
© Dieter Menne
Hier gibt es die letzte Chance auf eine Lehrstelle
Freie Ausbildungsplätze
Es gibt in Dortmund mehr freie Ausbildungsplätze als Bewerber. Und doch sind noch 1100 Jugendliche ohne Lehrstelle. Welche Ansprechpartner in letzter Minute noch freie Stellen vermitteln.
Zum Ausbildungsstart gibt es in Dortmund derzeit noch mehr als 1400 freie Ausbildungsstellen. Gesucht werden noch besonders Kaufmänner und -frauen im Einzelhandel, Bankkaufleute, Fachlageristen, Krankenpfleger und Zahnmedizinische Angestellte. Genug Auswahl also für die 1100 jungen Dortmunder, die noch auf der Suche nach einer Lehrstelle sind. Doch so einfach ist das nicht.
Und dennoch: „Dass mehr Stellen da sind, ist zum einen gut. Aber kein Grund sich zurückzulehnen“, sagt Thomas Stiller, Teamleiter im Jugendberufshaus der Agentur für Arbeit. Denn die Zahlen offenbarten auch, dass irgendetwas nicht zusammenpasst.
In den Wunschberufen kriegen die Unternehmen viele Bewerbungen, betont Ursula Siedenburg, Azubi-Beraterin bei der Industrie- und Handelskammer. 137 Firmen bieten in der IHK-Lehrstellenbörse derzeit 231 Plätze für Dortmund an. Sei der Betrieb klein und unbekannt oder ungünstig gelegen, werde es schon schwieriger.
Viele Gastronomen resignieren
Und dann gebe es eine Reihe von Berufen, die ein Imageproblem hätten: „Berufskraftfahrer, Lagerlogistik“, nennt die Expertin zwei Branchen. Viele Gastronomen würden schon gar nicht mehr ausschreiben, weil sich kaum jemand melde. Auch der Einzelhandel habe Schwierigkeiten, zum Beispiel Ausbildungsplätze an den Frischetheken zu besetzen. „Wir brauchen aber Leute, die da beraten.“ Da beiße sich die Katze in den Schwanz.
Das Problem kennt auch Meryem Efe, Ausbildungsberaterin bei der Handwerkskammer. 203 offene Lehrstellen sind derzeit in Dortmund registriert. Im Kfz-Bereich hingegen habe es in diesem Jahr einen Bewerber-Überschuss gegeben. Auch die Plätze bei den Elektronikern seien überraschend gut und schnell besetzt worden. Aber viele Handwerker suchen händeringend nach Nachwuchs.
So auch Klaus Reff, Inhaber des Sanitär- und Heizungsbetriebs Klaus Reff. Im Januar beendete einer seiner zwei Auszubildenden zum Anlagentechniker Sanitär, Heizung und Klima seine Ausbildung. Klaus Reff übernahm ihn, wollte aber gern den frei gewordenen Ausbildungsplatz neu besetzen. Die Suche nach einem passenden Bewerber gestaltete sich jedoch schwierig. „Ich habe gewartet und gewartet, aber es kamen einfach keine Bewerbungen“, sagt er. Er fragte Kollegen nach Empfehlungen, aber die wenigen Bewerber, mit denen er daraufhin Gespräche führte, wollten nicht so recht passen. Schließlich schaltete Reff Innung, Verband und Handwerkskammer ein.
Mit Berufserfahrung und Bauchgefühl zum richtigen Azubi
Mit Erfolg: In fast letzter Sekunde vermittelte ihm die Handwerkskammer am 30. Juli einen Auszubildenden, der nach dem ersten Lehrjahr mit seinem derzeitigen Ausbildungsbetrieb unzufrieden war und gern die Stelle wechseln wollte. „Ich habe ihn spontan zu einem Gespräch eingeladen und es hat auf Anhieb gepasst“, so Reff. Ein Praktikum habe der junge Mann nicht mehr machen müssen. „Nach über dreißig Jahren Berufserfahrung kann ich meinem Gefühl in diesen Dingen vertrauen“, sagt Reff zuversichtlich. Wegen der kurzen Frist beginnt die Ausbildung für den neuen Azubi allerdings nicht wie ursprünglich geplant zum ersten, sondern erst zum 13. August.
