„Ich fühle mich wie deine Mutter, nicht wie deine Partnerin“ Experte rät, was Paare tun können

Von Benedikt Bock
„Ich fühle mich wie deine Mutter, nicht wie deine Partnerin“: Was können Paare tun, Benedikt Bock?
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Eine Frau und ein Mann kommen zu mir zum Erstgespräch in meine Praxis. Sie beklagt, sich um alles kümmern zu müssen, ihr Partner sei wie ein (weiteres) Kind. Er verbringe viel Zeit vor dem Computer, wo er augenscheinlich viel spiele, die durchgelaufene Spülmaschine in der Küche übersehe er regelmäßig.

Nicht nur dies: Wenn sie nicht immer daran denke, würde das gemeinsame Kind zu keiner Vorsorgeuntersuchung beim Kinderarzt erscheinen. Er sitzt zunächst schweigend da. Er verstehe nicht, was sie wolle. Ja, er sitze vor dem Computer, aber das brauche er nach der Arbeit zur Entspannung.

Er komme gar nicht dazu, die Spülmaschine auszuräumen, denn das habe sie schon erledigt, wenn er dies tun wolle. Ebenso sei es mit den Kinderarztterminen: Die hätte sie schon organisiert, wie solle er ihr zeigen, dass er daran denke? Und wenn er etwas übernehme, dann mache er es nicht richtig, also könne er es auch lassen.

Er komme sich vor, als würde er von ihr zu einem Kind gemacht, und überhaupt, dieser Ton, als sei er ein zwölfjähriger Junge, das könne er nicht haben, da könne er erst einmal nur auf stur stellen.

Neben dem Gender Pay Gap gibt es auch den Gender Care Gap: Frauen verbringen mehr Zeit mit der Organisation und Erledigung der häuslichen Arbeiten, und daraus ergibt sich auch bei ihnen ein höherer „Mental Load“, also mentale Belastung. Sie haben das Gefühl, an alles denken zu müssen, während ihre Männer in einer Art ewigen Adoleszenz eher nach dem Lustprinzip „mitmachen“ – oder auch nicht.

Sind Männer einfach Spätzünder?

In der Kindheit und Jugend entwickeln sich Mädchen im Schnitt früher als Jungen: Sie lernen früher sprechen, sie verhalten sich in der Schule disziplinierter, sie wachsen früher, sie treten früher in die Pubertät ein, sodass sie etwa zwei Jahre früher geschlechtsreif werden.

Sie absolvieren daher „reifer“ ihre Schulabschlüsse und sind mental weiter, wenn das Erwachsenenleben ruft. Es sind heute eher die Jungen beziehungsweise die jungen Männer, die nach der Schule durchhängen und nicht wissen, wie es weitergehen soll. Liegt es also daran, dass Frauen die „Unreife“ ihrer Männer beklagen? Sind Männer gegenüber Frauen einfach stets Spätzünder?

Das könnte naheliegend erscheinen, aber zweierlei spricht dagegen: Erstens ist es immer noch so, dass bei den meisten Paaren der Mann zumindest etwas älter ist. Das allein sollte schon den Unterschied in der Reife ausgleichen.

Und zum zweiten entwickeln sich Menschen nicht im Gleichschritt: Die Entwicklungsunterschiede, die sich im Kindesalter zwischen den Geschlechtern feststellen lassen, gehen im Erwachsenenalter im Grundrauschen anderer Einflüsse auf die Entwicklung unter.

Wie viele Geschäftsführer hat die Familie?

Mir scheinen eher alte patriarchale Rollenmuster immer noch die größere Rolle zu spielen: „Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder, und herrschet weise im häuslichen Kreise“, dichtete Friedrich Schiller in seinem Werk „Das Lied von der Glocke“.

Nicht erst Schiller delegiert „im häuslichen Kreise“ die strukturierende Macht an die Frau. Der Mann hingegen soll hinausgehen und „pflanzen und schaffen, erlisten, erraffen“ (und noch einiges mehr).

Eine Familie wird heute gerne als „Unternehmen“ bezeichnet. Wenn ein Paar mit dem hier geschilderten Thema zu mir kommt, stelle ich gerne ziemlich bald die Frage, ob dieses Unternehmen zwei gleichberechtigte Geschäftsführer haben soll oder (in diesem Fall) eine Geschäftsführerin, die Aufgaben an einen (leider unzuverlässigen) Mitarbeiter delegiert hat.

Gibt es zwei Geschäftsführer, teilen sie die Aufgaben untereinander auf und erfüllen diese danach jeweils eigenverantwortlich. Wird eine Aufgabe aber von einem Geschäftsführer an einen Mitarbeiter delegiert, so bleibt die Letztverantwortung beim Geschäftsführer, er muss die Erfüllung mehr oder weniger überwachen.

Der Frau gibt es Kontrolle, dem Mann Versorgung

Meist möchten vorgeblich beide das Modell der gleichberechtigten Geschäftsführung. Sie leben aber nach altem Rollenmuster, dasjenige der Geschäftsführerin und des Mitarbeiters. Auf der Frau lastet die Verantwortung, auf dem Mann die Rolle des Kindes, das nur tut, was die Eltern ihm sagen. Beide haben aber auch etwas davon: Der Frau gibt es Kontrolle, dem Mann Versorgung.

Wollen beide gleichberechtigte Geschäftsführer sein, heißt das für die Frau, die an den Mann abgetretenen Aufgaben so abzugeben, dass sie die Kontrolle darüber aufgibt. Er ist auf seine Weise verantwortlich. Vergisst er es dann zum Beispiel, das Kind zum Musikunterricht zu bringen, muss er das dem Kind erklären und nicht seiner Partnerin.

Will der Mann nicht nur Mitarbeiter sein, muss er die Komfortzone verlassen und bereit sein, ein Stück der gewohnten Versorgung aufzugeben: Er mag sich von seiner Partnerin wie ein Kind kritisiert fühlen. Sie mag sich wie seine Mutter fühlen.

Es braucht Zeit und Geduld

Aber macht ihn das zum Kind? Oder ist nicht er es, der sich dann in die Kindsrolle begibt, indem er glaubt oder sogar behauptet, seine Mutter vor sich zu haben? Erwachsen zu sein bedeutet ja auch, für sich und seinen Lebensbereich einzustehen, statt beides aufzugeben, weil jemand etwas besser zu wissen meint (oder es sogar besser weiß).

Sowohl Kontrolle als auch eine aussitzende Versorgungshaltung haben in der Regel eine lange Lerngeschichte, sie haben sich als Bewältigungsstrategien in der Vergangenheit bewährt. Das neue Geschäftsführungsmodell einzuüben, braucht Zeit und Geduld.

Und vielleicht manchmal auch einen Blick hinter die eigenen Kulissen, um den einstigen Nutzen der Haltungen zu erkennen, die einem jetzt im Wege stehen.

Benedikt Bock (55) ist Diplom-Psychologe und Systemischer Therapeut mit Anerkennung durch die Systemische Gesellschaft (SG). Er arbeitet in seiner eigenen Praxis in Dortmund. Seit über 20 Jahren unterstützt er Paare und Einzelpersonen bei Problemen, die sich rund um die Themen Liebe und Beziehungen drehen. Dabei hat er entdeckt, dass Männer manchmal dankbar für einen eigenen geschützten Raum zum Reden sind. Näheres unter www.benedikt-bock.de.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 21. August 2023.

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