Polizei Dortmund

Kinderpornografie-Ermittlungen: 400 Kinder an Dortmunder Schule betroffen

Nacktbilder, Drohungen, Erpressung: Aktuell ermittelt die Polizei in „einer Vielzahl“ von Fällen aus Dortmund und Lünen wegen Straftaten in Online-Chats. Eine Schule ist besonders betroffen.

Dortmund

, 17.05.2021 / Lesedauer: 4 min

In vielen Chatgruppen von Jugendlichen werden strafbare Inhalte verschickt. © dpa

Als die Polizei im März ihre neue Kriminalstatistik veröffentlicht hat, ist besonders aufgefallen, wie stark die Zahl der Sexualstraftaten angestiegen ist. Mehr als 1000 Fälle hat die Behörde in Dortmund und Lünen registriert - im Vorjahr waren es „nur“ 836.

Aktuell gebe es „eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren, bei denen es um sexuelle Nötigung, sexuellen Missbrauch, Bedrohung, Erpressung, Volksverhetzung und Gewaltdarstellungen in Chats geht“, sagt Sprecher Peter Bandermann. Jugendliche seien dabei nicht nur Opfer, sondern auch Täter.

14-Jährige veröffentlicht Nacktfotos einer 13-Jährigen

Dazu nennt er ganz konkrete Beispiele, mit denen sich die Polizisten in der jüngeren Vergangenheit beschäftigt haben. Zum Beispiel seien da zwei 13- und 14-jährige Schülerinnen gewesen, die zunächst vertraulich intime Fotos ausgetauscht hätten. Je nach Art der Bilder könne es sich schon dabei um eine Straftat gehandelt haben.

Jetzt lesen

Anschließend sei die Freundschaft zerbrochen - und die 14-Jährige veröffentlichte Nacktfotos der 13-Jährigen in einem Klassen-Chat, um sie bloßzustellen. Das Foto geriet online außer Kontrolle, alle aus der Klasse konnten es sehen. Mit dem Versenden des Bildes hat die 14-Jährige erneut eine Straftat begangen.

In einem anderen Fall hat ein 53-jähriger Mann in einem Onlinespiel mit einem Mädchen (13) gechattet. Über Monate habe er sich das Vertrauen der Jugendlichen erschlichen - und sie aufgefordert, ihm intime Fotos zuzusenden. Der Mann beging bereits in diesem Stadium eine Straftat, ohne dass auch nur ein Foto verschickt wurde. Diese Form des Anbahnens einer Tat ist ein Fall von „Cybergrooming“, so Bandermann.

Bereits bekannt ist, dass es regelrechte „Callcenter“ gibt, aus denen Senioren mit Telefonanrufen betrogen werden sollen. Eine junge Frau hat in ähnlicher Weise mit einem 15-Jährigen gechattet. Nach Aufforderung schickte er ihr ein intimes Foto von sich. Nun erpresste sie ihn: Überweise er nicht 100 Euro, werde sie das Bild im Internet veröffentlichen, hieß es. Hierbei geht es um „Sextortion“ - eine Form der Erpressung.

Dieser Inhalt kann hier nicht dargestellt werden. Bitte besuchen Sie unsere Website um den vollständigen Artikel zu lesen.

Ein weiteres Beispiel der Gewalt in digitalen Räumen: Jugendliche Schüler haben einen Mitschüler als homosexuell bezeichnet. Sie äußerten im Chat der Klasse drastische Gewaltfantasien, formulierten Drohungen, verherrlichten dabei auch Adolf Hitler und verwiesen darauf, dass man „das Problem lösen“ könne. Auch sie begingen Straftaten, die Polizei ermittelt.

Neun von zehn Hinweisen zu solchen Taten kämen aus den Schulen, sagt Peter Bandermann. Die lange bestehenden engen Kontakte der Jugendkontaktbeamten seien da besonders wichtig. Um das Vertrauen von Zeugen nicht zu verletzen, teilt die Polizei nicht mit, um welche Standorte es sich bei den Fällen handelt.

Beteiligte sind in der Regel 12 bis 16 Jahre alt

Bestätigt sich ein Verdacht, beschlagnahmt die Polizei die Smartphones oder andere Datenträger. Nicht nur das Versenden zum Beispiel von kinderpornografischen Inhalten kann strafbar sein - auch der Besitz etwa in einer Chat-App steht unter Strafandrohung.

Im Jahr 2020 waren an einer Dortmunder Schule 140 Jungen und Mädchen von Ermittlungen betroffen. In einem aktuellen Fall sind es sogar 400, wie Bandermann berichtet.

Bei der Auswertung der Datenträger von Jugendlichen entdeckt die Polizei immer wieder weitere strafbare Inhalte, darunter auch heruntergeladene Videos mit schwersten sexuellen Missbrauchshandlungen an Kindern.

Die Jugendkontaktbeamten Katja Wittmann-Jodscheit und Mark Poltrock stehen Familien für Fragen rund um Straftaten im digitalen Raum zur Verfügung. © Polizei

Die Opfer und Tatverdächtigen seien in der Regel zwischen 12 und 16 Jahre alt, berichten die Jugendkontaktbeamten Katja Wittmann-Jodscheit und Mark Poltrock. Die Betroffenen stammen aus allen Bevölkerungsschichten. Sogar aus Grundschulen gebe es aber auch schon Hinweise zu strafbaren Inhalten.

Katja Wittmann-Jodscheit sagt: „Es liegt in der Verantwortung von uns Eltern, mit Kindern und Jugendlichen auch über die Gefahren im Internet zu sprechen.“ Und Mark Poltrock ergänzt: „Kinder müssen heute schon früh lernen, wann das Versenden eines Fotos oder eines Videos eine Straftat ist. Sie müssen ein Unrechtsbewusstsein entwickeln. Vor allem auch müssen sie die kriminelle Absicht eines Chat-Partners oder einer Chat-Partnerin erkennen und die Kommunikation sofort unterbrechen können, um sich selbst vor einer Straftat zu schützen.“

Aktionstage der Polizei mit Telefonaktion

Mit einer dreitägigen Informationsreihe nutzt die Polizei in Dortmund und Lünen ab Dienstag (18.5.) ihre sozialen Netzwerke, ihre Webseite und eine Telefonaktion, um Jugendliche, Eltern und pädagogische Fachkräfte über Straftaten im Internet zu informieren.

Polizeipräsident Gregor Lange bittet die Eltern: „Vereinbaren Sie einen Termin mit unseren Experten und nutzen Sie die digitalen Elternabende unseres Kommissariats für Kriminalprävention.“ Der Kontakt ist möglich unter Tel. (0231) 1 32 70 53 oder per E-Mail an vorbeugung.dortmund@polizei.nrw.de.

Am Mittwoch (19.5.) bieten die Jugendkontaktbeamten von 17 bis 19 Uhr eine Telefonberatung an unter Tel. (0231) 1 32 34 56. Zeitgleich informiert der Online-Experte der Polizei, Marcel Wessollek, über das Angebot der digitalen Informationsveranstaltungen unter Tel. (0231) 1 32 70 53. Weitere Infos gibt es auf der Internetseite der Polizei unter https://dortmund.polizei.nrw/cybergrooming-sextortion-kinderpornografie.