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Diese Dortmunder Muslima nimmt während des Kirchentags christliche Gäste auf
Evangelischer Kirchentag
Muslime und Christen während des Kirchentags unter einem Dach. Kann das funktionieren? Die Dortmunderin Yamina Hammoud und ihre Gäste aus Sachsen-Anhalt machen vor, wie das funktioniert.
Das Rentner-Ehepaar Günther und Gudrun Wosylus wusste bis zu ihrer Ankunft in Dortmund nicht, dass sie während des Evangelischen Kirchentags bei einer Muslima übernachten würden.
Und Yamina Hammoud, die Gastgeberin, ahnte nicht, dass ihre Gäste aus den neuen Bundesländern kommen würden. Um genau zu sein, aus Magdeburg.
Der Kontakt kam durch den Evangelischen Kirchentag zustande. Er vermittelt wie üblich zwischen Besuchern und Gastgebern während der Großveranstaltung.
Laut Kirchentags-Sprecher Stephan von Kolson sind allein in Dortmund 2115 Betten bei 884 Gastgebern gefunden worden. Die Religionszugehörigkeit spielt bei der Vermittlung keine Rolle.
Und wie es der Zufall so will, kommen dabei Menschen zusammen, die scheinbar unterschiedlicher nicht sein könnten.
Der erste Kontakt zwischen der Muslima und den Christen
Anfang Juni hatten sich das Rentner-Ehepaar und die Muslima zum ersten Mal telefonisch ausgetauscht. Dabei ging es um ganz Praktisches, wie zum Beispiel die Lage und Größe der Wohnung.
Hammoud hatte den interessierten Gästen noch empfohlen, dass sie lieber ohne Auto kommen sollten, weil die Parkmöglichkeiten im Kreuzviertel eher schlecht seien.
Von der islamischen Religionszugehörigkeit war keine Rede. „Wenn wir gewusst hätten, dass unsere Gastgeberin Muslima ist, hätte uns das auch nicht abgehalten“, sagt der Senior.
Erst als das Ehepaar vor der Tür stand, kam ihnen langsam in dem Sinn, dass es sich um eine Muslima handeln könnte.
Die Motivation der Muslima Christen bei sich aufzunehmen
„Sie sah südländisch aus, der Name klang muslimisch und irgendwann im Gespräch haben wir es dann erfahren“, so die Magdeburgerin.
Die Überraschung über die Religionszugehörigkeit hielt sich jedoch in Grenzen. Viel erstaunter waren sie darüber, wie jung ihre Gastgeberin ist. Am Telefon habe sich die 37-jährige Hammoud wohl älter angehört.
Vor dieser Begegnung hatte das ältere Ehepaar so gut wie keine Berührungspunkte mit Muslimen. Ihr Freundeskreis sei eher christlich geprägt, bei der Muslima ist es umgekehrt genauso.
Durch die Begegnungen werden Vorurteile auf beiden Seiten abgebaut
Für Hammoud ist es selbstverständlich, Gäste bei sich zu Hause aufzunehmen. Sie findet, dass Religionen eher verbinden als spalten sollten.
Die Begegnung betrachtet sie als schöne Gelegenheit, um sich auszutauschen und Vorurteile aus dem Weg zu räumen.
So sehen es auch ihre Gäste. Günther Wosylus sagt: „Schlechte Menschen gibt es überall, egal ob bei Muslimen, Juden oder Christen. Je weniger man weiß, desto großer sind die Vorurteile.“
Für Yamina Hammoud war es auch ein persönliches „Experiment“. „Mit den neuen Bundesländern bringe ich vor allem die AfD in Verbindung, weil die Partei im Osten so stark ist“, sagt sie. Ihre Befürchtungen haben sich jedoch im Falle des Ehepaars nicht bewahrheitet.
Die Gäste sind von der Herzlichkeit überwältigt
Den Gästen aus dem Osten hat Hammoud ihr Bett zur Verfügung gestellt, während sie selbst auf der Couch im Wohnzimmer schläft. Sie wohnt mit ihrem Sohn und dem Kater in einer Drei-Zimmer-Wohnung.
Gudrun Wosylus ist davon überwältigt „Ich weiß nicht, ob wir unser Bett freigegeben hätten. So eine Herzlichkeit habe ich selten erfahren.“
Morgens früh holt die Gastgeberin frische Brötchen und deckt den Tisch für die Mageburger. Gudrun Wosylus strahlt und sagt: „Es schmeckt wie ein 5-Sterne-Frühstück.“ Gleich geht sie mit ihrem Ehemann aus dem Haus, um einige Veranstaltungen zu besuchen.
„Was für ein Vertrauen?“
Die Gäste können kommen und gehen, wann immer sie wollen, denn Hammoud hat ihnen gleich am ersten Tag einen Haustürschlüssel gegeben.
„Das würden wir auch so machen. Es wäre schön, wenn Yamina Hamoud uns mal in Magdeburg besucht“, sagt das Rentner-Ehepaar.
Hier herrscht offensichtlich blindes Vertrauen, ganz im Sinne des Kirchentags – denn das Motto lautet: „Was für ein Vertrauen?“
Said Rezek ist Volontär bei den Ruhr Nachrichten. Hier schreibt er über alles und jeden. Vorher war er als freier Journalist unter anderem für die WAZ und bei der taz tätig. Dort hat er vor allem über Medien und Migration berichtet.
