Ich habe mir Beziehungen immer wie eine Autobahn vorgestellt. Eine Autobahn ohne Abfahrten. Ab dem ersten Kuss gibt es nur eine Route: Zusammenziehen, heiraten, Kinder kriegen und danach schauen, wie man irgendwie zusammen glücklich bleibt.
Wenn ich früher an mich in meinen 30ern gedacht habe, dann waren da Kinder, eine Doppelhaushälfte, ein Ehemann, wahrscheinlich noch eine Teilzeitstelle. Nicht, weil ich mir das gewünscht hätte. Sondern weil ich dachte: So läuft es nun mal. Das ist der Weg, den die Autobahn nimmt.
Je näher ich meinen 30ern kam, desto mehr Angst machte mir diese Vorstellung. Ich hatte das Gefühl, die Tage, an denen ich selbst entscheiden konnte, wie ich sie verbringen möchte, waren gezählt.
Nur noch wenige Jahre, dann würden andere Dinge darüber entscheiden: der Schlafrhythmus der Kinder, die Öffnungszeiten der Kita, das Fußballtraining meines Mannes. Die Angst wurde nur noch größer, als ich zu zweifeln begann, ob ich mit dem Mann, mit dem ich damals in einem Auto auf der Autobahn saß, überhaupt noch irgendwohin fahren wollte.
Wer will mich davon abhalten?
Heute bin ich 31, unverheiratet und wohne alleine. Irgendwann hat es bei mir Klick gemacht, ich fragte mich: „Wer will mich dazu zwingen, dieses Leben zu leben?“ Und weiter: „Wer will mich davon abhalten, mein Liebesleben so zu gestalten, wie ich es will?“ Da habe ich realisiert, dass es wie so häufig im Leben nur die eigenen Vorstellungen sind, die mir im Weg stehen.
Ich habe seitdem gelernt, dass es die Autobahn nicht gibt. Vielmehr ist eine Beziehung wie eine chaotische Großstadt, in der tausend verschiedene Wege zu tausend verschiedenen Zielen führen. Oder auch mal kein Ziel haben.
Ich habe auch gelernt, dass gerade Frauen häufig vermittelt wird, ohne Mann an ihrer Seite nicht komplett zu sein. Und dass das, selbst wenn es nicht ohnehin vollkommener Quatsch wäre, kein Grund sein kann, in einer Beziehung zu sein, in der man nicht glücklich ist.
Welche Straßen gibt es noch?
Jetzt will ich mir diese Großstadt erstmal in Ruhe anschauen. Mich treiben lassen und herausfinden, welche Straßen es noch gibt abseits der mit den Doppelhaushälften. Vielleicht werde ich irgendwann die perfekte Wohnung finden, vielleicht muss ich auch alle paar Jahre umziehen. Das ist okay. Wer will mich davon abhalten?
Es gibt unendlich viele verschiedene Arten, eine Beziehung zu führen. Und wie viel sie wert ist, hängt nicht davon ab, ob man heiratet, zusammenwohnt, Kinder hat - oder gar nichts davon tut. Ich bin froh, in einer Zeit zu leben, in der ich selbst über all das selbst entscheiden kann - egal, ob mit 30, 50 oder 70. In einer Zeit, in der man sich trennen darf, wenn man leidet und in der man sich freuen darf, wenn es gut läuft und weder meine finanzielle noch meine soziale Existenz daran hängen.
In unserer Kolumne schreiben die Autoren des Leben und Lieben-Teams jede Woche über ein Thema rund um Liebe, Beziehungen und Partnerschaft, das sie bewegt. Mehr über die Autoren lesen Sie hier. Mehr Geschichten und Tipps zum Thema finden Sie unter rn.de/leben-und-lieben.
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