Was Immobilien-Experten mit dem Aufkommen der Debatte um das Heizungsgesetz grob geschätzt haben, hat eine Analyse bestätigt: mit Einführung von Mindesteffizienzstandards, wie es die EU geplant hatte, wäre in Dortmund jedes zweite Wohngebäude energetisch sanierungsbedürftig gewesen. „Das Thema ist jetzt aber vom Tisch“, gibt Dr. Thomas Bach, Hauptgeschäftsführer von Haus & Grund Dortmund, Entwarnung.
Vor dem Hintergrund der anstehenden Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie, die bis 2033 keine energetische Sanierungspflicht für Wohngebäude mit den Energieeffizienzklassen A+ bis D vorsah, rückte die Optimierung der Energieeffizienz von Wohngebäuden, die schlechter abschneiden, verstärkt in den Fokus.
Die Online-Datenbank Geomap hatte dazu untersucht, wie hoch der Anteil der Gebäude der Effizienzklassen A+ bis D in Deutschland überhaupt ist. Die kürzlich vorgelegte Analyse basierte auf 916.000 Angebotsanzeigen, die in Online-Immobilienportalen von Januar 2018 bis Oktober 2023 bundesweit verfügbar waren.
Beste Effizienzraten in Suhl
Das Ergebnis: Die besten Effizienzraten sind in Suhl (93,0 Prozent), Rostock und Cottbus (je 92,8 Prozent) zu verzeichnen - also in Städten in den neuen Bundesländern. Schlusslichter sind Wilhelmshaven (16,5 Prozent), der Landkreis Wesermarsch (30,2 Prozent) und Emden (31,6 Prozent). Spitzenreiter der Top-10-Städte in Deutschland ist Leipzig. Dort sind 84,3 Prozent aller Wohngebäude in die Klassen A+ bis D eingestuft.
Dortmund schneidet viel schlechter ab. Nur 57,2 Prozent der inserierten Wohngebäude also so energieeffizient vorgestellt worden, dass sie die von der EU geplanten Mindeststandards erfüllt hätten. Fast jedes zweite Gebäude hätte also im Umkehrschluss energetisch sanierungsbedürftig gegolten. Und in Hamburg oder Düsseldorf wäre es genauso gewesen. Das macht deutlich, warum mehrere EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere Deutschland, auf mehr Flexibilität bei der Senkung des Energieverbrauchs in Wohngebäuden gesetzt haben.

Die bessere energetische Qualität von Wohngebäuden in den neuen Bundesländern im Vergleich zu Dortmund und Westdeutschland ist in der Geomap-Analyse frappierend und könnte auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein: beispielsweise auf unterschiedliche Sanierungsmaßnahmen nach der Deutschen Einheit, auf regionale Baustandards und individuelle Entscheidungen von Eigentümern.
Für die Leipziger Real Estate Pilot AG, die Online-Anwendungen für die Immobilienwirtschaft entwickelt und betreibt und zu der Geomap gehört, liegt eine mögliche Erklärung für die bessere Gebäude-Energieeffizienz in Ostdeutschland möglicherweise im durchschnittlich niedrigeren Alter der Wohngebäude. „Dort sind die Gebäude im Schnitt neuer oder mussten nach der Wende saniert oder komplett neu aufgebaut werden“, sagt Marketingmanagerin Bilyana Mikova auf Nachfrage.
Regelungen abgeschwächt
In Dortmund können viele Besitzer von älteren Immobilien jetzt erleichtert sein. „Es gibt keine zwingenden Sanierungsvorgaben für ineffiziente Gebäude mehr“, sagt Thomas Bach von Haus & Grund. Allerdings bleibe der Ansatz erhalten, ineffiziente Wohngebäude zu renovieren. Die verbindlichen Regelungen dazu seien aber jetzt abgeschwächt und mehr Flexibilität bei der Umsetzung sei ermöglicht worden.
Ob das am Wertverlust unsanierter Häuser etwas ändert, gilt es abzuwarten. Auf dem hiesigen Immobilienmarkt zeigt sich, dass die Preisschere zwischen älteren, unsanierten und neueren Gebäuden in diesem Jahr auseinander gegangen ist. Für ältere Gebäude hat die LBS NordWest einen Wertverlust von 15 Prozent festgestellt. Eine Analyse des Immobilienportals Immowelt hat dagegen ergeben, dass Gebäude mit jüngerem Baujahr und damit oftmals besserer Energieeffizienz preislich aktuell die Gewinner sind.
Merkliche Preisunterschiede zu älteren Immobilien gibt es demnach in allen untersuchten Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern. In 5 von 14 Städten liegt der Aufschlag bei etwa einem Drittel: Immobilien mit Baujahr ab 2010 werden laut Immowelt-Preiskompass für das 3. Quartal zwischen 30 und 35 Prozent teurer angeboten als Objekte vergleichbarer Ausstattung mit Baujahr 1990 bis 2000. Für Eigentumswohnungen mit Baujahren ab 2010 lagen die Angebotspreise in Dortmund um 36 Prozent über denen der Baujahre 1990 bis 2000.
Kaum noch Neubau
„Die in Medien und Öffentlichkeit sehr präsenten Debatten über Sanierungspflichten, das Heizungsgesetz und lange Wartezeiten bei Handwerkern haben Kaufinteressenten aufgeschreckt“, sagt Felix Kusch, Geschäftsführer von Immowelt.
„Für Immobilien älteren Baujahres mit im Normalfall schlechterer Energieeffizienz befürchten Kaufinteressenten hohe Folgekosten. Zumal sich angesichts der höheren Zinsen auch Sanierungskredite verteuert haben. Wohnungen mit schlechtem energetischem Zustand werden daher weniger nachgefragt und können nur mit spürbaren Preisabschlägen vermarktet werden“, so Kusch.
Das ist jetzt am Jahresende eine Momentaufnahme, die sich schon bald ändern könnte. Weil die Bauaktivitäten stark eingebrochen sind und für viele Kaufinteressierte die Alternative Neubau somit wegfällt, kann sich die Preisentwicklung für ältere Häuser und Wohnungen im Jahr 2024 auch wieder umkehren. Beim Eigentümerverband Haus & Grund Dortmund geht Geschäftsführer Thomas Bach davon aus, dass der Preisverfall sich nicht fortsetzen wird. Er erwartet im nächsten Jahr fallende Zinsen. „Und da eben kaum Neubau stattfindet“, sagt er, „wird sich auch dies stabilisierend auf die Preise von Bestandsimmobilien auswirken.“
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