
© Dieter Menne (Archivbild)
„Ich mach‘ nicht auf, wenn meine Gäste Schnelltests machen müssen“
Keine Perspektive für Gastronomen
Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, hätten Dortmunds Restaurants diesen Montag wieder draußen öffnen dürfen. Dann kam die dritte Corona-Welle. Viele Gastronomen verzweifeln - und werden wütend.
Bis vergangene Woche war Detlef Lotte voll im Vorbereitungsmodus: Der Gastronom, der im Kreuzviertel das „Schönes Leben“ und in Syburg das „Dieckmann’s“ betreibt, hatte schon Pflanzen für die Blumenkisten bestellt, die Planungen für die Lebensmittel-Käufe waren weit fortgeschritten.
Sogar 100 Schnelltests hatte er sich besorgt, für den Fall, dass einige Gäste vergessen, sich im Vorfeld testen zu lassen. Lotte glaubte fest daran, dass er am Montag (22.3.) wieder öffnen könne - so sah es bei stabilen Infektionszahlen der 5-Stufen-Plan vor, den Bund und Länder bei ihrem letzten Corona-Gipfel Anfang März beschlossen hatten.
Doch dann schossen die Inzidenzen in die Höhe - und niemand redete mehr von Lockerungen, nur noch von Notbremsen. Gerade noch konnte Lotte die Blumen stornieren, und auch seine Kühlräume bleiben leer. Was bleibt, ist tiefer Frust: „Es ist eine einzige Katastrophe.“

Detlef Lotte vom „Dieckmann‘s“ sagt: „Es ist eine einzige Katastrophe.“ © Oliver Schaper (Archivbild)
Viele Dortmunder Gastronomen waren in den vergangenen zwei Wochen weniger optimistisch als Lotte. Die Wirte am Alten Markt etwa hatten bereits im Vorfeld „ganz klar“ verabredet, „dass wir zum 22. nicht öffnen“, sagt Jörg Kemper, Geschäftsführer des „Wenkers am Markt“.
Stacheldraht um Dortmunds Wohnzimmer
Der Alte Markt lebe von Gästen, die nach dem Shopping spontan auf ein Bier vorbeikommen. Zugangsregelung, Gästekontrolle, Schnelltest-Wartebereiche - all das würde diese Atmosphäre zerstören. „Der Alte Markt war das Wohnzimmer der Stadt“, sagt Kemper. „Hier hat jeder sein passendes Sofa gefunden. Doch wer setzt sich schon, wenn das Sofa mit Stacheldraht umzogen ist?“
Momentan ist Kemper auf der Suche nach ansehnlichen Trennwänden, mit denen man den Zugang zu seinem Außenbereich regulieren könne, ohne die Atmosphäre zu zerstören. Das Wenkers allein rechnet dafür mit einer fünfstelligen Investitionssumme.
Ganz anders Phillip Schneider. Der Neu-Sternekoch hat die Sommersaison in seinem Restaurant „Der Schneider“ in Wambel bereits abgehakt. „Ich mach‘ nicht auf, wenn meine Gäste vorher Schnelltests machen müssen“, sagt der Koch, „da geht das Restaurant-Feeling verloren.“
Seinen 25 Plätze fassenden Außenbereich für einen behelfsmäßigen Betrieb fit zu machen, ergibt für Schneider keinen Sinn: „Dafür bräuchten wir verlässlich warme Temperaturen.“ Das ist ihm das Geld nicht wert. „In der Corona-Krise habe ich schon Hunderttausende Euro Minus gemacht“, sagt der Spitzenkoch.
Sternekoch: „Für mich ist das nur noch eine Lachnummer“
Für die Corona-Politik der Regierung findet er harte Worte: Die sei ein „Total-Versagen“, sagt er, besonders wenn man sich angucke, dass es andere Länder schafften, durch Impfungen oder andere Maßnahmen sogar Clubs wieder zu öffnen. „Für mich ist das nur noch eine Lachnummer.“
Zum wortgleichen Urteil kommt Hubertus Brand, Mit-Betreiber des Roadstops in Syburg. Seine Restaurant-Gruppe hatte Anfang März zu den Mitunterzeichnern eines Aufrufs gehört, in dem die zeitgleiche Öffnung der Gastronomie mit dem Einzelhandel gefordert wurde.
Auf eine Öffnung der Außengastronomie zum 22. März habe man sich aber trotzdem nicht vorbereitet: „Das Terrassen-Modell kam für uns überhaupt nicht in Frage, und für die meisten meiner Kollegen auch nicht“, sagt Brand, der auch Vorsitzender des Branchenvereins „Ausgehen in Dortmund“ ist.
Wonach sich Brand sehnt, ist eine echte Öffnungsperspektive. Doch in Dortmund denke der Oberbürgermeister lieber an erneute Schließungen. „Hier ist nur Stillstand.“
Wann können Dortmunds Restaurants wieder öffnen? Dazu gibt es höchst unterschiedliche Antworten: „Wir arbeiten massiv daran, dass wir ab dem 15. April bereit sind“, sagt Wenkers-Wirt Kemper. Roadstop-Betreiber Brand hält Juni oder Juli für realistisch. „August allerfrühestens, eher später“, sagt Sternekoch Schneider.
„Dieckmann’s“-Gastronom Detlef Lotte will gar keine Prognose mehr abgeben: „Man hört langsam auf, darüber nachzudenken. Wir sind inzwischen abgestumpft.“
1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
