Hohe Spritpreise, leere Tanksäulen – Das sind die Hintergründe

© Stephan Schütze

Hohe Spritpreise, leere Tanksäulen – Das sind die Hintergründe

rnKraftstoffmangel in Dortmund

Die Spritpreise an Dortmunder Tankstellen sind derzeit extrem hoch, bis zu über 1,60 Euro pro Liter. Der Grund: Engpässe bei der Kraftstoffversorgung – und die halten wohl noch weiter an.

Dortmund

, 25.11.2018, 15:49 Uhr / Lesedauer: 3 min

Mittlerweile hat das Verkehrsministerium NRW sogar das Sonntagsfahrverbot für Tanklaster aufgehoben. Das teilten die Verantwortlichen in einer Pressemeldung am Donnerstag mit. Immer häufiger nämlich geht den Tankstellen in diesen Wochen – auch denen in Dortmund – der Sprit aus. Im schlimmsten Fall sind ganze Säulen leergelaufen und müssen neu aufgefüllt werden. Die Preise steigen in ungeahnte Höhen, erreichen beispielsweise für den Kraftstoff Super je nach Uhrzeit und Tankstelle locker die 1,60-Euro-pro-Liter-Marke. Was ist passiert?

Herbert Rabl, Pressesprecher des Tankstelleninteressenverbands (TIV), wird derzeit mit Anfragen überhäuft, sein Telefon steht kaum mehr still. Er spricht unverblümt: „Der Raffinerie-Unfall bei Ingolstadt im September und das Niedrigwasser in Rhein und Donau haben die Logistikkette der Mineralölgesellschaften total durcheinander gebracht.“ Das logistische System sei „auf Kante genäht. Es ist hochoptimiert und basiert darauf, dass kein größerer Zwischenfall passiert.“ Nun gab es in der jüngeren Vergangenheit gleich zwei. Die Folge: Bei der Lieferung des Kraftstoffs gibt es ernste Probleme.

Tankschiffe fahren nur noch mit 20 Prozent Ladung

Der niedrige Wasserstand in Rhein und Donau führt dazu, dass die Rheindampfer nur noch 20 Prozent ihrer Ladung transportieren können. In der Folge laufen die Zwischenlager leer, die auf regelmäßigen Nachschub angewiesen sind. Die nun verstärkt und auch an Sonntagen eingesetzten Tanklaster könnten das Problem nur „in homöopathischen Dosen“ auffangen, so Rabl – schließlich fasse ein Lastwagen mit durchschnittlich 30.000 bis 40.000 Liter nur einen Bruchteil dessen, was ein Tanker fasse.

Im Schnitt wird eine Tankstelle zwei bis drei Mal pro Woche von so einem Laster angefahren und neu aufgefüllt. Die jeweils eigene Lagerkapazität liegt bei 120.000 bis 150.000 Liter in mehreren Erdtanks. Die braucht sie auch: Eine durchschnittlich große Tankstelle hat, so schätzt es der TIV, 300 bis 600 Kunden am Tag, die jeweils im Schnitt 35 Liter tanken – am Ende sind das also grob zwischen 10.000 und 20.000 Liter, die alleine eine einzelne Tankstelle pro Tag bereit stellen muss. Dortmund hat derzeit 92 Tankstellen – und benötigt also allein an Kraftstoff pro Tag zwischen einem und zwei Millionen Liter.

Selten komplett leergelaufen

Die Folgen sind ob dieser gigantischen Zahlen jedoch erstaunlich überschaubar: Selbst wenn eine Tanksäule leer laufen sollte, so Rabl, würde sie nach einem bis zwei Tagen, manchmal innerhalb von zwölf Stunden wieder aufgefüllt. „Die Tankstellen machen einen Notanruf und werden wieder vollgemacht“, so Rabl. Ganz selten komme es mal vor, dass eine komplette Tankstelle leergelaufen sei. Selbst das bliebe aber höchstens für einen bis zwei Tage so. Problematisch sei das in erster Linie für die Tankwarte, die den Hauptteil ihres Umsatzes, rund 60 Prozent, durch das Shop-Geschäft erwirtschafteten. Sind die Säulen leer, kommen keine – oder deutlich weniger – Kunden.

