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Korruption bei der EDG? Mutmaßlicher Komplize hat Betriebsrats-Boss verpfiffen
Schmiergeld-Verdacht
Es war ein Helfer, der den Chef des EDG-Konzernbetriebsrates ans Messer geliefert hat. Gegen Marzouk Chargui wird wegen des Verdachts der Vorteilsannahme ermittelt. Die Ermittlungen laufen schon länger.
Marzouk Chargui, Chef des Konzernbetriebsrates und im Aufsichtsrat des Dortmunder Entsorgers EDG, ahnte nicht, dass die Ermittler ihm auf den Fersen waren, als er sich für den 17. Februar, einen Donnerstag, zur Geldübergabe in einer Nordstadt-Pizzeria verabredet hatte.
Dort wurde er in flagranti von der Polizei erwischt, die am Nebentisch saß. „Die Polizei stellte vor Ort einen Umschlag mit 3000 Euro sicher“, berichtet Presse-Staatsanwalt Henner Kruse – 3000 Euro als Erfolgsprovision für die Vermittlung einer Festanstellung bei der EDG.
Das Verfahren gegen den einflussreichen Vorsitzenden des EDG-Verbundbetriebsrates sei bereits Anfang Februar eingeleitet worden, so Kruse, ausgelöst durch einen Helfer Charguis, der – ebenfalls EDG-Mitarbeiter – ihm die Jobsuchenden zugeleitet haben soll. Von Bewerbern mit Migrationshintergrund soll Chargui 3000 Euro verlangt haben, von deutschstämmigen 5000 Euro.
Der Helfer Charguis soll mit dem System nicht einverstanden gewesen sein und will sich nach eigenen Angaben nicht daran bereichert haben. Der Mann habe das Ganze aufgedeckt, sagt Kruse. Zurzeit werde gegen ihn nicht ermittelt, „doch ob strafrechtlich etwas übrigbleibt, werden die Kollegen prüfen.“
Beschuldigter äußert sich nicht
Gegenstand der weiteren Ermittlungen sei auch die Frage, seit wann dies so laufe und wie viele Vermittlungsfälle es inzwischen sind, die Chargui so abgezogen haben soll. Chargui selbst äußert sich laut Staatsanwalt Kruse nicht zu der Sache. Allein im gewerblichen Bereich der EDG-Holding sollen es in den letzten zwei Jahren 17 Fälle gewesen sein, bei denen Chargui seine Hand im Spiel gehabt haben soll, davon achtmal erfolgreich.
Den Vorwürfen nach soll Chargui unter anderem dadurch Einfluss auf die Einstellung der ihm von seinem Helfer zugeführten Bewerber genommen haben, indem er sie auf die Vorstellungsgespräche vorbereitet habe. In Insiderkreisen wird berichtet, dass Chargui als früheres Vorstandsmitglied des A-Ligisten SG Phönix Eving (bis Mitte 2020) Vereinsmitgliedern in EDG-Jobs geholfen haben soll. Auch Mitglieder des VfL Kemminghausen sollen danach mit seiner Hilfe Festanstellungen bekommen haben.
Hat Chargui nur geblufft?
Allerdings steht auch die Frage im Raum, ob die erfolgreichen Bewerber aufgrund von Charguis Intervention die Festanstellung bekamen oder ohnehin vom zuständigen Abteilungsleiter ausgewählt worden wären und Chargui mit seiner Einflussnahme nur geblufft hat, um im Nachhinein abzukassieren.
Die EDG hat sowohl Chargui als auch seinen Helfer bis zur Klärung der Tatvorgänge freigestellt. Die EDG, die sich bislang nicht geäußert hatte, hat am Montag (21.2.) in einer Pressemitteilung in Abstimmung mit den Gesellschaftern Stadt Dortmund und DSW21 AG zu den im Raum stehenden Vorwürfen Stellung genommen.
Darin heißt es: „Wir begrüßen die offene und konstruktive Zusammenarbeit der Geschäftsführung der EDG mit den Ermittlungsbehörden, um die Vorgänge schnellstmöglich aufzuklären. Aufsichtsrat und Gesellschafter gehen von einer rückhaltlosen schnellen Aufklärung aus, auch im Sinne der Beschäftigten der EDG, die eine sehr gute Arbeit leisten!“
Organisatorische Konsequenzen
Es gelte nun zu ermitteln, wie sich die Abläufe, die zu dem Einschreiten der Ermittlungsbehörden geführt hätten, im Einzelnen zugetragen haben. „Im Lichte dieser Erkenntnisse müssen und werden wir die notwendigen personellen und organisatorischen Konsequenzen aus diesem Vorfall ziehen“, so die EDG.
Erste Konsequenzen gab es bereits für das politische Amt, das das SPD-Mitglied Chargui bekleidet hat. Erst vor einem Jahr war er zum Vorsitzenden des Dortmunder Integrationsrates über die Internationale SPD-Liste gewählt worden. Als solcher ist er auf Drängen der SPD bereits am Sonntag (20.2.) zurückgetreten.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
