Luxus-Seniorenresidenz in Dortmund Jürgen (83) zahlt 3500 Euro für 45 Quadratmeter

„Das ist mit Geld gar nicht zu bezahlen“
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Man merkt es sofort: Jürgen hat Humor. „Hätte ich das gewusst, hätte ich das kleine Schwarze angezogen“, scherzt der 83-jährige Dortmunder, als der Fotograf die Kamera zückt, um ihn in Szene zu setzen. In seinem E-Rollstuhl fährt er vorweg, durch die Gänge bis zu seinem Apartment in der Seniorenresidenz Phoenixsee. Hier wohnt er seit Mitte 2023.

In Dortmund und Umgebung ist die Residenz die luxuriöseste Möglichkeit, im Alter betreut zu wohnen oder gepflegt zu werden. Jürgen, neben Humor auch mit einer sehr direkten Art ausgestattet, formuliert es so: „Wer hier nicht zurechtkommt, jammert auf hohem Niveau.“

3500 Euro monatliche Kosten

Einmalige Lage, exklusive Ausstattung, großzügige Architektur, professionelle Rund-um-die-Uhr-Betreuung, dazu ein Gourmetrestaurant, ein Fitnessraum, eine Physiotherapie-Praxis, ein Friseur, ein Kiosk, sogar ein eigener Konzertsaal. Beim Blick über Ausstattungsmerkmale der Seniorenresidenz bleiben keine Wünsche offen. Betritt man die Wohneinrichtung, hat man das Gefühl, man betritt ein gehobenes Hotel. Kein Hauch von Altenheim.

Das hat seinen Preis: 3500 Euro zahlt Jürgen monatlich für sein 45-Quadratmeter-Apartment mit Balkon und Seeblick – inklusive Vollverpflegung, Service und aller Nebenkosten. Für ihn völlig im Rahmen: „Zu dem Preis hat man hier alles, was man braucht. Man muss hier nur noch alt werden, sonst nichts.“

3500 Euro, das muss man sich leisten können: Jürgen kann es. 1974 gründete er Uniorg, eine IT-Beratung im SAP-Umfeld: „Ich habe als Ein-Mann-Betrieb angefangen, bin über 30 Jahre gewachsen und habe die Firma auf über 100 Leute ausgebaut.“ 2002 verkauft er Uniorg. Drei Jahre berät er die neuen Geschäftsführer noch – dann zieht er sich ganz aus der Firma zurück, die mittlerweile 240 Mitarbeiter hat.

Von Ruhestand kann trotzdem noch keine Rede sein: „In meiner Freizeit bin ich Bauträger für ein neues Bürogebäude für Uniorg. Ohne Arbeit kann ich nicht leben. Wenn du nichts mehr tust, bist du in einem halben Jahr bekloppt oder tot.“

Blick auf Fernseher, Couch, Sessel und Schrank in der Wohnung von Jürgen in der Seiorenresidenz Phoenixsee in Dortmund.
Der Wohnbereich bietet Platz für eine kleine Couch, Musikanlage und Fernseher, einen Schrank und einen bequemen Sessel. Die Figuren, die auf dem Schrank stehen, hat Jürgens Frau Ingrid gesammelt. © Oliver Schaper

Dass Jürgen gerne arbeitet, sieht man auch seinem neuen Zuhause an: Betritt man sein Apartment, fällt sofort ein Schreibtisch mit Computer und Drucker auf, der mittig vor der Fensterfront mit Blick auf den Phoenixsee steht. Was man ansonsten schnell erahnt: Früher hat der Dortmunder gemeinsam mit seiner Ehefrau Ingrid deutlich großzügiger gewohnt. In seinem kleinen Reich stehen relativ viele Möbelstücke und viel Deko: Auf den Schränken viele Gänse-Figuren, auf einem kleinen Beistelltisch mehrere Stofftiere, an den Wänden hängen mehrere Trompeten.

In seinem alten Leben war für all das mehr Platz – im Laufe der Jahre haben er und seine Frau in großen Häusern auf dem Höchsten gewohnt, bis zu 250 Quadratmeter Wohnfläche standen dem kinderlosen Ehepaar zur Verfügung. Ein gehobener Lebensstandard, das ist Jürgen Lehmann bewusst. Ein Lebensstandard, den er sich hart erarbeitet hat: „Morgens um 7 Uhr aus dem Haus, um 20 Uhr zu Hause.“ Wenn er von seinem Arbeitsleben spricht, klingt es nach einer klaren Prioritätensetzung mit hohem Einsatz für die Firma.

