Ein Tempelherr (Max Ranft) hat der jungen Recha (Ann-Kathrin Hinz) das Leben gerettet. Was schön klingt, artet aus zur religiösen Grundsatzfrage.

© Birgit Hupfeld

„Nathan“: Neues KJT-Stück ist ganz anders als alle anderen diese Saison

rnKJT-Premiere „Nathan"

Eine gewaltige Kulisse bespielt das Ensemble des Kinder- und Jugendtheaters Dortmund im aktuellen Stück „Nathan". Dessen Inhalt geht auf den Fünf-Akter eines weltberühmten Dichters zurück.

von Daniel Reiners

Dortmund

, 31.10.2021, 13:11 Uhr / Lesedauer: 2 min

Zwei Elemente unterscheiden „Nathan", die aktuelle Produktion des Kinder und Jugendtheater Dortmund, von den bisherigen Aufführungen der Spielzeit 2021/22 im Haus an der Sckellstraße.

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Zum einen wäre da die Tragweite und Wichtigkeit des behandelten Stoffes. Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781) war einer der bedeutendsten Dichter der deutschen Aufklärung. In seinem Fünf-Akter „Nathan, der Weise" werden so große Themen wie Humanismus und der Gedanke der Toleranz zwischen den Menschen und Religionen verhandelt. Die Bühnen-Bearbeitung „Nathan" durch KJT-Intendant Andreas Gruhn für ein Publikum ab 16 Jahren hat also ein epochales Vorbild.

Zum anderen bespielen die Schauspieler eine ungewöhnlich gewaltige Kulisse: Auf drei große Leinwände werden digital Elends-Szenarien projiziert, es wird ein beklemmender Hausbrand simuliert und die Leinwände werden als Verstecke für die Schauspieler genutzt. An den Bühnenrändern befinden sich umzäunte „Wohnräume"; die Heimstätten der Figuren. Dieselben Zäune werden später vor dem Publikum zu einer Grenze ausgebreitet - von vermummten und mit Kalaschnikows bewaffneten Schergen eines muslimischen Sultans. Zusätzlich sorgt die Sound-Kulisse dafür, dass man zusammenzuckt - vor allem beim unerwarteten Donnerschlag.

Abwechslung zur bisherigen Spielzeit im KJT

Die Premiere von „Nathan" am Samstag (29.10.) im KJT bedeutete also eine Abwechslung zum bisherigen Spielplan. In der aufwendigen Inszenierung treffen die sechs Schauspieler und Schauspielerinnen in den unterschiedlichsten Konstellationen aufeinander. Dabei werden die Figuren zuweilen handgreiflich, manchmal melancholisch - oder geraten an den Rand des Nervenzusammenbruchs.

Ein Tempelherr (Max Ranft) hat der jungen Recha (Ann-Kathrin Hinz) das Leben gerettet. Was schön klingt, artet aus zur religiösen Grundsatzfrage.

Nathan (Rainer Kleinespel) und der Retter seiner Tochter (Max Ranft) beginnen, Gemeinsamkeiten zu finden. © Birgit Hupfeld

Erzählt wird die Jahrhunderte alte Geschichte der jungen Recha (Ann-Kathrin Hinz), die in ihrer Heimatstadt Jerusalem von einem Tempelherren aus einem brennenden Haus gerettet wird. Der Retter (Max Ranft) ist Christ, die Gerettete Jüdin. Die beginnende Zuneigung artet aus zum religiösen Problem auf mehreren Ebenen - bis eine unerwartete Wendung alle angenommenen Grundlagen des Zusammenlebens auf den Kopf stellt.

Als Rechas Vater Nathan (Rainer Kleinespel) von einer Geschäftsreise zurückkehrt nach Jerusalem und mit der Geschichte der Rettung konfrontiert wird, ist das nur eines der Ereignisse, die ihn in der kommenden Zeit voll einspannen. In der von Intrigen und religiösen Machtkämpfen durchzogenen Stadt Jerusalem wird der als weise geltende Mann schließlich zum Sultan gerufen: „Sag, Nathan, was ist die einzig wahre Religion?"

KJT sagt: Lessings Stück ist auch heute noch aktuell

Auch heute noch ist Jerusalem eine Stadt, in der viele Konflikte herrschen. Seit der Staatsgründung Israels 1948 gab es im Nahen Osten immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen. Auch deshalb sei das Stück von Lessing bis heute aktuell, so das KJT. In der Umsetzung durch Gruhn spiegelt sich diese Aktualität an vielen Stellen wieder.

Nicht zuletzt, wenn die mit Tüchern bis auf den Augenschlitz vermummten „Handlanger" bis vor die erste Reihe des Publikums treten, kommen ungute Assoziationen zu aktuellen Krisen und Kriegen auf.

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In einer der Schlüsselszenen gibt der zu Hilfe gezogene Nathan dem Sultan Saladin (Andreas Ksienzyk) dann eine Parabel als Antwort auf seine Frage zur einzig wahren Religion. Die beginnt so: Es gibt dort einen Ring, der seinen Besitzer vor Gott und Menschen angenehm erscheinen lässt. Die einzige Bedingung ist, dass der Besitzer an die Kraft des Ringes glaubt...

Das Premieren-Publikum zeigte sich am Samstag begeistert von der Mischung aus Effekten und Inhalt - und könnte mit der berühmt gewordenen „Ringparabel" einen Einstig gefunden haben, um sich weiter mit dem großen Toleranzgedanken auseinanderzusetzen.

Info im Netz

Weitere Informationen zum Stück sowie zum Programm des KJT sind im Internet zu finden unter www.theaterdo.de.