Mieter frieren

Heizungen in Mehrfamilienhaus bleiben seit Monaten kalt

Im Kirchlinder Steinfurtweg 4 frieren die Mieter eines Mehrfamilienhauses. Etwa die Hälfte der 18 Parteien ist betroffen. Seit Oktober schon. Es ist bereits der zweite Heizungsausfall in einem Vonovia-Haus in dieser Siedlung. Ein Umstand verhindert die Reparatur besonders.

KIRCHLINDE

, 07.12.2017 / Lesedauer: 4 min

Sechs Geschosse, 18 Wohnungen – die Hälfte davon ist seit Beginn der Heizperiode kalt. © Uwe von Schirp

Birgit Behle sitzt am Esstisch und ist ratlos. Ein Thermometer hat sie nicht – braucht sie auch nicht. Draußen sind es drei Grad, graue Wolken, Ostwind. Die große alte Fensterfront zum Balkon hin ist beschlagen. Die Luft ist feucht. Warm ist spürbar anders.

Warm war es in dieser Heizperiode noch keinen Tag. „Abends sitze ich mit meinem Sohn hier meistens mit fünf Decken und einer Wärmflasche“, erzählt die allein erziehende Mutter. „Manchmal mache ich den Trockner an, damit es ein bisschen wärmer wird.“ Not macht erfinderisch. „Wenn es gar nicht auszuhalten ist, setzen wir uns ins Auto und fahren eine Runde.“

Birgit Behle lebt seit Wochen ohne Heizung in ihrer Wohnung im Steinfurtweg 4. © Uwe von Schirp

Drei Heizlüfter mit je 2000 Watt– „von der Vonovia zur Verfügung gestellt“ – schaffen keine dauerhafte Wärme auf 72 Quadratmetern Wohnfläche.

Kein Weihnachtstraum

Steinfurtweg 4, 5. Obergeschoss. Adventliche Heimeligkeit wird sich hier nicht einstellen. Auch an Weihnachten nicht. „Ich habe mit einem Servicetechniker der Vonovia gesprochen. Vor Februar wird das nichts“, sagt Birgit Behle.

Betroffen sind nicht nur sie und ihr 14-jähriger Sohn, sondern auch die anderen Mietparteien auf dieser Seite des Hauses. „Die Familie unter mir hat zwei kleine Kinder. Sie waren mittlerweile alle schon krank mit Schnupfen, Husten, Heiserkeit.“

Über Weihnachten an die Nordsee

„Weihnachten, Weihnachten, bin ich zuhaus, wenn auch nur im Traum“, heißt es in einem Lied. Für Birgit Behle bleibt es in diesem Jahr bei dem Traum. „Wir haben jetzt geplant, mit meinem Freund für zwei Wochen an die Nordsee zu fahren und freuen uns auf eine warme Ferienwohnung.“

Weitere Kosten zur ohnehin schon höheren Stromrechnung – auch wenn die Vonovia eine Entschädigung zugesagt hat.

Bilder an der Fassade zeigen Lebensqualität

Kirchlinde, Steinfurtweg: eine Siedlung mehrgeschossiger Häuser aus dem geförderten Wohnungsbau der 70er Jahre – nun in die Jahre gekommen. Von nebenan dringen Baugeräusche durch die undichten Fenster. Handwerker sanieren gerade Hausnummer 2 – Fenster und Fassade.

Lifestyle an der Hausfassade verspricht Wohnqualität. © Foto: Uwe von Schirp

Saniert wurde auch hier in der Hausnummer 4, aber nur zum Teil energetisch: Seit einiger Zeit zieren violette Verblendungsplatten neben den Fensterfronten die Fassaden. Grotesk: Sie zeigen Motive von Menschen mit Lebensqualität. „Eine Isolierung ist das nicht“, sagt Birgit Behle.

Neuer Heizkessel

Im Sommer bauten Installateure im Keller einen neuen Heizkessel ein. Vor diesem Hintergrund erscheint die Aussage der Vonovia-Pressestelle schlüssig, nachdem auch in Hausnummer 41 seit Wochen die Heizkörper kalt sind und unsere Redaktion nach dem Zustand der Heizungsanlagen in der Siedlung fragte. „Unsere Heizungsanlagen befinden sich in sehr gutem Zustand. Sie werden regelmäßig gewartet“, schrieb Sprecherin Jana Kaminski auf unsere Anfrage.

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Oder die Anlagen werden eben erneuert – wie in Hausnummer 4. Einen Voll- oder Regelbetrieb kennt die Steuerung des neuen Kessels indes nicht. Wochenlang habe der Vonovia-Gebäudeservice immer wieder Wasser in die Anlage gefüllt, die Heizkörper entlüftet, berichtet Birgit Behle. Und jedes Mal fiel der Druck wieder ab.

Vonovia: Wir können den Schaden noch gar nicht abschätzen

Das Problem liegt in einer Geschossdecke zwischen der ersten und zweiten Etage. Ein Bruch. Wahrscheinlich. „Wir brauchen die Erlaubnis, um in die Wohnung zu dürfen. Da gibt es strenge gesetzliche Auflagen“, erklärt Vonovia-Sprecher Max Niklas Gille. Und diese Erlaubnis erteilen die Mieter bislang nicht. „Ein höchst ärgerlicher Vorgang“, betont Gille.

„Wir können den Schaden noch gar nicht abschätzen. Und mit längerer Dauer wird der immer größer.“ Vonovia sei mit den betreffenden Mietern im Austausch. Eine Klage sei ein möglicher Weg, führe aber auch zu keiner kurzfristigen Lösung. „Natürlich werden wir alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen.“

Ersatzwohnung steht längst bereit

Versuche unserer Redaktion, mit den Mietern in Kontakt zu treten, scheiterten bislang. Birgit Behle wundert das nicht. „Das ist normal. Im Moment sieht man sie morgens früh weg gehen und abends spät wieder kommen.“

Währenddessen korrespondiert die Vonovia per Fax mit der Mietpartei und sucht nach Lösungen. Eine zeitweilige nahe gelegene Ersatzwohnung steht längst bereit. Die Techniker tüfteln über eine provisorische Lösung. „Da gibt es heute aber noch keinen Kommunikationsstand“, sag Max Niklas Gille..

Steinfurtweg 4, 5. Obergeschoss: Wegziehen will Birgit Behle nicht. „Die Freunde meines Sohnes wohnen doch hier.“ 14 Jahre wohnt sie in der Wohnung. „Ich fühle mich hier ganz wohl – wenn das Problem nicht wäre.“