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Dortmunds Friseure erwarten Kunden-Ansturm - und hadern mit Hygieneregeln
Wiedereröffnung trotz Corona
Die Friseur-Salons dürfen ab dem 4. Mai unter strengen Hygieneauflagen wieder öffnen. Dortmunds Friseure erwarten einen Ansturm. Für manche Betriebe kommt er zu spät.
Für die Dortmunder liegt der letzte Friseur-Besuch schon über einen Monat zurück - wenn nicht noch viel länger. Bisher mussten sich viele mit Styling-Tipps für Zuhause begnügen. Am 4. Mai (Montag) dürfen die Salons voraussichtlich wieder öffnen – jedoch mit strengen Hygieneauflagen. Das stellt viele Friseure vor bisher unbekannte Herausforderungen.
Ganze sechs DIN-A4-Seiten lang ist das Dokument der Berufsgenossenschaft für Gesundheits- und Wohlfahrtspflege (BGW), das die Auflagen zum Arbeitsschutz für Friseure und Kunden festlegt. Es enthält strenge Regeln zur Einhaltung des Mindestabstands, zur regelmäßigen Desinfektion und Lüftung des Salons und vieles mehr.
Die Grundsätze sind, dass sich Personen mit Corona-Symptomen nicht in den Salons aufhalten dürfen, ein „Verfahren zur Abklärung von Verdachtsfällen” festgelegt werden muss und bei allen Mitarbeiter-Tätigkeiten Mund-Nasen-Bedeckungen getragen werden müssen, „bei denen der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht sicher eingehalten werden kann”. Kunden müssen grundsätzlich Schutzmasken tragen.
Frank Kulig ist Obermeister der Friseur-Innung Dortmund und Lünen und Chef des Salons „Kulig – Der Friseur“. Er erwartet einen großen Ansturm auf die Friseur-Salons in den ersten Wochen nach der Wiedereröffnung und bemerkt die hohe Nachfrage schon jetzt.
Schon viele Termine in den ersten Wochen vergeben
„In den ersten zweieinhalb Wochen sind wir schon gut gebucht. Wir müssen die Termine auseinanderziehen, weil nur jeder zweite Stuhl besetzt sein darf”, sagt Frank Kulig. Selbiges haben seine Dortmunder Kollegen auch schon festgestellt. „Hätte ich die strengen Auflagen früher gekannt, hätte ich die Termine wahrscheinlich noch mehr gestreckt”, so Kulig.
Außerdem müssten die Kunden erst einmal etwas mehr Zeit einplanen als sonst: „Wir kommen vielleicht mit den Schnittkorrekturen nicht klar. Bei den Farben bedeuten längere Ansätze eventuell auch eine andere Arbeitstechnik. Dadurch sind wir vielleicht nicht so pünktlich fertig wie gewohnt", ergänzt Kulig. Im Voraus könne man den zeitlichen Aufwand nicht einschätzen.
Bisher seien Kuligs Kunden aber sehr verständnisvoll: „Ich habe bisher noch niemanden erlebt, der für die Hygienemaßnahmen kein Verständnis hatte.” Trotz der Hinweise, dass der Salon-Besuch etwas länger dauern könnte und die Friseure manche Arbeiten wie Bartrasuren nicht machen dürften, seien die Kunden sehr glücklich.
Frank Kulig sagt: „Meine Stammkunden haben mich sogar angerufen und gefragt, wie sie mich finanziell unterstützen könnten. Viele haben mir das Geld für kommende Frisuren schon überwiesen, um mich zu unterstützen. Bei dieser Hilfsbereitschaft bekomme ich echt eine Gänsehaut.” Sobald die Salons wieder geöffnet haben, wolle er den Kunden dafür „etwas zurückgeben”.
Hygieneregeln: Woher sollen die Schutzmasken kommen?
Die strengen Hygieneregeln seien für Kulig und seine Kollegen eine große Herausforderung. „Es ist teilweise schwierig, an Masken zu kommen. Außerdem überlegen wir, im Salon auf Kittel-ähnliche Kleidung umzusteigen", sagt Kulig. Denn die Auflagen sehen vor, dass die Kleidung der Mitarbeiter vor dem Verlassen des Salons gewaschen werden müssen.
„Mir fehlt da die Realität. Wer soll sich denn um die Kleidung kümmern? Möbelhäuser müssen doch auch nicht den Stoff herunterreißen, wenn sich jemand im Geschäft auf eine Couch gesetzt hat", so der Obermeister. Einige seiner Kollegen würden daher am ersten Tag vorerst alleine beginnen zu arbeiten, um die Lösungen auf die Auflagen zu testen.
Er sei aber auch schon vor der Corona-Krise hygienisch gut aufgestellt gewesen: „Wir haben ein starkes persönliches Gefühl zum Kunden und ein intimes Verhältnis.” Daher wolle man als Salon-Besitzer alle Risiken für Kunden ausschließen – unabhängig von Corona.
Dennoch ist für Salon-Betreiber wohl die schwierigste Aufgabe, an genügend Mund-Nasen-Masken zu kommen. „Manche Mitarbeiter haben schon zuhause Masken selber genäht”, sagt Kulig. Sein Salon würde von einem Großbetrieb mit etwa 15.000 Masken versorgt werden. „Ich kann aber auch nicht sagen, wie lange der Vorrat ausreicht", sagt er.
„Geld der letzten sechs Wochen für dieses Jahr verloren”
Neben den logistischen Problemen mit Schutzmaterial bringen die Auflagen auch hohe Kosten mit sich. Kulig erklärt: „Allein fünf Liter Flächendesinfektionsmittel kosten schon 80 Euro. Durchschnittlich geben die Salons im Monat 500 Euro nur an Hygienemitteln aus.” Und das alles nach einer Zeit, in der „kein Cent verdient” wurde, so Kulig.
Die durch die Schließung ausgebliebenen Einnahmen könnten die Friseure durch den kurzfristigen Ansturm nicht mehr ausgleichen. „Weil wir nicht mit voller Besetzung arbeiten dürfen, können wir eher weniger Kunden bedienen als vorher – egal, wie groß der Ansturm ist”, sagt Kulig. Deswegen sei „das fehlende Geld der letzten sechs Wochen für dieses Jahr verloren.”
Bereits vier Dortmunder Salon-Betreiber hätten in der Corona-Krise angekündigt, Insolvenz anmelden zu müssen. Das seien vor allem junge Selbstständige, die kaum Rücklagen hätten. „Es macht mich sehr traurig, wenn Friseure schon nach so kurzer Zeit ihren Salon aufgeben müssen", so Kulig.
Unter dem Strich freut sich Frank Kulig sehr, dass er seinen Salon ab dem 4. Mai wieder öffnen darf – und seine Kollegen ebenfalls. Denn eines ist ihm besonders wichtig: „Wir müssen schauen, dass unsere Stadt bunt bleibt, mit vielen Geschäften.”
2000 in Heinsberg geboren, seit 2020 als freier Mitarbeiter bei den Ruhr Nachrichten. Ich studiere Journalistik und Politikwissenschaft in Dortmund. Mit 16 Jahren habe ich meine ersten Erfahrungen im Lokaljournalismus gemacht - und dort fühle ich mich zuhause.