Doch der 83-Jährige betont, dass die Balance stimmte: „Wir sind dreimal im Jahr in den Urlaub gefahren - im Januar St. Moritz, im Sommer in den Süden, Griechenland, Portugal, Italien, im September Sylt.“ Irgendwann bürgerte es sich ein, dass das Paar einmal im Jahr zusätzlich solo Urlaub machte. Der Rhytmus aus Arbeit und Entspannung spielt sich über die Jahre gut ein. „Wir haben uns das gut eingeteilt. Mehr wollten wir eigentlich gar nicht.“

Schwerer Unfall erfordert Umzug

Die Frage nach dem Leben im Alter ist damals noch weit weg, das Ehepaar ist auch im Rentenalter fit. Trotzdem kommen irgendwann die ersten Gedanken auf, wann der richtige Moment für einen Umzug in ein seniorengerechtes Zuhause ist. Mitte 70 ist der Dortmunder zu diesem Zeitpunkt. „Man hat gesehen, wie links und rechts Freunde wegstarben. Da haben wir uns für ein Seniorenheim interessiert.“ Das Paar besichtigte die Einrichtung, ist davon aber „überhaupt nicht angetan“, wie Lehmann es zurückhaltend ausdrückt. „Dann fiel das typische Argument, das bestimmt viele Leitungen solcher Häuser oft hören: Wir sind noch nicht so weit.“

Ein paar Jahre später trifft das Leben die Entscheidung, die das Paar noch vor sich her schiebt: Ingrid verunfallt schwer. „Da ging die ganze Chose los“, genauer möchte ihr Mann nicht ins Detail gehen. Nachdem klar wird, dass Ingrid zukünftig viel Pflege benötigen wird, sucht ihr Mann ihr Mitte 2021 einen Platz in einem Pflegeheim in Hagen. Glücklich wird das Paar mit dieser Lösung nicht.

Ingrid vegetiert im Pflegeheim vor sich hin: Bei seinen Besuchen findet Jürgen sie größtenteils im Halbschlaf im Bett liegend vor. „Die Besuche dort waren recht frustrierend.“ Und auch im alten Zuhause ist das Leben für Jürgen plötzlich ein völlig anderes: „Irgendwie vereinsamt man doch. Erst merkt man es nicht so, aber man wird eigenbrötlerisch.“

Als sich Jürgen eingesteht, dass sich etwas ändern muss, hört er erstmals von den Plänen zum Bau der Seniorenresidenz am Phoenixsee. Er nimmt Kontakt zum Geschäftsführer Jarek Belling auf und merkt schnell: „Das könnte etwas für uns sein.“ Das „uns“ ist Jürgen dabei wichtig: Dass in der neuen Einrichtung betreutes Wohnen und stationäre Pflege möglich sind, ist für ihn ein entscheidender Faktor.

Noch vor der Eröffnung der Residenz unterschreibt er einen Vor-Mietvertrag, möchte zur geplanten Eröffnung im Oktober 2022 einziehen. Daraus wird nichts - die Bauarbeiten verzögern sich. Letztlich kann er erst im Juni 2023 an den Phoenixsee ziehen. Die erste wichtigste Aufgabe: Jürgen arrangiert den Umzug seiner Frau - Ingrid zieht aus dem Pflegeheim in Hagen in die Seniorenresidenz, auf die Pflegestation. Im Nachhinein die „beste Entscheidung meines Lebens“, da ist sich der 83-Jährige sicher. „Ab da konnte ich sie täglich mehrfach sehen.“ Aber noch entscheidender: Ingrid macht tolle Fortschritte.

„Als sie herkam, wurde sie künstlich ernährt. Hier hat man nach zwei Tagen auf Festkost umgestellt und sie langsam aufgepäppelt. Sie ist richtig aufgeblüht. Vorher hatte sie zwei Jahre nicht ein Wort gesprochen. Hier wurde sie immer wacher.“ Mittlerweile „quatscht sie wie ein Wasserfall, guckt raus, nimmt ihre Umgebung wieder richtig wahr, liest Zeitung.“

Überdurchschnittliche Pflege

Man hört Jürgen die Erleichterung, aber auch ein wenig Unglauben über diese großartige Entwicklung an, an die er selbst wohl nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. „Ich führe das eindeutig auf die Pflege hier im Haus zurück.“ In der Seniorenresidenz liegt der Personalschlüssel in der Pflege über dem gesetzlich geforderten Niveau. Was das im Alltag bedeutet, sei „mit Geld gar nicht zu bezahlen“, meint er.