Warum er so wenige Bewerbungen bekommen hat, erklärt Klaus Reff sich damit, dass immer mehr junge Menschen lieber weiterhin zur Schule gehen und danach studieren möchten, als eine Ausbildung anzufangen. „Dabei ist ein Handwerksberuf wie unserer, in dem es auch viel um neue Technik geht, sehr interessant“, sagt er. Und außerdem habe er Zukunft. Leitungen bräuchten die Leute schließlich immer.
Meryem Efe nennt die Top 3 der freien Plätze in der Statistik der Handwerkskammer: Anlagenmechaniker (26), Friseur (15), Maler/Lackierer (14). Dieses Trio zeigt gleich mehrere Probleme, die mit der Azubi-Suche einhergehen. Bei einigen Berufsfeldern schrecke das Image die Bewerber ab. Dabei sei zum Beispiel der Beruf des Anlagenmechanikers mittlerweile hoch digitalisiert. „Viele wissen gar nicht, was sich hinter einigen Berufsbezeichnungen verbirgt“, wirbt Meryem Efe dafür, sich noch besser zu informieren. „Die Jugendlichen kennen nur einige wenige Berufe.“
Geringe Verdienstmöglichkeiten sprechen ebenfalls für viele gegen das Handwerk. Und nicht zuletzt die körperliche Arbeit. „Die Schüler entscheiden sich lieber für einen Beruf, der nicht so anstrengend ist.“ Dabei laute der Umkehrschluss: Wo händeringend Mitarbeiter gesucht werden, sind die Aussichten auf eine Anstellung nach der Lehre gut.
Eine schlechte Schulnote ist kein Problem
Doch nicht immer liegt es an fehlenden Bewerbern. IHK-Beraterin Ursula Siedenburg hat in den vergangenen Wochen mit vielen Firmen telefoniert. „Ich war sehr überrascht, wie viele Stellen noch nicht besetzt sind“, sagt sie. Denn manchmal passen auch die Anforderungen der Firmen nicht mit den angehenden Azubis zusammen. „Wenn jemand nur ein Hemmnis hat, ist das kein Problem“, sagt Ursula Siedenburg. Also zum Beispiel die 5 in Mathe. Schwierig werde es, wenn jemand mehrere Probleme mitbringe. Also schlechte Noten oder eine abgebrochene Ausbildung – oder wenn jemand das klassische Azubi-Alter schon deutlich überschritten hat.
Bewerber lassen Betriebe hängen
Wovon Chefs und Mitarbeiter ihr in den Gesprächen immer wieder berichten, sei die Unverbindlichkeit der Bewerber gegenüber den Unternehmen. „Das wird jemand per E-Mail zum Bewerbungsgespräch eingeladen - und antwortet nicht. Ans Handy geht er nicht dran und am Festnetzanschluss versichert er glaubhaft, dass er am nächsten Tag kommt. Aber er kommt nicht“, schildert Ursula Siedenburg. Das kennt auch Klaus Reff. „Wir hatten einen Bewerber, der sein Studium abbrechen und stattdessen eine Ausbildung machen wollte. Der hat sich nie wieder gemeldet.“
Martina Würker, Chefin der Agentur für Arbeit, hatte zur Halbjahresbilanz des Ausbildungsmarktes im März dennoch Optimismus verbreitet und für die Angebote der Agentur geworben: „Wir haben nicht immer die perfekten Bewerber, aber wir können immer was tun.“
1997 in Dortmund geboren. Dort seit 2017 für die Ruhr Nachrichten im Einsatz. Habe die Stadt dabei neu kennen und lieben gelernt. Mag die großen und kleinen Geschichten um mich herum, Bücher, schreiben und fotografieren.

Kind des Ruhrgebiets, mit den Ruhr Nachrichten seit Schulzeiten verbunden. Neugierig auf Menschen und das, was sie begeistert und umtreibt. Mit einem (auch persönlichen) Interesse für Familien- und Kulturthemen.
