet seit mehr als 20 Jahren über das Geschehen in Dortmunds Politik, Verwaltung und Kommunalwirtschaft.