Viel gravierender ist für die Autofahrer der Anstieg der Benzinpreise, der jedoch aus Sicht des ADAC in NRW nicht allein durch die Lieferengpässe und höheren Transportkosten zu erklären sei: „Der Rohölpreis ist von Anfang Oktober bis heute um über 25 Prozent gesunken“, sagt Pressesprecher Thomas Müther. „Zudem machen die Transportkosten nur einen Bruchteil des letztendlichen Benzinpreises aus.“ Die beiden großen Anteile lägen bei den Steuerabgaben – rund 55 bis 60 Prozent – und dem Einkaufspreis des Rohöls, der zuletzt bei 62 Dollar pro Barrel (etwa 160 Liter) lag. Die Deckungskosten wie Vertrieb, Verwaltung, Lagerung und Transport seien insgesamt „nur ein kleines Tortenstück“. Es liege der Verdacht nahe, so Müther, „dass die Mineralölkonzerne ihre Marge erhöhen wollen und die Transportkosten dafür vorgeschoben werden.“

„Eine unangenehme Situation“

Alexander von Gersdorff, Pressesprecher des Mineralölwirtschaftsverbands, widerspricht. „Wir haben es wirklich mit echter Knappheit zu tun, und das ist eine unangenehme Situation. Die Preise spiegeln diese aktuelle Knappheit.“ Dass sich die Preise derart stark voneinander entfernt hätten, liegt aus seiner Sicht eben darin begründet. Der Benzinpreismarkt habe sich „komplett abgekoppelt vom Ölpreis“. Die Tankstellen könnten daran nichts ändern: „Ihnen ist aus kartellrechtlichen Gründen untersagt, unterm Einkaufspreis zu verkaufen“, was logisch sei. „Denn sonst könnten Tankstellen mit etwas längerem finanziellen Atem die kleineren vom Markt drängen.“

Wie viele Tankstellen in Dortmund in welchem Maße betroffen sind, lässt sich schwer herausfinden. Immerhin: Von Marktführer Aral heißt es, bei den 15 Tankstellen in Dortmund und den weiteren acht in der unmittelbaren Umgebung gebe es „keinerlei Leerstände“, die Situation habe sich „sichtlich beruhigt“. Auch Rabl vom TIV bestätigt, „in Dortmund hat sich keines unserer Mitglieder beschwert.“ Anders beispielsweise in Leipzig oder Köln, „wo wir es konkret gesehen haben“, und wo auch Aral von Verzögerungen bei der Belieferung „einzelner Produkte“ spricht. Wirtschaftlicher Schaden entstehe, so Rabl, den Tankstellen am Ende jedoch so gut wie keiner.

Spritsparend fahren

Verbessern wird sich die Situation erst dann wieder, wenn es geregnet hat und der Wasserstand der Flüsse gestiegen ist. Jedoch dürfe noch ein größerer Zwischenfall nicht passieren: „Dann haben wir einen richtigen Krisenfall, also keine Versorgungsmöglichkeiten mehr“, so Rabl. Immerhin sei bereits jetzt die strategische Reserve der Bundesregierung „angeknabbert“ worden, „die drei Monate halten muss, aber jetzt keine drei Monate mehr halten kann.“

Doch auch die Autofahrer können etwas tun. Der ADAC appelliert, nicht nur auf die Preisschwankungen im Tagesverlauf zu achten und die günstigsten Tankstellen herauszusuchen – sondern spritsparend zu fahren. „Das bedeutet flott beschleunigen, früh hochschalten und im niedrigen Drehzahlbereich die Geschwindigkeit halten“, sagt Müther. „Wenn man zudem regelmäßig den Reifendruck kontrolliert, darauf achtet, überflüssiges Gewicht zu reduzieren – beispielsweise die Wasserkisten aus dem Kofferraum nimmt – und auch mal auf Geräte wie die Klimaanlage oder Sitzheizung verzichtet, lassen sich so bis zu 20 Prozent Sprit einsparen.“

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