Die Lösung, in unmittelbarer Nähe zu seiner Frau wohnen zu können, trägt dazu bei, dass Jürgen die Seniorenresidenz für sich als „ideale Lösung“ sieht. Aber auch er selbst ist hier zufrieden. Die deutlich kleinere Wohnfläche kommt ihm mittlerweile entgegen. „Manchmal bin ich selbst erstaunt, wie gut ich im Kopf noch drauf bin. Das Knie ist kaputt, aber das ist alles.“ In seinem Apartment rollt er am liebsten auf seinem Bürostuhl hin und her. Vom Schreibtisch an die kleine Küchenzeile. Oder in die andere Richtung zur Wand, hinter der sein Bett steht.

Einige kleine Möbelstücke hat er mitgebracht, zum Beispiel einen Holztisch, der früher in der Küche stand. „Die Stühle dazu passen hier nicht mehr rein, aber vom Tisch konnte ich mich nicht trennen.“ Wer seine Wohnfläche so drastisch verkleinert, der muss Abstriche machen: „Wenn du hier einziehst, kannst du Zweidrittel wegschmeißen. Das ist für viele der größte Horror.“ Der Vergleich zu früher schmerzt auch ihn hin und wieder: „25 Jahre haben wir auf dem Höchsten gewohnt, in wunderschönen Häusern. Aber ich kann sie ja nicht mehr bewohnen, was soll ich dem nach jammern?“

Blick auf die Küchenzeile des Apartments von Jürgen in der Seniorenresidenz am Phoenixsee.
Den Holztisch hat Jürgen aus seinem alten Haus mitgebracht, ebenso das Bild, das in der kleinen Küche hängt. © Oliver Schaper

Wie heimisch fühlt er sich in seinem Apartment, wie sehr ist es ihm ein Zuhause geworden? Jürgen wird kurz ruhig, nachdenklicher. Ganz selbstverständlich ist die Antwort nicht, er überlegt. „Meine Frau sagt, es ist nicht ihr Zuhause. Das ist manchmal schwierig. Ich habe mich arrangiert. Ich habe keine andere Möglichkeit. Ich kann nicht einkaufen, kochen, rumlaufen. Warum soll ich das in Abrede stellen? Wenn man die Wahl hätte, dann wäre man gerne noch mal 10 Jahre jünger und könnte das alles alleine.“

Gewisse Dinge am Altern lassen sich nicht schönreden. Jürgen versucht es erst gar nicht. Außerdem - und vielleicht trägt diese Einstellung noch mehr als der Luxus des Seniorenresidenz dazu bei, dass der Senior mit seinem Leben und Wohnen im Alter zufrieden ist – der 83-Jährige ist bereit, sich darauf einzulassen, sich mit den neuen Gegebenheiten zu arrangieren.

Er pickt sich aus dem Angebot der Seniorenresidenz das heraus, was ihm guttut. Von der Vollverpflegung nimmt er nur das Mittagessen in Anspruch. Und das nicht in dem gehobenen Restaurant Phoenixsee, das mittags exklusiv für die Bewohner der Residenz zur Verfügung steht, und erst abends für andere Gäste öffnet. Er lässt sich das Vier-Gänge-Menü lieber aufs Zimmer bringen. „Ich schlafe morgens mittlerweile etwas länger, frühstücke erst um 10 Uhr, da ist mir 13 Uhr zu früh zum Mittagessen.“ Auch das Frühstück nimmt er auf seinem Zimmer ein: „Ich mag mich morgens nicht aufbrezeln“, sagt er mit einem Zwinkern.

„Das Leben geht weiter“

Das gehobene Ambiente wird seinen Teil zum Wohlfühlen beitragen, aber noch mehr scheinen es die persönlichen Kontakte zu sein, die Jürgen Lehmann schätzt: Das Personal, das immer bereitsteht und hilft. „Wenn man etwas will, ruft man an oder geht zur Rezeption, die regeln schon viele Dinge für mich. Auch alles, was mit Putzen zu tun hat.“

Außerdem hat Jürgen das Glück, im Haus eine Clique gefunden zu haben, die sich abends gerne in der Kaminlounge zusammensetzt. Sogar zwei Urlaube hat er schon für diese Gruppe organisiert. Auch das ist auf einer Internetseite dokumentiert, die Jürgen pflegt. Adressaten sind vor allem Freunde, die weiter weg leben und einen Eindruck vom neuen Leben des Ehepaars bekommen sollen.

Idyllische Fotos vom See mischen sich mit Privatfotos des Ehepaars vor dem Weihnachtsbaum der Residenz oder der Clique, die mit Aperol Spritz auf den Bänken vor der Einrichtung sitzt. Zwischen den Fotos ein einfacher Satz, lapidar formuliert, wie es gut zur direkten Art von Jürgen passt: „Das Leben geht weiter.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 14. Dezember 2024.

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