Zu viel krankes Personal – die Kita muss zu bleiben. Was Eltern fürchten, ist vielerorts Realität. Vor allem im Winter, wenn mal wieder eine Erkältungs-, Grippe-, Magen-Darm- oder Scharlach-Welle durch die Einrichtungen schwappt. Auch in Dortmund?
Daniel Kunstleben ist Chef von Fabido, dem städtischen Kita-Träger. 97 der insgesamt 324 Kindertagesstätten in Dortmund gehören zu Fabido. Insofern hat Kunstleben einen Überblick, wenn er sagt: „Wir haben keine Alarmstimmung, mir ist nicht bange. Aber es wird sich nicht von alleine regeln.“
Vorteil eines großen Trägers
Der Vorteil für denjenigen, der viele Kitas hat: Er kann im Notfall Personal anders einteilen, sodass er nirgendwo die „Untere Mindestversorgung“ unterschreitet. Spezielle Vertretungsbezirke, ein täglicher Blick auf die Zahlen – damit ließe sich der Betrieb der einzelnen Kitas eben aufrechterhalten. Zumindest allermeistens.
„Wenn die große Magen-Darm-Welle rollt, stoßt das System trotzdem an die Grenzen.“ Immerhin habe man eine „sehr starke Ausbildungsquote“ – und die helfe nicht nur in der Gegenwart, sondern auch für die Zukunft.
Viele bald in Rente
„Wir schauen auf die nächsten fünf bis zehn Jahre“, erläutert Kunstleben. „Wir haben das Thema Verrentung auf dem Schirm.“ Soll heißen: Viele Erzieherinnen gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Fabido muss ebenso wie die anderen Kita-Träger nach neuen Mitarbeitern suchen. Und tut das kreativ.
56 Prozent mehr pädagogische Fachkräfte – so war der deutschlandweite Anstieg von 2012 bis 2022 laut eines aktuellen Berichtes der Arbeitsagentur. Das ist vor allem eine Folge des Ausbaus an Plätzen für Kinder unter drei Jahren – eine Folge des Versprechens der Politik an die Eltern: Eure Kinder werden schon früh betreut.
Und dennoch muss Dortmunds Jugenddezernentin Monika Nienaber-Willaredt klarstellen: „Den Kitas fehlt es an Personal.“ Auch weil Dortmund einerseits wachse, andererseits „immer jünger“ werde, wie die Stadt betont.
Chance für Nicht-Erzieher
„Wir stellen uns die Frage: Wie können wir für alle Menschen eine andockfähige Ausbildungssituation anbieten?“, so Fabido-Chef Kunstleben. Lange habe man auf das Prinzip der Fachkraft gesetzt, also auf die klassisch zum Erzieher Ausgebildeten. „Aber wir stellen auch Kinderpflegerinnen an. Wir wollen allen etwas anbieten, selbst nach Klasse 10.“
Man starte „eine Initiative gegen Fachkräftemangel“, kündigte Jugenddezernentin Nienaber-Willaredt an – nicht mit Erziehern, sondern mit Kinderpflegern. „Eine Kinderpflegerin kann eine zweite Erzieherin ersetzen“, so die Dezernentin. Zudem: Sie sei schneller verfügbar als Arbeitskraft.
Zweijährige Ausbildung
Die Praxisorientierte Ausbildung (kurz: PiA) zur Kinderpflegerin dauert nur zwei Jahre, das PiA-Pendant mit dem Abschluss Erzieherin drei Jahre. Während dieser Zeit verbringen die Auszubildenden schon einige Tage in den Kitas und erhalten ein kleines Gehalt. Wobei: auch nicht in gleicher Höhe.
Erzieher werden nach Tarifvertrag bezahlt, Kinderpfleger nicht zwingend. Dennoch wolle man einen gewissen „monetären Anreiz“ bieten, verspricht die Stadt. Schon seit Sommer 2022 werden am Gisbert-von-Romberg-Berufskolleg Kinderpfleger nach dem PiA-Prinzip ausgebildet – bisher in einer Klasse, ab August 2023 dann in zwei Klassen.

„Wir haben alle Gehaltsstufen“
Das bedeute 28 zusätzliche Plätze, erläutert Nienaber-Willaredt vor. Und in Dortmund gebe es „viele Menschen in Dortmund, die mit ihren Ausbildungsvoraussetzungen diesen Beruf ergreifen können“. Fabido-Chef Kunstleben ergänzt: Auch Menschen mit anderen Berufen würde man gerne beschäftigen.
Ist jemand schon Heilpädagoge oder Alltagshelfer? Auch da würden sich Wege finden, deutet Kunstleben an. Man suche händeringend. „Wir haben alle Gehaltsstufen, ich kann auch durchwachsen.“ Mit den fast 100 Kitas könne man auch eine Karriereperspektive bieten. Sein Beispiel: eine Kita mit acht Gruppen und 150 Kindern – „Da führen Sie ein Team von 40 Personen!“
OGS und Kita – und eine Sorge
Mit ein bisschen Sorge blickt Kunstleben auf das Jahr 2026: „Dann greift der Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz, und ich hoffe, dass man nicht die Bedarfe gegeneinander ausspielt.“ Gemeint: dass der Offene Ganztag an Grundschulen ausgebaut wird und die Entwicklung bei den Kitas gleichzeitig stockt.
Werden Erzieher weniger wahrgenommen als Lehrer? Fühlt man sich als Vertreter der Kitas weniger wahrgenommen als die Schulen? Ja, schon, sagt Kunstleben, aber er wolle da keine Front aufbauen, nur halt etwas mehr Wertschätzung. Bildung beginne doch nicht erst in der Schule – und übrigens auch nicht erst in der Kita, sondern „eigentlich schon bei ‚minus neun‘“, also schon, wenn das Kind noch im Bauch der Mutter sei.
Wunsch an die Politik
Was er sich von der Politik konkret wünsche? Kunstleben formuliert es diplomatisch: „Ich traue allen Verantwortlichen zu, die Zeichen der Zeit zu erkennen und die Segel zu setzen.“ Es brauche halt „Rahmenbedingungen“. Das betreffe Aus- und Weiterbildung, also die fachliche Ebene – aber auch die „Arbeitsstätten-Qualität“, also die Ausstattung der Kita, ebenso die personelle Lage.
„Schule wird als etwas Garantiertes angesehen. Kaum jemand macht sich Sorgen um einen Schulplatz.“ Bei Kitas sehe das anders aus. Da würden viele Eltern immer noch vergeblich auf einen Platz warten. „Deshalb wünsche ich mir für uns dieselbe Ernsthaftigkeit in der Debatte.“
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