Judith Brinkmann (l.) und Mirjam Gaffran, Leiterinnen der Etage Uzwei im Dortmunder U, in einer begehbaren Installation der Ausstellung "I was here" im Dortmunder U.

© Felix Guth

Hier sehen Sie eine Ausstellung, die im Moment niemand sehen darf

rnDortmunder U

Um Streetart und Graffiti geht es in einer Ausstellung, die im Dortmunder U aufgebaut ist. Vorerst darf sie niemand sehen. Wir waren trotzdem im U-Turm und haben ein Video von der Ausstellung.

Dortmund

, 20.01.2021, 06:00 Uhr

Auf der Etage UZwei im Dortmunder U steht die Ausstellung „I was here“ und wartet auf Besucher. Die Schau über die Street- und Urban-Art-Szene in Dortmund hat möglichst bald möglichst viele interessierte Augen- und Ohrenpaare verdient.

Das zeigt ein Rundgang durch die Ausstellung, der für die Presse mit Abstand und Maske möglich war.

Die Stadt inspiriert Menschen - und Menschen gestalten die Stadt

Die multimediale Ausstellung verrät viel darüber, wie junge Menschen ihr Umfeld in der Stadt gestalten – und wie sie sich von ihr inspirieren lassen. Ausdruck findet das in Graffiti, Malerei, Rap-Musik, Fotografie und Installationen.

Die Werke sind zum Teil subtil, zum Teil skurril. Sie eint die Suche nach dem einen gemeinsame Moment.

Denn vieles, was hier als Kunst ausgestellt ist, beginnt mit dem „I was here“-Gedanken. „Ich war hier“, das Verewigen auf einer öffentlich sichtbaren Fläche, ist etwa der Ausgangspunkt der Sprayer- und Graffiti-Bewegung.

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Diese nimmt viel Raum auf der UZwei ein. Nicht zufällig, sondern weil sie über 30 Jahren ein Teil von Dortmund ist.

Dortmund als Graffiti-Metropole

„Bevor es das Internet gab, war Dortmund eine der Graffiti-Metropolen, es gab einen Dortmund-Stil. Es hatte für Menschen aus Sidney oder Mailand einen Mehrwert, nach Dortmund zu kommen“, sagt der Dortmunder Künstler Oliver Mark. Das hatte seinen Grund im Zugsystem der Deutschen Bahn, das über Dortmund nach ganz Europa führt.

„Die Deutsche Bahn kam mit dem Putzen nicht hinterher“, sagt Oliver Mark über die Hochphase der Dortmunder Graffiti-Szene in den späten 1980er Jahren. Zahlreiche „Writer“ erarbeiteten sich das, was sie wollten: „fame“, also Bekanntheit.

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Zeitungsberichte voller Zitate von empörten Bürgern, Politikern und Journalisten aus den 80er- und 90er-Jahren füllen eine ganze Wand. Doch die Tageszeitungen fragen auch auf großer Fläche respektvoll: Wer steckt eigentlich hinter Namen wie „Chantz“, die von der Dortmunder Staatsanwaltschaft damals mit Verfahren überzogen werden?

Kunst mit Sprühdose und Edding

Dass Sprühdose und Edding Kunst-Werkzeuge sein können, war damals noch nicht im öffentlichen Bewusstsein. Selbst über 30 Jahre später gibt es den Konflikt mit der Legalität und Debatten über Ästhetik immer noch.

Eine vom Graffiti-Künstler "Kasino" bemalte Zugwand ist Teil der Ausstellung im Dortmunder U.

Eine vom Graffiti-Künstler "Kasino" bemalte Zugwand ist Teil der Ausstellung im Dortmunder U. © Felix Guth

Aber eben auch eine Ausstellung zum Thema und einen insgesamt viel offeneren Umgang. Urbane Kunst ist mehr als Graffiti. Denn sie funktioniert auch in die Gegenrichtung: Die Stadt wird zur Inspiration, zum Material für den Künstler.

Die Stadt als Material für Installation oder Musik

Sichtbar wird das etwa in der kinetischen Wandinstallation von David Janzen und Simon Mellnich, die aus Fundstücken der historischen Ruhrindustrie besteht und die Energie der Rolltreppe im Dortmunder U nutzt, um sich klackernd in Bewegung zu setzen.

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Einen speziellen Blick auf „Stadt“ bietet zudem die Zusammenarbeit des Dortmunder Rappers Schlakks mit dem Fotografen Marco Saaber. „Marseille“ ist ein Rap-Album, das in den Texten und Fotos eine Reise in die französische Hafenstadt aufarbeitet und darin auch das Leben in Dortmund spiegelt.

Aus den Audio-Tour-Kopfhörern dringt sehr guter Hip-Hop, die Augen sehen sehr gute Fotos, die Sehnsucht wecken, aber auch die Rauheit des urbanen Lebens zeigen.

In kulturarmen Corona-Zeiten ist der Blick in die Ausstellung Luxus - aber auch ein Zeichen der Hoffnung

Warum die vielen Worte über etwas, wo niemand hindarf? Ganz einfach: Es geht auch um Hoffnung, um ein Zeichen, dass da noch etwas ist, was nach dem Lockdown auf uns wartet.

Es fühlt sich wie Luxus an, sich beruflich mit dieser Ausstellung beschäftigen zu dürfen. Es macht deutlich, wie dramatisch es ist, dass Kultur mit Menschen bis auf Weiteres undenkbar bleibt.

„I was here“ läuft ab Wiedereröffnung des Dortmunder U, Leonie-Reygers-Terrasse, bis zum 6. Juni.

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